Corona, Klimawandel, Armut und Rassismus: Es sind viele Krisen, aber ein System. Wir blicken auf linke Wege aus der »Jahrhundertkrise«. Von Martin Haller
»Eine Ratte hat neulich meine Schwester Nell gebissen / Wo doch der weiße Mann auf dem Mond ist. / Ihr Gesicht und ihre Arme sind angeschwollen / Und der weiße Mann ist auf dem Mond / Ich kann keine Arztrechnungen bezahlen / Aber der weiße Mann ist auf dem Mond (…)« Fünfzig Jahre ist es her, dass Gil Scott-Heron sein Gedicht »Whitey on the Moon« veröffentlichte – eine beißende Kritik am Rassismus und den sozialen Widersprüchen im »Land of the free«.
Am 30. Mai dieses Jahres sind nun wieder zwei »Whiteys« in den Orbit geschossen worden – zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt in einer Raumkapsel eines Privatunternehmens, gegründet von einem exzentrischen Milliardär, mit dem Ziel den Mars zu kolonisieren. Nach einem Bilderbuchstart entschweben die beiden US-Astronauten in die Weiten des Weltalls. Tief unter ihnen tobt derweil der größte landesweite Aufstand der US-amerikanischen Geschichte seit den 1960er Jahren. Inmitten einer zusammenbrechenden Weltwirtschaft und einer Pandemie, die allein in den USA schon weit mehr als Hunderttausend Menschen das Leben gekostet hat, erhebt sich eine Massenbewegung gegen staatliche Gewalt und Unterdrückung.
Ein anderer exzentrischer Milliardär – der US-Präsident – droht mit dem Einsatz des Militärs. Auch er will unbedingt wieder »Whiteys« auf dem Mond sehen. Zwölf Milliarden US-Dollar hat er dafür im Haushalt für kommendes Jahr lockergemacht. Währenddessen wachsen die Schlangen an den Lebensmitteltafeln ins Endlose.
Krisen, Polarisierung, Aufstände
Das Gefühl, im Endstadium des Kapitalismus zu leben, ist nicht neu – und das gilt nicht nur für die USA. Das vergangene Jahrzehnt war weltweit geprägt von Krisen, gesellschaftlicher Polarisierung, wachsenden imperialistischen Spannungen sowie Aufständen bis hin zu Revolutionen. Während die soziale Ungleichheit immer weiter wächst, der Klimawandel längst spürbare Realität ist, und weltweit über 80 Millionen Menschen auf der Flucht sind, wenden sich immer mehr Menschen vom etablierten Politikbetrieb ab und radikalisieren sich – nach links wie rechts.
Ob Klima, Wirtschaft, Soziales, Politik oder Gesundheit – von Stabilität keine Spur, geschweige denn von Fortschritt. Die »Krise« ist längst zum Dauerzustand geworden. Dann kam Corona.
Die Pandemie bedroht die Existenz von Millionen. Zugleich löste sie den schwersten Wirtschaftseinbruch der Nachkriegsgeschichte aus. Doch Corona legt die Krankheit des Kapitalismus lediglich offen. Das Virus tritt zu einem Zeitpunkt auf, zu dem der Kapitalismus immer noch nicht die letzte Wirtschaftskrise überwunden hat.
Schon seit Jahrzehnten versuchen die Eliten, den schwächelnden Kapitalismus aufzupäppeln und die Profitraten aufrechtzuerhalten. Der Lebensstandard der lohnabhängigen Bevölkerung wurde im Neoliberalismus verstärkt angegriffen, während die Unternehmen Steuergeschenke erhielten. Der Kapitalismus kann sich nur noch am Leben erhalten, indem er die Umwelt zerstört und so »Kosten« einspart, Reichtum von unten nach oben umverteilt, Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert.
Für Banken und Konzerne laufen, wie inzwischen in Krisen üblich, staatliche Hilfsmaßnahmen in Billionenhöhe an. Ziel ist es, so schnell wie möglich zum »normalen« kapitalistischen Betrieb zurückzukehren. Doch »normal« ist hier schon lange nichts mehr.
Corona als Brandbeschleuniger der Krisen
Die Corona-Pandemie wirkt auf die bestehende Krisendynamik wie ein Brandbeschleuniger. Deutschland und vielen anderen Volkswirtschaften drohte schon vor Corona eine Rezession. Die chinesische Industrieproduktion wuchs letztes Jahr so langsam wie seit 17 Jahren nicht. Nun ist die Weltwirtschaft auf einen Schlag implodiert. Die soziale Spaltung erreicht ein unerträgliches Ausmaß. Während Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren, verdienen Superreiche wie Amazon-Boss Jeff Bezos in wenigen Tagen Milliarden. Während Auto- und Luftfahrtindustrie Milliardenhilfen einstreichen, werden die letzten Regenwälder des Planeten im Rekordtempo vernichtet.
Ja, wir leben in Zeiten einer »multiplen Krise«. Die Gleichzeitigkeit mehrerer Krisen sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre gemeinsame Ursache in einem System liegt, das sich längst überholt hat. Es sind viele Krisen, aber ein System: Kapitalismus.
Fast überall auf der Welt setzen die Regierenden zur Bekämpfung der Coronakrise auf repressive Maßnahmen wie Grenzschließungen, verstärkte Überwachung oder Ausgangssperren. Das Testen autokratischer Kontrollmöglichkeiten ist ein Kennzeichen des aus den Fugen geratenen Katastrophenkapitalismus. Gerade in Krisenzeiten treten Klassengegensätze verstärkt zutage. Angesichts einer Pandemie, welche die gesamte Gesellschaft trifft, droht der Blick auf diese Gegensätze aber auch zu verschwimmen.
Nein, wir sitzen nicht alle im selben Boot. Auch die Krisenpolitik der Bundesregierung ist alles andere als »neutral«. Auch sie versucht in erster Linie, die Profite der Wirtschaft zu schützen, anstatt einen Schutzschirm für die Menschen zu spannen und den massiven Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge, speziell des Gesundheitssystems, anzugehen. Die Logik des Kapitals und die Verfasstheit bürgerlich-kapitalistischer Staaten verhindern eine effektive Bekämpfung der Pandemie. Die Verantwortung für die Eindämmung des Coronavirus wird individualisiert.
Im Zusammenhang mit der Krise des globalen Kapitalismus wächst auch die imperialistische Konkurrenz und damit die Konflikte und Kriegsgefahr. Jede Bourgeoisie versucht, sich auf Kosten anderer zu sanieren oder zu retten. Ein relativer Machtverlust der USA und der Aufstieg Chinas setzen sich fort. Die europäischen Mittelmächte reagieren auf Trumps national-protektionistischen Kurs mit der Forderung nach einem »starken und geeinten Europa«, während sich die Krise der EU unvermindert fortsetzt. In diesen Zusammenhang sind auch die weiteren Schritte der Militarisierung der EU einzuordnen. Die Spannungen zwischen den Großmächten sowie einigen Regionalmächten nehmen seit Jahren zu, was sich in einem neuen Wettrüsten sowie in regionalen Krisen, Stellvertreterkriegen und der Internationalisierung von Bürgerkriegen ausdrückt.
Hegemoniekrise des Neoliberalismus
Auch innenpolitisch wächst fast überall auf der Welt das Konfliktpotenzial: Nach dem jahrzehntelangen neoliberalen Umbau der Gesellschaft, egal unter welchen Parteien, grassiert Frustration. Die Wut über den stagnierenden oder sinkenden Lebensstandard, schlechte Zukunftsaussichten sowie eine undemokratische und niemandem rechenschaftspflichtige herrschende Klasse kommt in immer mehr Ländern an die Oberfläche.
Die globale Hegemoniekrise des Neoliberalismus nach vierzig Jahren der Umverteilung von unten nach oben, wachsender sozialer Spaltung und der Zunahme von Prekarität äußert sich in zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung. Sie kann sowohl einen Anstieg von Klassenkämpfen und das Aufkommen neuer sozialer Bewegungen bedeuten als auch den Vormarsch der radikalen Rechten.
Vor dem Hintergrund der sich verschärfenden globalen ökonomischen und militärischen Konkurrenz erleben wir in den letzten Jahren in zahlreichen Ländern die Rückkehr eines wirtschaftlichen und dann auch politischen Nationalismus. Teile der bürgerlichen Klasse befürworten eine autoritäre Krisenlösung. Sie sammeln autoritäre politische Kräfte, um in der eigenen Klasse eine radikalere Linie zur Krisenbewältigung durchzusetzen.
Die Legitimationskrise des politischen und ökonomischen Systems schwächt das traditionelle politische Zentrum. Die Antwort der Herrschenden darauf besteht fast überall im Schüren von Rassismus als Spaltungsideologie. Die Folge ist ein Aufstieg nationalistischer bis (neo)faschistischer Formationen in zahlreichen Ländern, welche die Unzufriedenheit in ihre Bahnen zu lenken versuchen. Ob Trump in den USA, Bolsonaro in Brasilien, Putin in Russland, Modi in Indien, Duterte auf den Philippinen, Erdogan in der Türkei, Orbán in Ungarn oder Johnson in Großbritannien – auf allen Kontinenten streben rechte Demagogen oder autoritäre Marktradikale zur Macht. Wo sie nicht regieren, setzen sie die etablierte Politik aus der Opposition unter Druck – Salvini in Italien, Le Pen in Frankreich, die AfD in Deutschland.
Die »Generation Krise« erhebt sich
Doch die Polarisierung hat auch eine Gegenseite: Weltweit erleben wir in den letzten Jahren einen Aufschwung von Massenbewegungen. Die »Generation Krise« erhebt sich. Millionen vor allem junger Menschen politisieren sich und wehren sich gegen die herrschende Politik. Sichtbarster Ausdruck dieser Entwicklung ist die globale Klimabewegung. Sie hat letztes Jahr mit gewaltigen Protesten die Klimakrise ins Zentrum der Weltöffentlichkeit gerückt.
Ebenso zum globalen Bewegungsaufschwung zählen die antirassistische Bewegung, die dritte Welle der Frauenbewegung sowie die vielfältigen Massenaufstände bis hin zu Revolutionen des Jahres 2019: Sudan, Algerien, Libanon, Haiti, Chile, Ecuador, Hongkong, Irak, Katalonien – so lautet die sicher nicht vollständige Liste der Massenmobilisierungen, die in letzter Zeit den Herrschenden den Angstschweiß auf die Stirn getrieben haben und die in vielen Fällen weitergehen oder jederzeit wieder aufflammen können. In Teilen der globalen Peripherie liegt Revolution in der Luft – nicht erst seit Corona.
Die Legitimationskrise der Herrschenden ist so tief, dass in vielen Ländern das etablierte politische System unter dem Druck der in Massen protestierenden Bevölkerungen Risse bekommt. Die Mächtigen geraten ins Wanken, versuchen mit Zugeständnissen oder Gewalt die Aufstände zu unterdrücken und schaffen es trotzdem nicht, wieder »Ruhe« herbeizuführen.
Trägerinnen und Träger dieser Bewegungen sind in überwältigender Mehrheit die »Kinder der Krise«, also diejenigen, die in einer Welt aufgewachsen sind, in der die politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnisse zum Schlechteren ins Rutschen geraten sind.
Bei vielen der Proteste und Massenerhebungen spielt die Solidarität mit unterdrückten Gruppen eine entscheidende Rolle. Nicht nur in den USA erleben wir mit dem Aufstand nach dem Mord an George Floyd den Beginn einer Welle des Klassenkampfs, bei dem Antirassismus im Zentrum steht. Auch in Europa, Indien, Lateinamerika oder dem Nahen Osten ist der Kampf gegen rassistische und religiöse Spaltung eine wichtige Triebfeder der Bewegungen und Revolten.
Massenbewegungen von links
Auch wenn die Massenbewegungen verschiedene konkrete Anlässe haben – Armut, Unterdrückung, Klimawandel – liegt ihre gemeinsame Ursache in den sich verschärfenden Widersprüchen des Kapitalismus. Und so wie die verschiedenen Dimensionen der Krise sich gegenseitig verstärken, inspirieren und befruchten sich auch die verschiedenen Bewegungen wechselseitig. Eine neue Generation politisiert sich entlang verschiedener kapitalistischer Widersprüche. Der Autor und Klimaaktivist Jonathan Neale schreibt: »Wenn Menschen an einem Protest teilgenommen haben, ist es für sie leichter, sich dem nächsten anzuschließen. Wenn sie sich am zweiten Protest beteiligen, bei dem es um etwas anderes geht, beginnen sie zu verallgemeinern und das System als Ganzes zu hinterfragen.« Genau das ist es, was gerade in zahlreichen Ländern weltweit passiert.
Deutschland ist hier keine Ausnahme. Im Gegenteil: Es ist ein Epizentrum der Klimabewegung. Die Proteste zum dritten globalen »Klimastreik« waren mit 1,4 Millionen Teilnehmenden die größten in der Bundesrepublik seit dem Generalstreik von 1948. Und auch wenn Corona den Protestkalender 2020 ordentlich durcheinander brachte, ist klar: Diese Bewegung wird nicht einfach wieder verschwinden. Der Grund dafür ist einfach: Der Klimawandel ist die wichtigste gesellschaftliche Herausforderung, weil er die gesamte Existenz der Menschheit bedroht. Doch bislang ist keine Regierung auf der Welt bereit, ernsthafte Maßnahmen zu ergreifen, welche die Treibhausgasemissionen radikal reduzieren könnten.
Doch nicht nur die Klimabewegung brachte hierzulande Massen auf die Straße. Während die betrieblichen Kämpfe auf einem historischen Tiefstand verharren, erleben wir an gleich mehreren Fragen einen Bewegungsaufschwung: Los ging es spätestens mit der antirassistischen Massenbewegung ab Sommer 2018. Hierzu zählen #Ausgehetzt, #Seebrücke, #Unteilbar, #WirSindMehr sowie die andauernden Mobilisierungen gegen die AfD. In kleinerem Ausmaß sahen auch die Mietenbewegung sowie die Frauenbewegung einen Aufschwung. Alle zusammen haben sie zu einer deutlichen politischen Diskursverschiebung geführt. Dominierte zuvor noch die rassistische Rechte mit ihrer Hetze gegen Geflüchtete und Muslime die politische Debatte, geriet die Bundesregierung zunehmend auch von links unter Druck.
Schwäche der organisierten Linken
Doch trotz des Bewegungsaufschwungs bleibt die organisierte Linke schwach. Dabei wäre sie gefragt wie lange nicht. Denn soziale Massenbewegungen sind ideologisch und strategisch immer umkämpft. Es besteht kein Automatismus, dass etwa die Klimabewegung ihre Hauptgegner in den fossilen Konzernen und den sie stützenden Regierungen sieht. Genauso können individuelle Konsumkritik oder unsoziale Marktanreize in den Fokus rücken. Und auch im Kampf gegen Rassismus konkurrieren linke Antworten mit anderen Ideen. DIE LINKE als politischer Pol wird gebraucht!
Zudem braucht es politische Organisierung über die verschiedenen Bewegungszusammenhänge hinaus, denn Bewegungen kommen und gehen. Sie können in kurzer Zeit durch die Decke schießen, aber auch genauso schnell wieder zusammenbrechen. Und es braucht politische Verallgemeinerung. Kämpfe müssen zusammengebracht werden. Ziel der LINKEN muss sein, die Proteste auf die gemeinsame Ursache von Ausbeutung, Unterdrückung und Zerstörung unserer Lebensgrundlage zu orientieren – gegen das kapitalistische System.
Vor allem aber braucht DIE LINKE die Bewegungen. Es ist entscheidend, ein attraktives politisches Angebot für die jungen Aktivistinnen und Aktivisten zu entwickeln, welches einen möglichst großen Teil der linken Seite der Radikalisierung an die Strukturen der LINKEN bindet, um diese auf allen Ebenen zu erneuern.
Was sind Machtperspektiven?
Ja, DIE LINKE braucht eine Machtperspektive. Aber der Fokus auf eine Übernahme der kapitalistischen Regierungsgeschäfte ist eine Sackgasse. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass linke Politik sich in erster Linie über Parlamente und Regierungsbeteiligungen durchsetzen lässt. Das Versprechen, die Wahl einer Regierung – und nicht der Kampf der Vielen – könnte die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse verändern, hat sich bislang nie erfüllt. Stattdessen muss es zentrale Aufgabe der LINKEN sein, soziale Kämpfe zu organisieren, zu verbinden und zu stärken. Anstatt Verwaltungspersonal für den Staatsapparat zur Verfügung zu stellen, müssen linke Parteien Katalysatoren für gesellschaftliche Kämpfe sein. Sie müssen Hilfe zur Selbsthilfe beim Aufbau von Widerstand leisten. Sie müssen Protestpartei sein – aber nicht solche, die passiv die bestehende Unzufriedenheit widerspiegeln, sondern die zu Organisatoren eines Protests werden, der kapitalistische Ungerechtigkeit offensiv bekämpft.
Wahlerfolge bringen immer die Gefahr mit sich, dass sich das Kräfteverhältnis zwischen Parteibasis und Parlamentsfraktionen zugunsten letzterer verschiebt. Dies ist kein Automatismus, aber ein Fokus auf Parteiaufbau, soziale Kämpfe, und außerparlamentarischen Protest erfordert einen ständigen Gegendruck gegen die Anpassungskräfte, die durch die Einbindung in Parlamente, Gesetzgebung und bürgerlichen Staatsapparat entstehen.
Der größte denkbare Fehler der Partei DIE LINKE wäre es, ihre programmatischen Grundsätze für eine Beteiligung an der Regierung zu opfern, wie es momentan nicht wenige unter dem Schlagwort »neue linke Mehrheiten« fordern. Denn auf nichts anderes liefe eine Regierungskoalition mit SPD und Grünen hinaus.
Angesichts der Hegemoniekrise der Herrschenden und des Aufstiegs der Rechten wäre es eine Katastrophe, wenn DIE LINKE sich selbst zum Verwalter des neoliberalen Status quo machen würde. Weder SPD noch Grüne sind für einen grundlegenden Politikwechsel zu haben. Mit einer Regierungsbeteiligung würde DIE LINKE ihren eigenständigen politischen Nutzen verlieren. Fällt sie als Protestpartei aus, gewinnt die AfD, die sich als einzige »Anti-Establishment-Partei« geben kann. Statt auf ein mögliches Linksbündnis zu hoffen, muss sich DIE LINKE dafür einsetzen, gesellschaftliche Gegenmacht aufzubauen. Dazu muss ihr Profil schärfer und kämpferischer werden. DIE LINKE muss klarmachen, dass wir ein grundlegend anderes Gesellschaftsmodell und ein neues politisches System brauchen.
Klassenkampf im Krisen-Kapitalismus
Gerade vor dem Hintergrund der kapitalistischen Vielfachkrise brauchen wir eine entschlossene Opposition gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung statt eines staatstragenden Kurses, wie ihn der Fraktionsvorsitzende der LINKEN, Dietmar Bartsch, vorgibt, wenn er die Bundesregierung für ihren Umgang mit der Coronakrise lobt oder die Polizei gegen Rassismusvorwürfe verteidigt. Die Gewerkschaftsbewegung und DIE LINKE dürfen angesichts der Coronakrise nicht zu systemstützenden Befürwortern von Wirtschaftshilfen für Banken und Konzerne sowie immer neuen repressiven Maßnahmen werden, sondern müssen den Widerstand dagegen organisieren. Linke dürfen Polizeigewalt und Rassismus niemals bagatellisieren und müssen immer bedingungslos an der Seite der Menschen stehen, die gegen Repression und Unterdrückung aufstehen. Die Polizei ist keine diskriminierte Gruppe, sondern eine bewaffnete Staatsgewalt. Rassismus, Sexismus und andere Unterdrückungsformen sind eine direkte Folge des Kapitalismus und der Klassengesellschaft, in der wir leben. Der Kampf dagegen ist genauso Teil des Klassenkampfs wie der Kampf um höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen.
Um den Herausforderungen der kapitalistischen Krise in all ihren Dimensionen zu begegnen, muss DIE LINKE eine Kraft der Organisierung von lokaler Gegenmacht werden. Denn das Kernproblem ist nicht ein falsches Programm, sondern strategische Hilflosigkeit in der Umsetzung desselben. Das hat bisher weder in Regierungsverantwortung noch durch Beschwören des Parteiprogramms in der Opposition funktioniert. Hinter den Forderungen müssen reale gesellschaftliche Kräfte gebündelt werden. Dazu müssen linke Parteien dort handlungsfähig werden, wo sich gesellschaftliche Konflikte zuspitzen, wo Bewegung entsteht, und dürfen sich nicht im parlamentarischen Alltag verzetteln. Gelegenheiten dafür gibt es in diesen bewegten Zeiten reichlich.
Foto: Wikipedia / Katsushika Hokusai
Schlagwörter: Antikapitalismus, Antirassismus, Corona, Coronakrise, Hegemoniekrise, Klimakrise, Revolution