Mit Recep Erdogan rollt die deutsche Regierung einem Diktator den roten Teppich aus. Umso dringlicher muss sich linke Kritik gegen ihn richten, statt gegen alle Türken oder Muslime. Von Hans Krause
Während der türkische Präsident dieses Wochenende zum Staatsbesuch eingeladen ist, begeht die von ihm kontrollierte Justiz weiter schwere Menschenrechtsverletzungen. Erst am 11. September wurde der sozialistische Journalist Max Zirngast in Ankara verhaftet, der für jungewelt.de und die US-amerikanische Internetseite jacobinmag.com schreibt. Vorgeworfen wird ihm ebenso üblich wie unbegründet »Nähe zu Terrororganisationen«.
Tausende gehen auf die Straße
Erdogan wird in der Türkei weiter Unschuldige verhaften und die Demokratie zerstören lassen, egal welche Art von künftiger »Beziehung« Kanzlerin Merkel mit ihm vereinbart. Tausende Kurdinnen und Kurden, Türkinnen und Türken und Deutsche protestieren gemeinsam gegen seinen Staatsbesuch.
Gerade Merkel handelt besonders verlogen, da sie einerseits die Besetzung der syrisch-kurdischen Region Afrin durch die türkische Armee im März in Worten kritisiert. Anderseits berichtete das Fachmagazin Defence Turkey im Juni, dass Rheinmetall aus Düsseldorf genau die Panzer nachrüstet, mit denen Afrin erobert und besetzt wurde. Ohne Genehmigung der Merkel-Regierung wäre das nicht möglich.
Einerseits lehnt die Bundesregierung die diktatorischen Verhältnisse unter Erdogan scheinbar ab. Doch wenn Türken und Kurden genau wegen dieser Unterdrückung in Deutschland um Asyl bitten, wird es ihnen schon seit zwei Jahren fast immer verwehrt.
Die Sprache der Rassisten
Wollen wir aber Menschen davon überzeugen, dass Diktatoren im Allgemeinen und Erdogan im Besonderen nicht gut für uns sind, dürfen wir eines auf keinen Fall tun: Den Präsidenten mit »seiner« Bevölkerung gleichsetzen. Zwar haben viele Türken in der Türkei und ein noch größerer Anteil in Deutschland im Juni Erdogan und seine Partei AKP gewählt (mehr über die Ursachen und Hintergründe dazu hier), deswegen aber alle Türkinnen und Türken oder alle türkischen Muslime für seine Politik verantwortlich zu machen, trägt nicht zum Kampf für die Freiheit, sondern zum antitürkischen und antimuslimischen Rassismus in Deutschland bei.
Gerade DIE LINKE muss als antirassistische Partei das Ziel verfolgen, Erdogans Unterstützer für eine Politik der Freiheit und sozialen Gerechtigkeit zu gewinnen. Doch leider ist die Bundestagsrede von Sevim Dagdelen vom 27. September dazu erneut eher ungeeignet. Während die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion einerseits berechtigte Kritik an Erdogan und der deutschen Regierung äußert, so wählt sie doch gleichzeitig die Sprache derjenigen Rassisten, die ihre Vorurteile gegen Türken und Muslime nur hinter Kritik an Erdogan verbergen.
Keine Vorurteile schüren
Dagdelen behauptet, Erdogan verfolge seine Gegner in Deutschland mit »faschistoiden Methoden«, obwohl doch gerade die deutsche Geschichte gezeigt hat, dass Faschismus noch etwas ganz anderes ist, als die Herrschaft Erdogans. Gleich drei mal in sieben Minuten erklärt Dagdelen, Erdogan unterstütze »islamistische Mörderbanden« und »Terroristen«. Obwohl doch gerade nach den Ereignissen von Chemnitz jede Antirassistin davon absehen sollte, im Bundestag die Wörter »Islam« und »Mörder« zusammenzustellen, um keine weiteren Vorurteile zu schüren.
Und zum Schluss fordert die LINKE-Abgeordnete auch noch, die Regierung hätte Erdogan die Eröffnung der Zentralmoschee in Köln verbieten sollen. Zwar ist es kritikwürdig, dass die türkisch-islamische Organisation DiTiB zur Einweihung der Moschee ausschließlich Erdogan und weder einen linken oder grünen Politiker oder den Architekten sprechen lässt.
Erdogans Auftritt verbieten?
Doch was hätte ein Verbot von Erdogans Auftritt bewirkt? In einem Deutschland, in dem sowohl Donald Trump als auch Wladimir Putin oder der chinesische Diktator Xi Jinping öffentlich sprechen oder Neonazis ihre Parolen brüllen dürfen, wäre ein Verbot von Erdogans Auftritt nur eines gewesen: ein rassistischer Doppelstandard, nach dem jedes noch so verbrecherische Staatsoberhaupt Redefreiheit genießt, während sie dem Muslim Erdogan verwehrt wird.
Gerade solche Verbotsforderungen, die man gegen keinen anderen Präsidenten der Welt erheben würde, sind es, die türkischstämmigen Menschen das Gefühl geben, die deutsche Gesellschaft akzeptiere speziell ihren Migrationshintergrund und ihre islamische Religion nicht, sondern nur Deutschstämmige. Und auch von dieser Art von Rassismus muss sich DIE LINKE 100 Prozent abgrenzen, um Türkinnen und Türken für eine gemeinsame Bewegung mit Deutschen und allen anderen Menschen für eine bessere Politik zu gewinnen.
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