Das Gesundheitswesen trägt die Hauptlast der Pandemie. Krankenschwester Anna* erzählt, wie Betriebe Verantwortung auf Beschäftigte abwälzen
marx21: Wo arbeitest du?
Anna: Im Krankenhaus, in der Psychiatrie.
Als was arbeitest du?
Krankenschwester.
Wieviele Beschäftigte sind in deinem Unternehmen tätig?
7000.
Arbeitest du während des »Lockdowns«?
Ja.
Wie hat der »Lockdown« deine Arbeit verändert?
Völlige Unsicherheit. Jeden Tag ändern sich Richtlinien. Stellenweise gibt es Stationsschließungen und Arbeit in anderen Teams, in anderen Bereichen. Zum Teil auch an der Pforte zur Eingangskontrolle. Es gibt viel zusätzliche Arbeit. Darunter Tests von Mitarbeiterinnen und Patienten ohne explizite Räumlichkeiten mit Lüftung dafür. Psychiatrisches Arbeiten mit Gruppen ist durch Hygieneregeln und zu wenig und zu kleine Räumlichkeiten nicht möglich. Aber Patientinnen und Patienten müssen in Dreibettzimmern schlafen. Dort können die Abstände keineswegs gewahrt werden.
Die Glaubwürdigkeit leidet
Die Glaubwürdigkeit leidet. Die adoleszenten Patientinnen und Patienten hinterfragen dann natürlich auch im Alltag die Hygieneregeln. Die eingeschränkte Besuchsregelung ist für viele schwierig. Wir dürfen einerseits nur noch einzeln Pausen machen. Andererseits sitzen wir im Stützpunkt mit nur wenig Abstand beieinander. Dort sind die PC-Arbeitsplätze. Die Dokumentation und Aufnahmen sowie Entlassungen gehen darüber von statten.
Warst du in Kurzarbeit?
Nein.
Wie ging es den anderen Kolleginnen und Kollegen bei dir im Betrieb?
Sehr unterschiedlich. Es handelt sich um ein großes Klinikum. Es gibt sehr viele unterschiedliche Fachbereiche.
Wie ist der Gesundheitsschutz bei dir im Betrieb geregelt?
Es wird sehr viel in die Verantwortung der Beschäftigten gegeben. Zu Anfang gab es nur wenige Masken. Die FFP2-Masken sollten wieder aufbereitet werden. Jetzt herrscht in vielen Bereichen FFP2-Pflicht. Aber es gibt keine Möglichkeit, den Gesundheitsschutz bezüglich der Pausen einzuhalten. Auch hier wird die Verantwortung an Individuen weitergegeben, die sich bei Kopfweh oder Problemen einzeln beim betriebsärztlichen Dienst melden sollen.
Ist die Kantine offen?
Ja.
Gibt es kostenfreie FFP2-Masken?
Ja.
Was hältst du von der Initiative #ZeroCovid?
Ich habe sie unterzeichnet und finde sie gut. Es kann nicht sein, dass wir im Privaten jeglichen Kontakt meiden, während in der Wirtschaft soviel wie möglich weiter läuft, ohne dass der Gesundheitsschutz eingehalten wird.
Was forderst du von deiner Gewerkschaft?
Gerade die Pandemie hat nochmal deutlich gemacht, dass ein auf Profit getrimmtes Gesundheitswesen und eine Reduzierung der Krankenhäuser, sowie die katastrophale Arbeitsbelastung von Pflege und Reinigung im Krankenhaus so nicht weitergehen darf. Die Gewerkschaft sollte dafür eintreten, dass der Gesundheitsschutz im Krankenhaus stattfindet. Etwa durch 30 Minuten Pause nach 75 Minuten Arbeit mit FFP2-Maske.
Auf Profit getrimmtes Gesundheitswesen
Die DRGs (Fallkostenpauschalen, die Redaktion) müssen abgeschafft werden. Eine Entlastung für alle Beschäftigten (Labor, Pflege, Reinigung….) im Krankenhaus muss mit einer vorgeschriebenen Personalbemessung in allen Bereichen erkämpft werden. Es darf nicht gleich zur Katastrophe kommen, wenn eine Kollegin krank ist. Patientinnen und Patienten haben das Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung.
Was erwartest du von der LINKEN?
Die Unterstützung der oben genannten Ziele. Kein ›Weiter so‹ im Gesundheitswesen.
*Name von der Redaktion geändert
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Schlagwörter: #CovidAtWork, #Schichtgeschichten, #ZeroCovid, Corona, Covid-19, Inland