Die ver.di-Betriebsgruppe am Uniklinikum Düsseldorf spricht sich gegen die Impfpflicht aus. Wir dokumentieren das Positionspapier
In bald zwei Jahren Corona-Pandemie haben wir gelernt, dass nichts von Dauer ist und wir uns ständig neuen Situationen anpassen müssen. Die allermeisten Kolleginnen und Kollegen haben dies trotz hoher Belastung in allen Bereichen wie selbstverständlich gemeistert und werden dies auch weiterhin leisten.
Einrichtungsbezogene Impfpflicht
Nun müssen aber ab dem 16. März alle Kolleg:innen ihren Arbeitsplatz verlassen, die nicht mindestens eine zweifache Impfung gegen Covid-19 erhalten haben oder genesen sind. Wir finden diese Entscheidung falsch, weil sie erfahrene und zuverlässig arbeitende Kolleg:innen dazu zwingt, sich gegen ihren Willen impfen zu lassen oder den Beruf zu verlassen. Das wird die Versorgung der Patient:innen nicht nur nicht verbessern, sondern zusätzlich noch weiter verschlechtern in einer Phase, in der ein möglicher steiler Anstieg an Infektionen alle (noch) vorhandenen personellen Kapazitäten erfordert. Wir fordern daher alle zuständigen Instanzen im Kreis, Land und Bund dazu auf, den § 20a Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sofort auszusetzen und darüber hinaus sich grundsätzlich dafür einzusetzen, dass dieser Parargraph nicht umgesetzt wird.
Wir sind sehr froh darüber, dass die zur Verfügung stehenden Impfstoffe weitgehend vor einem schweren oder tödlichen Verlauf schützen. Wir hoffen, dass dieser Schutz auch im weiteren Verlauf der Pandemie vorhanden ist. Die bis jetzt vorhandenen Impfstoffe schützen aber generell nicht vor einer Infektion und damit auch einer Infektionsweitergabe. Das Robert-Koch-Institut schreibt: »Zusätzlich [zur Impfung d. A.] muss das Risiko, das Virus möglicherweise auch unbemerkt an andere Menschen zu übertragen, durch das Einhalten der Infektionsschutzmaßnahmen weiter reduziert werden. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) auch nach Impfung die allgemein empfohlenen Schutzmaßnahmen (Kontaktreduktion, Alltagsmasken, Hygieneregeln, Abstandhalten, Lüften) weiterhin einzuhalten.«
Mehr Personal statt Impfpflicht
Um die Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen im Interesse der Patient:innen und Kolleg:innen kämpfen wir seit Jahrzehnten. Zur Durchsetzung der entsprechenden Maßnahmen fordern wir eine gesetzliche Personalbemessung und eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäuser. Schon im letzten Frühjahr hatte ver.di die Aussetzung der Fallpauschalen gefordert, damit sich alle wirklich auf die Behandlung und Versorgung der Patient:innen konzentrieren können. Sowohl die alte als auch die neue Bundesregierung könnten dies umsetzen. Trotzdem wird bis heute daran festgehalten. »Das DRG-System gehört endlich in den Mottenschrank der Geschichte«, meint dazu Frau Dr. Susanne Johna, die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund.
Eine massive Verschlechterung der Rechte von Arbeitnehmer:innen
Es wird ganz offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, wenn einerseits von der größten gesundheitspolitischen Krise in der Geschichte gesprochen wird, andererseits Krankenhäuser gezwungen werden, im gewinnorientierten DRG-System weiterzuarbeiten. Solange dieser Zustand nicht beendet wird, werden wir nicht ohne Schaden für Personal und Patient:innen durch die Pandemie kommen. Die Behauptung, »Die Ungeimpften sind an der Pandemie schuld!« ist nicht haltbar. War diese Aussage schon im vergangenen Herbst falsch, so ist sie mit Omikron als vorherrschender Variante erst recht offensichtlich widerlegt. Wochenlang wurde die Konzentration der Diskussion so auf die Ungeimpften gelenkt, statt den Blick auf die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus zu richten. Freie Testmöglichkeiten wurden nicht ausgebaut, sondern sogar abgeschafft. Damit wurden wichtige Möglichkeiten zur Kontrolle der Pandemie aus der Hand gegeben. Zusätzlich wurde das Ende der Lohnfortzahlung für Ungeimpfte beschlossen. Seit dem 1. November 2021 erhalten nicht Geimpfte keine staatliche Unterstützung mehr, wenn sie wegen Coronaverdacht in Quarantäne müssen. Dies bedeutet eine massive Verschlechterung der Rechte von Arbeitnehmer:innen und hat keinen Beitrag zum Infektionsschutz geleistet.
Praxis in der Patient:innenversorgung
Wir wehren uns dagegen, erfahrene Kolleg:innen aus der Gesundheitsversorgung zu vertreiben, seien sie aus dem Transport, der Küche, der Reinigung, der Verwaltung, der Physiotherapie oder Pflege, nur weil sie sich aus persönlichen Gründen nicht impfen lassen. Wir sind dafür, diese Menschen zu informieren, aufzuklären und zu überzeugen, so wie es auch unserer täglichen Praxis in der Patient:innenversorgung entspricht. Wir verstehen eine Politik nicht, die Menschen bei der Versorgung unserer Patient:innen ausgrenzt, auch wenn sie sich an die ständigen Kontrollen und notwendige Schutzmaßnahmen halten. Dies wird besonders widersinnig, wenn man gleichzeitig darüber nachdenkt, für die Aufrechterhaltung der »kritischen Infrastruktur« infizierte, aber geimpfte Menschen ohne deutliche Krankheitssymptome einzusetzen. Die Ansteckungsgefahr hat schließlich nichts mit der Schwere der Symptome des Ansteckungsherdes zu tun. Die weitere Verringerung der zur Verfügung stehenden Fachkräfte wird die Überlastung des Personals weiter verschärfen. Die bereits jetzt zunehmende Abwanderung aus den Gesundheitsberufen wird so weiter beschleunigt. Es gibt aber kein Konzept, wie dieser Exodus kompensiert werden soll.
Gesundheitsversorgung: Radikal umsteuern
Eine bessere Gesundheitsversorgung erreicht man nicht durch das Schaffen von Sündenböcken, sondern nur durch eine Umsteuerung weg von den existierenden massiven Fehlentwicklungen im Gesundheitswesen. Personalknappheit und überfordernde Arbeitsbedingungen werden durch wirtschaftliche Zwänge verursacht. Das Fallpauschalensystem setzt diese falschen Anreize. Es belohnt die Behandlung möglichst vieler Patient:innen mit möglichst wenig Ressourcen. Es hat ein Monster der Abrechnungs- und Dokumentationsbürokratie geschaffen, ohne dass Patient:innen oder Beschäftigte davon in irgendeiner Weise profitieren. Das hat unser Versorgungssystem bereits vor Corona an den Rand des Kollaps gebracht. Spätestens jetzt ist es notwendig, hier radikal umzusteuern.
Gesundheit ist keine Ware!
ver.di-Betriebsgruppe Uniklinikum Düsseldorf,
14. Januar 2022
Zuerst erschienen in der Zeitschrift express Ausgabe 2-3/2022
Bild: Compulsory Vaccination / flickr.com
Schlagwörter: Corona, Coronakrise, Coronavirus, Covid-19, Gewerkschaften