SARS-CoV-2 ist erneut mutiert. Doch die Regierungen verweigern weiterhin die Freigabe der Patente, obwohl genau dieser Schritt ein wichtiger Baustein wäre, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Von Simon Zinnstein
Deutschland befindet sich in der größten Corona-Welle seit Beginn der Pandemie. Mehrere Hunderttausende Menschen sind infiziert und jeden Tag kommen Zehnttausende hinzu. Doch damit nicht genug. Schon Mitte November warnten Wissenschaftler:innen vor einer Katastrophe. Sie sagen schätzungsweise 400.000 Neuinfektionen täglich voraus. Gesundheitsminister Spahn reagierte zynisch und sagt nur, dass am Ende des Winters alle Deutschen entweder geimpft, genesen oder gestorben seien. Er nimmt also eine humane Katastrophe wissentlich in Kauf. Schon jetzt sind die Intensivstationen am Limit und die Bundeswehr wird eingesetzt, um Patient:innen auf freie Betten in anderen Bundesländern zu verlagern.
Patente retten keine Leben, Impfen schon
International ist die Situation ebenfalls verheerend: Während Deutschland im weltweiten Durchschnitt eine sehr hohe Impfquote hat, sind vor allem in Ländern in Afrika und Südamerika deutlich weniger Menschen geimpft. Dort stagniert die Impfquote in zahlreichen Ländern unter 25 Prozent. Die Ursache ist weniger die Weigerung sich impfen zu lassen, sondern die Ignoranz und die Gier nach Profit der Pharmakonzerne und der mit ihnen verbundenen imperialistischen Staaten. Über fünf Millionen Menschen – mehr als Berlin Einwohner:innen hat – sind bisher weltweit dem Virus erlegen, über 263 Millionen Menschen haben sich infiziert (Lies hier den marx21-Artikel: »Corona und kein Ende?«)
Omikron und die Impfungen
Kein Wunder also, dass das Virus bei zahlreichen Neuinfektionen mutiert. Im südafrikanischen Botswana wurde nun eine neue Variante entdeckt, die deutlich gefährlicher sein könnte als die Delta-Variante, die gerade in Deutschland für die hohen Zahlen verantwortlich ist. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die neue Corona-Variante B.1.1.529 als »besorgniserregend« eingestuft und ihr den Namen Omikron gegeben. In einigen afrikanischen Ländern schlägt die Variante hart durch und die Zahlen steigen sprunghaft an. Während Südafrika Anfang November noch niedrige Zahlen mit rund 100 Neuinfektionen täglich meldete, sind es auch dort nun fast 2.500.
Es ist besser, wenn man geimpft ist
Die Zahlen haben sich also in wenigen Wochen vervielfacht. Besonders brisant ist dabei, dass ersten Erkenntnissen zufolge das Virus an entscheidenden Stellen mutiert ist. Das wichtige Spike-Protein hat sich stark verändert und sorgt dafür, dass das Virus wahrscheinlich schneller und effektiver an Zellen andocken kann. Auch die Wirksamkeit von Impfstoffen wird wahrscheinlich dadurch gemindert, auch wenn die Datenlage noch sehr dünn ist. Doch mehrere Wissenschaftler:innen haben die Gefahr, die von Omikron ausgehen könnte, klar benannt. Der Virologe Christian Drosten erklärt im ZDF, er sei »schon ziemlich besorgt«. Keiner könne im Moment sagen, »was da auf uns zukommt. Das Einzige, was man wirklich mit Sicherheit sagen kann, es ist besser, wenn man geimpft ist. Es ist noch besser, wenn man geboostert ist«.
Patente und der Impfstoff-Imperialismus
Dass SARS-CoV-2 die Möglichkeit hat so zu mutieren, hängt viel mit dem Impfstoff-Imperialismus zusammen. Dabei muss sich auch die deutsche Regierung an die eigene Nase fassen. Während sie sich weigerten, die Patente für den BioNTech-Impfstoff frei zu geben, haben viele Länder keine Möglichkeit massenhaft zu impfen. Selbst China gerät mit seinem Impfstoff an die Grenzen, da dieser gegen die Mutationen zunehmend an Wirkungen verliert. Länder wie Kuba sind aufgrund der Blockade durch die USA dazu gezwungen, ihren eigenen Impfstoff zu entwickeln. In Südamerika wurden vor allem der chinesische Sinopharm, der russische Sputnik V und und AstraZeneca verimpft.
Hohe Inzidenzen erhöhen die Chancen des Virus zur Mutation
All diese Impfstoffe haben eine geringere Schutzwirkung als BioNTech und Moderna. Dabei hat unter anderem China versucht, Zugriff auf den Impfstoff von BioNTech zu bekommen, doch der Deal scheiterte. Die weltweiten Kapazitäten der Impfstoffproduktion werden also nicht so gut genutzt wie möglich und nötig, sondern die Profite einzelner Kapitalist:innen werden gesichert. Die Weigerung, der Bevölkerung weltweit Impfstoff zur Verfügung zu stellen, bedeutet unter den jetzigen Umständen, dass das Virus in der Weltpopulation massenhaft zirkulieren kann – sowohl beim Menschen, als auch im Tierreich. Hohe Inzidenzen erhöhen die Chancen des Virus zur Mutation.
BioNTech’s Profite
Obwohl der deutsche Staat fast eine Milliarde Euro in BioNTech investiert hat, bleiben die Profite in privater Hand. BioNTech verkündet, dass sie im Jahr 2021 allein über 2,5 Milliarden Euro Gewinn gemacht haben, während für Krankenhäuser und weltweite Impfkampagnen angeblich nicht genügend Geld da ist. Besonders zynisch: Nachdem die Nachricht über die neue B.1.1.529-Variante bekannt wurde, gingen die Aktien von BioNTech und Moderna durch die Decke.
Linke Forderungen nach der sofortigen Aufhebung der aller Patente auf Impfstoffe – insbesondere von BioNTech/Pfizer – bleiben deswegen zentral. Dazu gehört auch, dass die technologisch führenden Länder zu einem Technologietransfer bei der Impfstoff- und Medikamentenherstellung an die armen Länder gezwungen werden, damit jene die Impfstoff- und Medikamentenproduktion selbst kontrollieren können. Klar ist aber auch: Um die Ausbreitung von Omikron und Delta jetzt schnell zu unterbinden und das exponentielle Wachstum zu brechen, helfen nur noch nicht-pharmazeutisch Maßnahmen.
Bild: Towfiqu barbhuiya / Unsplash
Zum Text: Dieser Beitrag erschien zuerst in leicht veränderter Version bei »klassegegenklasse«.
Schlagwörter: Corona, Coronakrise, Coronavirus