Um Trumps Politik zu verstehen, müssen die Ziele des US-Imperialismus in den Blick genommen werden, meint der Marxist und US-Aktivist Joel Geier
Die Schockstrategie der Trump-Administration geht seit der Amtseinführung des Präsidenten Ende Januar unvermindert weiter. Auch wenn es den Anschein hat, dass es sich um eine Abfolge von verrückten Ankündigungen und Ausbrüchen handelt, steckt mehr dahinter. Letzten Monat war der sozialistische Veteran Joel Geier in Australien, um eine Reihe von Bildungsvorträgen zu halten. Ende Februar setzte er sich mit »Red Flag« zusammen, um zu erklären, was seiner Meinung nach der rationale Kern des Trumpismus ist.
Wie sollten wir Trumps Ambitionen für den US-Imperialismus verstehen?
Seit Trumps Amtsantritt hat er eine Offensive von Angst und Schrecken entfesselt, die Doktrin, die die Amerikaner bei der Invasion des Iraks im Jahr 2003 anwandten: eine psychologische Kriegsführung, die als radikale Unterwerfung bezeichnet wird und darauf abzielt, die Menschen mit so vielen Dingen zu bewerfen, dass sie gelähmt werden und sich nicht wehren können.
Innenpolitisch bedeutete dies die Begnadigung aller Inhaftierten infolge des Sturms auf das Kapitol vom 6. Januar 2021, die Abkehr von Zielen der Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion, die Abschaffung des antirassistischen Einstellungsgesetzes der Bundesregierung von 1964, die Abschaffung aller Rechte von Transpersonen, die Entlassung einer großen Zahl von Regierungsangestellten und eine nicht enden wollende Liste weiterer Angriffe.
Auf internationaler Ebene hat Trump mit einer Invasion Panamas gedroht. Er hat Mexiko, Kolumbien und Kanada mit Zöllen gedroht, die deren Wirtschaft zerstören würden. Trump hat angekündigt, dass die USA Grönland übernehmen werden. Trump verlangt, dass die Ukraine die Hälfte aller ihrer Seltenen Erden als Gegenleistung für die Unterstützung der USA im Krieg gegen Russland abgibt; er hat angekündigt, einen Deal mit Putin zu machen, um den Krieg zu beenden. Und er hat offen zur ethnischen Säuberung des Gazastreifens aufgerufen.
Im Gegensatz zu seiner ersten Regierung hat Trump jetzt die Unterstützung entscheidender Teile der amerikanischen herrschenden Klasse.
Hinter all diesem Wahnsinn verbirgt sich eine Methode, die mit einem viel größeren Projekt verbunden ist: die amerikanische Wirtschaft, das Militär und die Bevölkerung auf den Machtkampf und die Konfrontation mit dem Rivalen China vorzubereiten, bis hin zur Möglichkeit eines Weltkriegs.
Dieser steht nicht unmittelbar bevor, da die Vereinigten Staaten nicht darauf vorbereitet und derzeit völlig unfähig sind, einen Krieg gegen China zu führen. Aber das ist der Grund für das ganze Chaos – es ist nicht nur willkürliches Rumgeballer.
Im Gegensatz zu seiner ersten Regierung hat Trump jetzt die Unterstützung entscheidender Teile der amerikanischen herrschenden Klasse, um dieses Projekt durchzuführen. Sie sind nicht mit allem einverstanden, was er tut. Aber die Veränderungen in der Weltpolitik und -wirtschaft in den letzten Jahren haben sie veranlasst, das zu unterstützen, was er tut, um die amerikanische Bevölkerung auf eine Konfrontation mit China vorzubereiten.
Wie sieht die Großmachtrivalität zwischen den USA und China aktuell aus?
Die Vereinigten Staaten hatten noch nie einen so starken Gegner und Herausforderer wie China. China ist wirtschaftlich und militärisch der stärkste Gegner, den die Vereinigten Staaten je hatten. Es ist viel stärker als die Sowjetunion im Kalten Krieg, die keine wirtschaftliche Konkurrenz darstellte. Wirtschaftlich ist China stärker, als es Deutschland oder Japan vor dem Zweiten Weltkrieg waren.
Der Aufstieg Chinas in den letzten 25 Jahren ist nur mit dem Aufstieg der Vereinigten Staaten von 1860 bis 1890 zu vergleichen, als die USA innerhalb von 20 bis 30 Jahren von einem rückständigen Land zur führenden Industriemacht wurden.
In einem ähnlichen Zeitraum hat sich China zur Werkbank der Welt entwickelt. Als die USA Anfang der 1990er Jahre ihre Wirtschaft globalisierten, exportierten sie den Großteil ihrer Industrie nach China. Heute sind die USA von chinesischen Waren, Industrien und Lieferketten abhängig – von iPhones bis hin zu Instrumententafeln in Flugzeugen der US-Armee, von Militärgütern und alltäglichen Dingen, auf die jeder angewiesen ist.
Vor 25 Jahren waren die Vereinigten Staaten der wichtigste Handelspartner für die meisten Länder weltweit. Inzwischen hat China die Vereinigten Staaten auf dem Weltmarkt verdrängt, und zwar so sehr, dass China heute der wichtigste Handelspartner für 120 Länder ist.
Mit seiner »Neuen Seidenstraße« hat China versucht, Asien, Afrika und Europa zu einer Wirtschaftszone unter chinesischer Vorherrschaft zusammenzufassen. Im Rahmen der Initiative »Made in China 2025« hat China seine Pläne dargelegt, in einer Reihe von Branchen wie der Herstellung von Elektrofahrzeugen, Lithiumbatterien, bei der Solarenergie und anderen, in denen es heute bereits führend ist, eine absolute Vormachtstellung einzunehmen. Auch in den Bereichen Hightech, Halbleiterindustrie, künstliche Intelligenz usw. will China von den Vereinigten Staaten unabhängig sein.
In den letzten 15 Jahren haben die Vereinigten Staaten verschiedene Ansätze zur Eindämmung Chinas ausprobiert, die alle gescheitert sind.
Trump hat das Bewusstsein der herrschenden Klasse der USA für die Bedrohung durch China geschärft.
Der erste Ansatz kam von Obama, der versuchte, die USA aus den endlosen, gescheiterten Kriegen im Irak und in Afghanistan herauszuholen, die bis zu 6 Billionen Dollar kosteten. Stattdessen versuchte Obama, sich nach Asien zu orientieren und China zu konfrontieren, indem er Wirtschaftsbeziehungen mit den schnell wachsenden asiatischen Staaten aufbaute.
Das Kernstück dieser Strategie war die gescheiterte Transpazifische Partnerschaft.
Zwei Dinge hat Obama jedoch erreicht, die für die Bemühungen der USA, es mit China aufzunehmen, wichtig sind: Zum einen öffnete er die Ölförderung in den Vereinigten Staaten. Zuvor waren die USA der größte Ölimporteur der Welt und abhängig von Öl aus dem Nahen Osten. Obama hat das Fracking so weit aufgebaut, dass die Vereinigten Staaten jetzt der führende Ölproduzent der Welt sind, größer als Saudi-Arabien oder Russland.
Außerdem hat Obama das Billionen-Dollar-Programm zur Modernisierung der US-Atomwaffen gestartet. Die meisten Menschen denken: »Nun, wir können nicht in einen Krieg ziehen, denn das wäre ein Atomkrieg, und der würde die Menschheit auslöschen«. Die Möglichkeit eines Atomkriegs sollte jedoch nicht den Expansionsbestrebungen der imperialistischen herrschenden Klassen der USA und Chinas überlassen werden, die beide derzeit enorme finanzielle Mittel aufbringen, um ihre Atomwaffenarsenale aufzustocken und zu modernisieren.
In seiner ersten Amtszeit verhängte Trump Zölle gegen China, um das Land zum Kauf amerikanischer Waren zu zwingen. Er versprach, die Zölle aufzuheben, wenn sie dies täten, so dass das Handelsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten gegenüber China verschwinden würde. Es war ein totaler Fehlschlag. Das Defizit mit China wuchs weiter an.
Trump hat jedoch eines erreicht: Er hat das Bewusstsein der herrschenden Klasse der USA für die Bedrohung durch China geschärft; sie begannen, sich auf eine Konfrontation vorzubereiten, was sich in den letzten Jahren durch drei Krisen beschleunigte.
Die wichtigste Veränderung in der Meinung der amerikanischen herrschenden Klasse waren jedoch Resultat der Kriege in der Ukraine und in Gaza.
Die erste war die Pandemie, als die Vereinigten Staaten vom Import von Gesundheitsgütern aus China, auf die sie angewiesen waren (wie etwa medizinische Masken), abgeschnitten wurden. Auch die für verschiedene Industriezweige benötigten Teile konnten nicht geliefert werden, was zur Schließung von Industrien führte.
Sie führte auch zu einer Inflation bei Waren und Transport. Die amerikanische herrschende Klasse war überzeugt, dass sie sich nicht auf Lieferketten aus China verlassen konnte. Und so unterstützte die Regierung Biden einen Prozess der Verlagerung von Lieferketten aus China in befreundete Länder wie Vietnam oder Indien (sogenanntes Friend Shoring) oder nach Mexiko und andere Nachbarländer (sogenanntes Near Shoring). Es gelang jedoch nicht, viele Industriezweige in die Vereinigten Staaten zurückzuholen (Reshoring).
Biden versuchte, die Dynamik mit China zu ändern, indem er zur Industriepolitik zurückkehrte – mit staatlicher Unterstützung zur Wiederherstellung einiger Industrien in den Vereinigten Staaten (Elektrofahrzeuge, Solarzellen und Halbleiter). Biden verhängte auch Sanktionen gegen Halbleiterexporte nach China, um die chinesische Entwicklung von künstlicher Intelligenz und anderen Spitzentechnologien zu bremsen.
Die wichtigste Veränderung in der Meinung der amerikanischen herrschenden Klasse waren jedoch Resultat der Kriege in der Ukraine und in Gaza. Aus Sicht des amerikanischen Imperialismus handelt es sich um Stellvertreterkriege, die von jemand anderem geführt werden. Aber die USA haben ein Interesse daran und finanzieren und bewaffnen daher die eine Seite gegen die andere.
Die russische Invasion in der Ukraine führte zur erfolgreichen Wiederherstellung der US-Allianzen mit ihren Verbündeten in Europa und im indopazifischen Raum unter Biden. Putin fungierte als Rekrutierungsoffizier für den US-Imperialismus, indem er erklärte, dass Russland eine Einflusssphäre über ganz Osteuropa ausüben würde – wenn Deutschland und Frankreich seinen Plänen nicht zustimmten, würde er ihre Öl- und Gaslieferungen abschneiden, und er drohte auch mit dem Einsatz von taktischen Atomwaffen in der Ukraine.
Dies veränderte die Dynamik des Imperialismus in Europa. Frankreich, Deutschland und andere europäische Länder erkannten, dass sie nicht in der Lage waren, sich gegen ein atomar bewaffnetes Russland zu verteidigen, und dass sie militärischen Schutz durch die Vereinigten Staaten benötigten. Dies führte zur Wiederbelebung der Nato und zur Erhöhung der Militärausgaben in ganz Europa.
Kurz vor der russischen Invasion in der Ukraine schloss China ein Bündnis mit Russland. China war nicht mehr nur ein Handelspartner Europas, sondern ein Verbündeter von dessen bedrohlichem Rivalen. Bevor Biden sein Amt antrat, war Deutschland im Begriff, ein europaweites Handelsabkommen mit China zu unterzeichnen. Unter der Biden-Administration wurde das alles beendet.
Diese allgemeine Veränderung der Dynamik des Weltimperialismus hat bedeutende Teile der herrschenden Klasse der USA davon überzeugt, Trump zu unterstützen.
Der Krieg in der Ukraine hat die herrschende Klasse der USA auch von zwei anderen Dingen überzeugt.
Wenn es zu einem Krieg kommt, muss man die Ölversorgung kontrollieren, denn Wirtschaft und Armeen funktionieren auf der Grundlage von Öl. Während des Zweiten Weltkriegs lieferten die Vereinigten Staaten über 60 Prozent des gesamten Öls für die Alliierten. Daher kam die herrschende Klasse der USA zu dem Schluss, dass sie den Nahen Osten nicht verlassen, sondern versuchen würden, die Kontrolle über das Öl in der Region wiederzuerlangen.
Darüber hinaus wurde sich die herrschende Klasse der USA bewusst, dass sie nicht über die militärischen Kapazitäten verfügte, um in den Krieg zu ziehen. Beispielsweise verfeuert die Ukraine im Krieg gegen Russland jeden Tag 8.000 Artilleriegranaten. Die Vereinigten Staaten konnten nur 14.000 Stück pro Monat produzieren – eine Menge, die nicht einmal für zwei Tage reicht. Ein Krieg mit China würde täglich viel mehr Granaten erfordern.
Die USA bauten zwar ihre Kapazitäten aus, aber ihre veralteten, vor dem Vietnamkrieg gebauten Fabriken konnten die Produktion nur auf läppische 40.000 Granaten pro Monat steigern. Die Regierung Biden war nicht in der Lage, die Situation zu ändern.
Dann sorgte das israelische Militär mit dem Krieg in Gaza für den größten amerikanischen Militärsieg seit Jahrzehnten. Die USA haben jahrelang erfolglos versucht, den Iran als ihren Hauptkonkurrenten im Nahen Osten zu schwächen. Der Gaza-Krieg war eine enorme Niederlage für den Iran und seine Verbündeten, aber auch für Russland, das seinen Marinestützpunkt in Syrien verlieren könnte.
Der Gaza-Krieg hat aber auch die Grenzen der amerikanischen militärischen Kapazität aufgezeigt, einen Krieg an mehreren Fronten zu führen. Während die Huthi im Jemen Schiffe bombardierten und die Benutzung des Suezkanals verhinderten, versuchten die USA, sie auszuschalten. An einem einzigen Tag haben sie dabei einen Großteil ihrer Bestände an Tomahawk- und Javelin-Raketen aufgebraucht.
Die Vereinigten Staaten können derzeit viele der Waffen, die für einen Krieg mit China unerlässlich sind, nicht herstellen. Während des Zweiten Weltkriegs waren die USA als weltweit führendes Industrieland in der Lage, ihre Industrieproduktion auf Kriegsproduktion umzustellen, die sie als »das Arsenal der Demokratie« bezeichnete. Die USA produzierten 70 Prozent aller Flugzeuge, Panzer, Schiffe, Lastwagen und Munition der Alliierten. Heute sind sie bei vielen militärischen und industriellen Lieferketten ironischer Weise abhängig von Entscheidungen der Kommunistischen Partei Chinas.
Diese allgemeine Veränderung der Dynamik des Weltimperialismus hat bedeutende Teile der herrschenden Klasse der USA davon überzeugt, Trump zu unterstützen.
Wie fügt sich Trumps Programm in dieses breitere Bild der Großmachtrivalität zwischen den USA und China ein?
Trumps Projekt ist der Versuch, die Macht der USA in wirtschaftlicher, politischer und militärischer Hinsicht gegenüber China wiederherzustellen. Dies bedeutet eine Änderung der weltwirtschaftlichen und politischen Dynamik der letzten 40 Jahre, in denen die Globalisierung den freien Handel auf einem integrierten Weltmarkt für Waren und Kapitalinvestitionen ermöglichte. Diese geostrategischen Beziehungen der Globalisierung sind vorbei. Würden die USA weiterhin am Freihandel festhalten, würden sie weiterhin gegen China verlieren. Trump hat jahrelang damit geworben, dass die Vorgängerregierungen Verlierer wären und die USA vom Rest der Welt wirtschaftlich ausgenutzt würden. In der herrschenden Klasse der USA setzte sich die Überzeugung durch, dass sie gegen China verlieren würden und dass Trumps Programm die Elemente enthalte, um die amerikanische Macht wiederherzustellen.
Trumps Programm zielt darauf ab, die Industrie und die militärische Produktion in die Vereinigten Staaten zurückzuholen, und nicht nur in befreundete Länder, wie Biden es vorangetrieben hatte. Mexiko zum Beispiel, das ein Freihandelsabkommen mit den USA hat, liefert 80 Prozent seiner Exporte in die Vereinigten Staaten. Chinesische Unternehmen eröffneten Fabriken in Mexiko, um zollfreien Zugang zum US-Markt zu erhalten. Mindestens 20 Prozent des Wertes der mexikanischen Exporte in die USA stammen von chinesischen Unternehmen oder chinesischen Briefkastenfirmen. Wie Trump es ausdrückte, als er mit Zöllen auf alle mexikanischen Waren drohte – wir haben einen Pakt mit Mexiko geschlossen, nicht mit China.
Aber wie kann man die Produktion in die Vereinigten Staaten zurückholen? US-Unternehmen unterlagen jahrzehntelang keiner staatlichen Kontrolle und haben, um höhere Gewinne zu erzielen, die Produktion nach China, Indien, Vietnam und an andere Orte verlagert, wo die Arbeitskräfte billiger sind.
Trump verfolgt die Zerstörung aller Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmer:innen und der Öffentlichkeit.
Um US-Unternehmen zu überzeugen, ihre Produktion wieder ins Inland zu verlagern, zielen Trumps Vorschläge darauf ab, die Produktion in den Vereinigten Staaten rentabler zu machen als anderswo.
Zölle werden normalerweise zum Schutz neuer Industrien in Entwicklungsländern eingesetzt. Aber die Vereinigten Staaten, das reichste, entwickeltste und mächtigste Land der Welt, sind in vielen Branchen einem unterentwickelten Land ähnlich geworden. Trumps Zölle sollen die amerikanische Produktion schützen, indem sie die ausländische Konkurrenz fernhalten, so dass die einheimischen Unternehmen ihre Preise und Gewinne steigern können.
Er schlägt vor, die Unternehmenssteuern von 21 auf 15 Prozent zu senken (für amerikanische Unternehmen, die in den Vereinigten Staaten produzieren, vielleicht sogar noch mehr) und die Steuern auf ihre Produktion im Ausland zu erhöhen.
Ein wesentliches Element zur Steigerung der Gewinne besteht darin, den Kapitalisten die »Freiheit« zu geben, so zu produzieren, wie sie es wollen, und zwar durch Deregulierung, die Zerstörung aller Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmer:innen und der Öffentlichkeit und die Aushungerung oder Demontage der Behörden, die diese Gesetze durchsetzen.
Die Trump-Regierung wird alle Beschränkungen für die Öl- und Gasförderung aufheben, um billigere Energie bereitzustellen. Sie planen, dass die USA nicht nur energieunabhängig, sondern energiebeherrschend werden, mit billigerer Energie für die US-Industrie als ihre Konkurrentinnen. Der Umweltschutz ist weg vom Fenster.
Trump will den Regierungs- und Militärhaushalt grundlegend umgestalten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Vereinigten Staaten beläuft sich auf knapp 30 Billionen US-Dollar pro Jahr. Der Staatshaushalt auf Bundesebene umfasste 2024 etwa 6,75 Billionen Dollar, mit einem Defizit von 1,6 Billionen Dollar. Die Zinsen auf die Staatsschulden belaufen sich auf mittlerweile 1 Billion Dollar, womit sie dem ebenfalls wachsenden Militärhaushalt von 1 Billion Dollar entsprechen. Trump schlug vor, den Militärhaushalt rasch auf 5 Prozent des BIP, also auf 1,5 Billionen Dollar, zu erhöhen. Und das ist nur der Anfang – während des Kalten Krieges betrug der Militärhaushalt 6 bis 8 Prozent, manchmal 10 Prozent des BIP pro Jahr. Sie wollen dieses Geld für die Modernisierung der Armee, die Subventionierung von Munitionsfabriken und die Entwicklung neuer Formen der Hightech- und KI-Kriegsführung verwenden.
Zu ihren Plänen gehören Kürzungen bei jenen 40 Prozent des Militärhaushalts, die für Löhne, Gesundheitskosten und Sozialleistungen der Freiwilligen-Berufsarmee bestimmt sind, die auf den Zusammenbruch der Armee in Vietnam folgte. Sie wollen Vietnam und alles, was seit den 1960er Jahren in der Gesellschaft passiert ist, rückgängig machen. Langfristig denken sie an die Wiedereinführung der Wehrpflicht ohne die Notwendigkeit von teuren Gehältern und Sozialleistungen.
Sie müssen die Schiffbauindustrie wiederaufbauen. Wenn sie das nicht mit privaten Unternehmen erreichen können, werden sie versuchen, dies über den Staatshaushalt zu erreichen.
Viele Menschen sehen die Israelis als die einzige genozidale Armee an. Aber auch die USA sind genozidal.
Die Trump-Regierung versucht auch, die Wahrnehmung der Kriegsführung zu ändern. Heute würden 77 Prozent der männlichen Wehrpflichtigen bei der Musterung durchfallen, weil sie fettleibig sind, Drogen nehmen, Medikamente einnehmen usw. Das ist ein Teil dessen, worum es bei dieser ganzen anti-woke Kampagne gegen politische »Korrektheit« und für die Wiederherstellung traditioneller Männlichkeitsideale geht – um den Versuch, die Bevölkerung in Form zu bringen und das Krieger-Ethos wiederherzustellen.
Die Kultur, die entwickelt werden muss, ist die einer Armee wie der israelischen, die »Kollateralschäden an Zivilisten« und Kriegsverbrechen begehen kann. Viele Menschen sehen die Israelis als die einzige genozidale Armee an. Aber auch die USA sind genozidal. Bei der Bombardierung von Tokio töteten die Vereinigten Staaten 100.000 Menschen. Und dann waren da noch Hiroshima und Nagasaki. In Vietnam und Indochina wurden zwei bis drei Millionen Menschen getötet, die meisten von ihnen Zivilist:innen. Im Irak-Krieg töteten die USA 500.000 Menschen, die Hälfte davon waren Zivilist:innen. Das ist es, was es bedeutet, »anti-woke« zu sein. Das ist der Grund, warum sie versuchen, Menschen loszuwerden, die mit Vielfalt und Integration sympathisieren. Sie brauchen Kämpfer:innen, wenn sie in den Krieg ziehen.
Auch die Einwanderung spielt eine Rolle. Wenn man in den Krieg zieht, braucht man sichere Grenzen. Man kann nicht zulassen, dass jemand einfach über die Grenze kommt. Es gibt auch daher den Versuch, patriotische, fremdenfeindliche und chauvinistische Gefühle in der Bevölkerung zu wecken – dass wir alle vereint und nicht durch Vielfalt getrennt sind. »Wir alle gemeinsam gegen den Rest der Welt.«
Die USA befinden sich in einer starken Position, um diese neue Phase des Weltimperialismus einzuleiten. Aber in nur wenigen Wochen haben sie auch gezeigt, dass Trump und Amerikas Machthaber zu so haarsträubenden, bizarren, dilettantischen und idiotischen politischen Desastern fähig sind, die eine solche Entwicklung verhindern, zurückwerfen oder verlangsamen können.
Die arabischen Staaten zwangen Trump zu einem überstürzten Rückzug von seinem Plan zur endgültigen ethnischen Säuberung des Gazastreifens von Palästinenser:innen. Es folgte der Versuch von Trumps wichtigsten Vertretern, Musk und Vance, in Deutschland um Unterstützung für die faschistische AfD zu werben, was zur Farce wurde.
Das Unglaublichste war die Behauptung der USA, dass Putin nicht in die Ukraine einmarschiert sei, sondern dass die Ukraine den Krieg begonnen habe; dies gipfelte in Trumps mafiösen Forderungen nach einer Schutzzahlung in Höhe von 500 Milliarden Dollar in Form von Seltenen Erden, während die USA die Ukraine daran hindern, mit Putin über ihr Schicksal zu verhandeln. Dies ist ein Fall für die Geschichtsbücher – einer der abscheulichsten Skandale der USA, der ihren Ruf schädigen wird. Die wichtigste Botschaft dabei ist, die Welt davon zu überzeugen, dass man den Amerikanern nicht trauen kann.
Der Widerstand gegen Trumps Agenda wird einen Volksaufstand von unten erfordern.
Die herrschende Klasse Amerikas hat diese Politik Trumps nicht befürwortet – sie war im Allgemeinen peinlich berührt, entsetzt und entmutigt, schwieg aber während dieses Auftakts zum »Making America Great Again«. Aber als Klasse sind sie Trumps Gesamtplan wirtschaftlich und militärisch zu sehr verpflichtet, um sich ihm öffentlich zu widersetzen. Trotz ihres immensen Reichtums und ihrer Selbstherrlichkeit sind sie politisch dumm, schwach, feige, eingeschüchtert und verängstigt von einem Halb-Bonaparte Trump – sie haben sich aufgereiht, um seinen Ring zu küssen, und sind immer noch geblendet von Gier und seinen Versprechungen immensen Reichtums.
Der Widerstand gegen Trumps Agenda wird einen Volksaufstand von unten erfordern. Es wird Zeit brauchen, um das nötige Vertrauen, das Bewusstsein und die Strukturen für eine wirksame Opposition zu entwickeln. Aber bereits im ersten Monat der »Flitterwochen« von Trumps Präsidentschaft hat die Ablehnung seiner Politik den Zorn der Bevölkerung entfesselt, einen rapiden Rückgang des Verbrauchervertrauens und eine Abscheu vor der Passivität der liberalen Politik ausgelöst. Nichts davon ist eine Gewissheit, aber es sind alles erste hoffnungsvolle Anzeichen für den Beginn eines Prozesses zum Wiederaufbau einer kämpferischen Linken.
Was sind die Aufgaben für revolutionäre Sozialist:innen in dieser neuen Ära des Imperialismus?
Wo es Imperialismus gibt, gibt es letztendlich auch Antiimperialismus.
Im Moment ist die Linke, die durch Gaza aufgewacht ist, gegen Krieg und Völkermord. Aber im Großen und Ganzen haben wir es mit einer neuen Generation zu tun, in der praktisch niemand eine Vorstellung vom Imperialismus hat.
Für meine Generation war die Frage des Krieges und des Imperialismus die Frage nach Vietnam. Für Ihre Generation wird es um den Krieg zwischen den USA und China gehen.
Revolutionäre Sozialist:innen müssen die Menschen sein, die den sich neu radikalisierenden Menschen erklären, was tatsächlich passiert, welche Dynamiken es gibt, welche Möglichkeiten bestehen und wie der Imperialismus zwei Dinge bewirkt.
Wir sind die politischen Erben jener, die niemals einen imperialistischen Krieg unterstützt haben.
Erstens: Er schafft sozialen Patriotismus. Im Ersten Weltkrieg haben die deutsche Sozialdemokratie und die sozialistischen Parteien in anderen Ländern ihre Regierungen unterstützt. Das hat die sozialistische Bewegung zerstört. Während des Kalten Krieges unterstützten die Sozialdemokrat:innen das »demokratische« Washington und die Stalinist:innen und orthodoxen Trotzkist:innen das »Arbeiter-Russland«. Die internationale Arbeiterbewegung wurde im Kalten Krieg vom Imperialismus ausgehöhlt.
Aber auch der Imperialismus radikalisiert die Menschen. Er führte zu den zahlreichen Revolutionen der Arbeiterklasse von 1905 in Russland bis 1974-75 in Portugal. Diese Revolutionen entstanden aus dem Widerstand gegen Krieg und Imperialismus und radikalisierten Teile der Arbeiterklasse.
Wir sind die politischen Erben jener einzigen Radikalen, die sich gegen jeglichen Imperialismus gestellt haben und die niemals einen imperialistischen Krieg unterstützt haben. Wir waren weder für Washington noch für Moskau, sondern für das dritte Lager des internationalen Sozialismus. Wir haben nie eine herrschende Klasse im Inland oder im Krieg unterstützt. Und wir haben immer jede Nation unterstützt, die für nationale Befreiung kämpft.
Während sich der Konflikt zwischen den beiden Supermächten entwickelt, ist es unsere Aufgabe, eine neue Generation davon zu überzeugen, den Imperialismus zu bekämpfen, die herrschenden Klassen der USA, Chinas, Australiens, Russlands usw. zu bekämpfen. Wenn eine sozialistische Bewegung erfolgreich sein soll, muss sie auf einer totalen Opposition gegen den Imperialismus und die herrschenden Klassen aufgebaut werden. Andernfalls wird sie zusammenbrechen, wie es die Sozialdemokratie und der Stalinismus getan haben. Wenn die sozialistische Bewegung nicht auf dem Widerstand gegen den Imperialismus aufgebaut ist, ist sie auf Sand gebaut.
Dieses Interview wurde zuerst veröffentlicht bei »Red Flag«. Übersetzung ins Deutsche von Volkhard Mosler.
Foto: Daniel Torok / Wikimedia Commons / CC BY 3.0 US // Territory of American Canada / Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0
Schlagwörter: Imperialismus, Trump, US-Imperialismus, USA