Es droht eine zweite Amtszeit von Donald Trump. In ihrem neuen Buch »Die Brandstifter – Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen« beleuchtet Annika Brockschmidt, was das bedeutet und wie es so weit kommen konnte. George Rainov hat es für uns gelesen
Das Interesse an den politischen Entwicklungen der USA ist immens und so hat es auch Brockschmidts Buch in die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Nachdem sie sich bereits mit ihren Analysen zur religiösen Rechten in den USA einen Namen gemacht hat, widmet sich Brockschmidt in ihrem neuen Buch »Die Brandstifter der Republikanischen Partei. Sie untersucht die Radikalisierung der Republikanischen Partei seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem unter dem Gesichtspunkt, welche Rolle die radikalen, rechten Ideolog:innen innerhalb der Partei gespielt haben. Diese haben laut Brockschmidt als treibende Kraft gewirkt und radikalisierten im Laufe der Zeit nicht nur den eigenen Parteiapparat, sondern auch die Wählerbasis. Eine nicht minder wichtige Rolle fällt den Opportunist:innen in der Partei zu, die die Mobilisierungsfähigkeit der Brandstifter für sich nutzen wollten. Dabei haben sie aber Stück für Stück die Kontrolle über das Geschehen verloren.
Brockschmidt legt eine lebendige, aufschlussreiche und gut lesbare Historie der Rechtsentwicklung der Republikaner vor. Aber aus marxistischer Sicht misslingt ihr der Versuch, die komplexe Geschichte der Partei und darauf aufbauend, die Radikalisierung der amerikanischen Wählerschaft zu erklären. Sie stellt in erster Linie das Agieren einzelner Personen in der Grand Old Party (GOP) dar. Nicht nur fehlt Brockschmidt in weiten Teilen der Blick für die grundsätzliche Bedeutung politischer Faktoren, wie der Auswirkungen kapitalistischer Krisen oder der Polarisierung durch die Medienlandschaft – sie spart auch mit Kritik an der Demokratischen Partei, die eindeutig eine Mitschuld für die aktuelle Lage trifft.
Brandstifter: Wegbereiter des Faschismus
Brockschmidt lässt keinen Zweifel daran, was die GOP in ihrer heutigen Gestalt in ihren Augen darstellt: Es ist eine antidemokratische, rechtsextreme, in Teilen sogar faschistische Partei. Vor allem in den gelungenen letzten Kapiteln ihres Buches liefert sie uns einen tiefen Einblick in den Maschinenraum der extremen Rechten in den USA.
Dass die Republikaner antidemokratische Ziele hegen, ist dabei an sich nichts Neues. Brockschmidt zeichnet das Bild einer Partei, die schon lange kein Interesse mehr daran hat, mehrheitsfähige politische Kompromisse zu entwickeln. Die Partei hat längst die Instrumente geschaffen, um darauf nicht mehr angewiesen zu sein. So wurde beispielsweise das Wahlrecht für Latinos und Schwarze beschränkt. Wahlbezirke wurden so zugeschnitten, dass sie nicht mehr für die Konkurrenz gewinnbar sind. Demokratische Kontrollmechanismen im politischen System wurden bewusst ausgehebelt, so wie das Wahlmännergremium, der Senat und der Supreme Court (Oberstes Gericht).
Was das für Folgen hat, zeigt das letzte Urteil des Supreme Courts, der mit den von Trump ernannten Richter:innen mehrheitlich konservativ ist. Das Gericht hat Trump die juristische Immunität für alle »offiziellen Amtshandlungen« eingeräumt. Er ist dadurch praktisch rechtlich unantastbar, sollte er wiedergewählt werden. Auf diese Weise hat sich die GOP in eine Position gebracht, in der sie nicht auf eine breite Zustimmung angewiesen ist. Sie könnte durchregieren, weil sie so gut wie alle wichtigen Hebel der politischen Macht für sich eingenommen und die Möglichkeiten beschnitten hat, ihr diese auf demokratischem Wege wieder wegzunehmen.
Bruch mit der Demokratie
Womit unter Trump eine neue Qualität erreicht wurde, so Brockschmidt, ist die Bereitschaft, ganz offen den Bruch mit der Demokratie einzugestehen. War es in der Vergangenheit üblich, dass sich amerikanische Politiker voller Stolz auf die Tradition der amerikanischen Demokratie beriefen, so tragen Trump und seine Gefolgsleute ihre Verachtung gegenüber dem System offen zur Schau. So bekennt sich der Großteil des republikanischen Apparats öffentlich zu ihren Fantasien eines gewaltvollen Aufstands.
Am 6. Januar 2021 gab es mit dem Sturm auf das Capitol den ersten Versuch, diese Fantasien umzusetzen. Die Republikaner greifen immer mehr zur rhetorischen Entmenschlichung und zu Gewaltaufrufen gegen den politischen Gegner – auch in der eigenen Partei. Auch beziehen sich die Führungsriegen der GOP immer offener auf rechtsextreme Symbole, bekennen sich zu Verschwörungstheorien wie QAnon oder dem Deep State.
Brockschmidts Fazit lautet, dass die Gefahr, die sich aus einer zweiten Trump-Amtszeit ergeben würde, kaum zu überschätzen ist. Die Führung der Republikanischen Partei steht geschlossen hinter Trump, die radikalen Elemente in der Partei sind tonangebend und es gibt kaum Spielraum für gemäßigtere Strömungen. Hinzu kommt, dass diesmal viel planmäßiger und weit im Voraus an der Demontage der staatlichen Gewaltenteilung gearbeitet wird.
Project 2025: Anleitung zum Autoritarismus
Besonders warnt Brockschmidt vor dem sogenannten Project 2025, ausgearbeitet von der einflussreichen Denkfabrik Heritage Foundation. Das Project 2025 umfasst nahezu tausend Seiten und liefert eine detaillierte Anleitung für den nächsten republikanischen Präsidenten, möglicherweise Donald Trump. Der Plan sieht unter anderem vor, die Unitary Executive Theory zur Realität zu machen und dem Präsidenten damit die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Exekutive zu gewähren. Er beinhaltet außerdem eine enorme Datenbank, in der linientreue Konservative erfasst sind, die mehr als 50.000 Bundesbeamte im öffentlichen Dienst ersetzen sollen. Das würde den Staatsapparat völlig unter die Kontrolle der GOP bringen. All das deutet darauf hin, dass eine zweite Trump-Amtszeit wesentlich planvoller, effizienter und folgenreicher sein wird als die erste.
In der GOP allgemein, aber vor allem im Project 2025 sieht Brockschmidt ein »faschistoides« – also zumindest in einigen Tendenzen faschistisches – Projekt. Folgende – für sie ausschlaggebende – Kriterien sieht sie dabei erfüllt. Einschlägige Teile des Parteiapparats arbeiten mit revolutionären und gewaltsamen Umbruchsvorstellungen und streben eine autoritäre, christlich-weiße also ethnisch homogene Gesellschaft an.
Brockschmidt zögert jedoch, die GOP in Gänze oder Trumps Fraktion als faschistisch zu definieren – zu Recht. Denn auch wenn sich faschistische Elemente um Trumps Plattform scharen und auch erheblichen Einfluss ausüben können, lässt sich kein revolutionär-faschistischer Kern um Trump feststellen. Wie Brockschmidt selbst in Interviews sagt, gibt einem die Entwicklung der Partei trotzdem wenig Grund zur Hoffnung auf Besserung. Allenfalls ist die heutige GOP, die zur Normalisierung faschistischer Ideologien beiträgt, der Wegbereiter für einen noch zu entstehenden »Apple-Pie Faschismus« – also einer besonderen, amerikanischen Ausprägung des Faschismus, der im christlichen Deckmantel auftritt.
Ironie der Geschichte
Im Großteil ihres Buches arbeitet sich Brockschmidt mit journalistisch-erzählerischem Geschick an dieser faschistoiden Bedrohung ab. Es lohnt, kurz diese Geschichte wiederzugeben, so wie sie Brockschmidt erzählt. Ausgangspunkt ist dabei die schwarze Bürgerrechtsbewegung der 1950er und 60er Jahre, die zu einer grundlegenden Verschiebung der amerikanischen Parteienlandschaft geführt hat. Die Demokraten, die sich in den Südstaaten gegen die Interessen der Schwarzen gestellt hatten, machten, angetrieben von den liberalen Teilen der Partei aus dem Norden und den Küstengebieten, in dieser Frage eine Kehrtwende. Sie schlossen sich den Forderungen der Bürgerrechtsbewegung an.
Diese Strategie zahlte sich im Wahlsieg aus, aber in der Folge entstand eine Lücke in der Repräsentanz weißer Südstaatler, die sich nach wie vor aus rassistischen Motiven der Gleichstellung der einstigen Sklaven und ihrer Nachfahren entgegenstemmten. Hier sahen die originären Brandstifter in der Republikanische Partei die Chance, die Partei umzuorientieren und enttäuschte Südstaatenwähler an sich zu binden. Dem konservativen Projekt lag schon immer eine rassistisch-exklusive Gesinnung zugrunde, aber erst mit der Neuausrichtung der beiden großen Parteien begann die schleichende Radikalisierung der GOP. Dies bezeichnet Brockschmidt als Ironie der Geschichte, denn die Republikaner waren unter Lincoln die einstige Partei der Sklavenbefreiung.
Ressentiments bedienen
Die sogenannte »Southern Strategy«, die im Kern daraus besteht, rassistische Ressentiments bei Wähler:innen zu bedienen und in Wählerstimmen umzumünzen, wurde in den folgenden Jahrzehnten weiterentwickelt. Der offen rechtsextreme Präsidentschaftskandidat Barry Goldwater, der gegen Schwarze hetzte, wurde noch 1964 von der US-amerikanischen Wählerschaft dafür abgestraft. Noch im selben Jahrzehnt aber gelang Nixon damit ein Durchbruch.
Auch er paktierte mit dem Rassismus, aber im Gegensatz zu Goldwater führte er den subtileren Kulturkampf und sprach auf unterschwelliger Weise rassistische Wählergruppen mit einer sogenannten »Dog Whistle«-Politik an. Alle wissen, was gemeint ist, auch wenn es nicht offen ausgesprochen wird. So wurden »law and order« und »states‘ rights« zu Chiffren einer Anti-Bürgerrechtspolitik, die die Schwarzen und Kriminalität implizit in Verbindung bringen und so diffuse Ängste in der gesellschaftlichen Mitte triggern. Mit der Präsidentschaftswahl von Ronald Reagan 1980 bewährte sich die Southern Strategy als Erfolgsrezept, das sich auf das gesamte Land übertragen lässt, wobei Reagan das rassistische und sexistische Stereotyp der Sozialleistungsbezieherin bevorzugte: die kinderreiche Schwarze »welfare queen«.
Politik als Kampfsport
Seit den 1990er Jahren trauten sich die radikalen Elemente in der GOP, offener aufzutreten. Ihnen gelang es, nachhaltig die Programmatik und die Parteikultur der Republikaner zu prägen. Der Präsidentschaftsanwärter Pat Buchanan trug seinen Rassismus offen zu Tage, wetterte gegen illegale Migration, entfachte die Angst weißer Amerikaner vor einer Zukunft, in der sie die ethnische Minderheit sind und forderte den Bau eines Grenzzaunes zu Mexiko.
Mit Newt Gingrich etablierte sich auch ein anderer Politikstil innerhalb der Partei, der die politische Landschaft nachhaltig vergiftete. Lange hatten die Republikaner trotz aller inhaltlichen Verrohung noch auf ein Image der Respektabilität und einen halbwegs höflichen Umgang untereinander gesetzt. Damit räumte Gingrich auf. Er zog mit einer brutalen Taktik der verbrannten Erde gegen seine Gegner – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Partei – zu Felde und machte aus der Politik einen blutigen Kampfsport, in dem es keine Kompromisse mit der Gegenseite geben kann und in dem aus dem Kontrahent ein Todfeind wird. Damit verrohte nachhaltig das politische Klima.
Mitt Romney, der 2012 gegen Barack Obama antrat, stand für einen letzten Versuch, das alte, respektable Auftreten der GOP zu bewahren. Doch auch er spürte, woher der Wind weht, und nominierte als seine Stellvertreterin die ultraradikale christliche Fundamentalistin Sarah Palin. Denn in in den 2010ern befand sich die Tea-Party Bewegung in der GOP im Aufschwung, die mit den von Gingrich etablierten Mitteln – »Lügen, Verleumdung und Belästigung« – sowie tatkräftiger Unterstützung rechter Massenmedien wie Fox News den Weg zu einem ausschlaggebenden Machtblock in der Partei wird. Und damit ist die Bühne bereitet für den Auftritt von Donald Trump.
Brandstifter und Opportunisten
Diese Geschichte zeigt, wie im Wechselspiel aus Brandstiftern und Opportunisten aus der GOP eine Partei wurde, deren Existenz jede Wahl zu einer Schicksalswahl macht, bei der so Brockschmidt »nicht weniger als die amerikanische Demokratie auf dem Spiel« steht. Den grundlegenden Mechanismus bregreift sie so. Brandstifter treiben die Partei nach rechts, Opportunisten versuchen das Feuer zu kontrollieren und für sich zu nutzen und werden dabei verbrannt. Das führte nicht nur dazu, schreibt Brockschmidt, dass sich der Parteiapparat radikalisiert hat, sondern auch gleich die gesamte Wählerbasis mit ihm.
Im Kern sind für Brockschmidt Einzelpersonen und ihre Ideen die zentralen Aspekte der Geschichte. Ein solcher idealistischer Blickwinkel vernachlässigt aber die entscheidenden Faktoren, die die Entwicklung des komplexen politischen Systems mit der Zeit beeinflussen. So etwa die zyklischen Wirtschaftskrisen im kapitalistischen System, die wachsende Verelendung der amerikanischen Bevölkerung, die beidseitige Vereinnahmung der amerikanischen Parteien durch Kapitalinteressen, die ökonomischen Verflechtungen der alten und neuen Medien usw. All dies findet kaum Eingang in ihre Analyse.
An einigen Stellen nimmt Brockschmidt zwar durchaus solche Faktoren mit in ihren Blick, etwa die allseitige Verunsicherung und Wut, die sich in Folge der Bankenkrise von 2008/09 breitmachte, vor allem aber auch in Reaktion auf deren Handling durch ein Kartell politischer Eliten über alle Parteigrenzen hinweg. Sie schreibt diesen Ereignissen und deren Dynamik jedoch ein geringes Potenzial zu. Die Stars des Buches sind eindeutig die Brandstifter. Damit bezweckt Brockschmidt auch eine Intervention in die deutsche Politik. Gerade weil für sie Individuen in Parteien so eine zentrale Funktion haben, endet auch ihr Buch mit dem Appell, sich nicht auf das gefährliche Spiel mit den Radikalen einzulassen: »Der heutige Zustand der Republikanischen Partei muss für europäische Konservative als mahnendes Beispiel dafür dienen, was passiert, wenn man sich mit Extremisten einlässt.«
»Die Brandstifter«: Licht und Schatten
Auch wenn ihr Buch »Die Brandstifter« als Personendrama fesseln kann, wünscht man sich als Leser:in doch eine systematische Zusammenführung der verschiedenen Faktoren, die zum Aufstieg der Parteirechten in der GOP beigetragen haben. Eine klarere Strukturierung wäre dadurch auch möglich gewesen, was dem Buch gut getan hätte. Denn es liest sich über weite Strecken oft als eine eher lose Aneinanderreihung von Episoden im Drama um die GOP.
Auf eine wichtige Leerstelle in Brockschmidts Betrachtung der politischen Verhältnisse der USA muss noch hingewiesen werden. Selbstverständlich trifft es zu, dass die Republikaner die Institutionen der amerikanischen Demokratie kapern wollen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Institutionen ausgehöhlt wurden und die Demokraten daran ihren Anteil haben. Das ganze politische System der USA bedarf der Reformierung. Es ist das Ergebnis einer Zweiparteiendiktatur, in der Demokraten und Republikaner seit geraumer Zeit in den wichtigsten politischen Punkten übereinstimmen.
Beide befürworten eine militaristische und interventionistische Außenpolitik, beide haben sich dem neoliberalen Konsens untergeordnet und dadurch die soziale Ungleichheit befeuert, die Gewerkschaften geschwächt, und die Macht der Konzerne gesteigert. Solange keine deutliche Alternative zur Wahl steht, befindet sich die amerikanische Linke in einem fürchterlichen Dilemma. Immer wieder den Demokraten aus der Patsche helfen zu müssen, raubt der US-Linken die Glaubwürdigkeit und untergräbt damit den Aufbau einer eigenen, nachhaltigen politischen Infrastruktur jenseits der Demokratischen Partei. Diese einfache, aber verheerende Logik, ist das größte Hindernis der US-Linken.
Das Buch:
Annika Brockschmidt
Die Brandstifter – Wie Extremisten die Republikanische Partei übernahmen
Rowohlt
365 Seiten
24,00 Euro
Schlagwörter: Faschismus, Republikaner, Trump