Auch einhundert Jahre nach dem Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht leugnet die SPD jede Mitverantwortung. Dabei war es längst nicht nur der Sozialdemokrat Gustav Noske, der mit der Reaktion kooperierte. Von Stefan Bornost
Was Andrea Nahles am 9. November beim offiziellen SPD-Festakt zur Novemberrevolution in einem Nebensatz ansprach, war für sozialdemokratische Verhältnisse fast schon ein Tabubruch: Die SPD solle ihre Rolle in der Revolution nicht beschönigen – vor allem die des sozialdemokratischen Reichswehrministers: »Dass Gustav Noske seine Hände beim Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht im Spiel hatte, ist wahrscheinlich.«
Trippelschritt in Richtung Aufarbeitung
Mehrfach haben der Sozialdemokratie nahestehende Historiker wie Tilman Fichter angemahnt, die SPD möge sich ernsthaft mit diesem dunkelsten Kapitel ihrer Geschichte auseinandersetzen. Die neuen Töne von Nahles sind aber nur ein Trippelschritt in Richtung Aufarbeitung. Zudem ruderte sie keine zwei Monate später bereits wieder zurück und verkündete, es gebe keine »endgültigen Beweise« für eine Verwicklung Noskes.
Doch selbst das Eingeständnis, dass Noske eine Mitschuld trifft, greift viel zu kurz. Zwar war Noske, der sich damals selbst als »Bluthund« bezeichnete, die zentrale Figur bei der blutigen Niederschlagung des »Spartakusaufstands« im Januar 1919: Er führte das berüchtigte Telefonat mit dem Offizier Waldemar Pabst, der Luxemburg und Liebknecht gefangen genommen hatte. Pabst klagte, dass es aussichtslos sei, von höherer Stelle die Freigabe zur Exekution zu bekommen. Noske meinte daraufhin, Pabst müsse »selbst verantworten, was zu tun sei«. Pabst verstand dies als Freigabe zur Erschießung und so war es wohl auch gemeint – Noske hielt jedenfalls durchgehend seine schützende Hand über die allesamt namentlich bekannten Täter, die nie belangt wurden.
Linie der gesamten Parteiführung
Dennoch macht es sich die Sozialdemokratie zu einfach, wenn sie die Verantwortung allein bei Noske ablädt. Die Kooperation mit den reaktionären Militärs und den Freikorps, aus denen später der Kernkader des Nationalsozialismus hervorging, war die Linie der gesamten Parteiführung und wurde am aktivsten von Friedrich Ebert vorangetriebenen.
Ebert stand im täglichen Kontakt mit General Wilhelm Groener, dem Chef der Obersten Heeresleitung, um das Vorgehen gegen die Revolution zu beraten. In seinen Lebenserinnerungen schrieb Groener: »Das Offizierskorps konnte nur mit einer Regierung zusammenarbeiten, die den Kampf gegen den Radikalismus und Bolschewismus aufnahm. Dazu war Ebert bereit.« Die Hypothek einer durch die Reaktion enthaupteten proletarischen Revolution prägte die Weimarer Republik bis zum bitteren Ende.
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Schlagwörter: Geschichte, Liebknecht, Luxemburg, Nahles, Novemberrevolution, SPD