Die AfD weist den Vorwurf des Antisemitismus weit von sich und hetzt stattdessen gegen Geflüchtete und Muslime. Die Jüdin Maya Mosler-Cohen erklärt, warum auch sie sich vom Aufstieg der Rechten bedroht fühlt. Wir dokumentieren ihren bewegenden Redebeitrag auf der Protestkundgebung am 9. November in Chemnitz
Mein Name ist Maya Mosler-Cohen. Ich bin in Haifa geboren und in Israel aufgewachsen. Meine Eltern sind 1933 aus Berlin geflohen und über Amsterdam ins damalige Palästina ausgewandert.
Mein Opa und 17 weitere Angehörige meiner Familie sind in Auschwitz, Sobibor und Theresienstadt von den Nazis ermordet worden.
Ich habe Angst um meine Kinder und Enkelkinder
Ich bin heute nach Chemnitz gekommen, weil mich die Ereignisse der letzten Wochen aufgewühlt und erschreckt haben. Ich bin Jüdin und meine Kinder sind jüdischer Abstammung. Ich habe keine Angst um mich, aber ich habe Angst um meine Kinder und Enkelkinder.
Ich könnte mich beruhigen, indem ich sage: »Aber die AfD und ›Pro Chemnitz‹ wollen doch nur die Muslime und die Flüchtlinge vertreiben. Sie hängen keine Wahlplakate gegen Juden, sie halten auch keine Hetzreden gegen Juden.«
Also: Warum bin ich besorgt und aufgewühlt durch das, was hier in Chemnitz und in vielen anderen Orten in Deutschland zur Zeit geschieht?
Mein Opa hat nicht geglaubt, was Hitler vor 1933 über die Juden gesagt hat
Die Ereignisse in Chemnitz geben selbst die Antwort: Nach einem angeblichen Trauermarsch hat eine Gruppe von Nazis das jüdische Café Shalom angegriffen und dessen jüdischen Besitzer verletzt. Keiner hatte sie dazu aufgerufen. Für mich zeigt das nur, wer hier alles im Windschatten angeblicher Trauermärsche mit demonstriert.
Herr Höcke von der AfD hat Anfang des Jahres gesagt: Wenn die AFD einmal die Macht habe, dann werde sie den Islam am Bosperus bekämpfen. Soll ich das ernst nehmen? Soll ich das glauben?
Ja, wir alle sollten das ernst nehmen! Mein Opa hat nicht geglaubt, was Hitler vor 1933 über die Juden gesagt hat: dass man sie wie Ungeziefer vernichten muss. Er hielt das für reine Propaganda. Heute wissen wir es besser.
Seien wir wehrhaft, solange es noch möglich ist.
Von Martin Niemöller stammen folgende Worte:
»Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.«
Auch ich will mich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Ich sage mir: Wenn die Nazis heute gegen Flüchtlinge demonstrieren, dann schweige ich nicht, nur weil ich kein Flüchtling bin.
Wenn die Nazis gegen Muslime demonstrieren, dann schweige ich nicht, weil ich ja kein Muslim bin. Denn ich weiß: die Juden stehen auch auf ihrer Liste, auch wenn sie zehnmal beteuern, sie seien für das Existenzrecht Israels.
Seien wir wachsam! Seien wir wehrhaft, solange es noch möglich ist.
Foto: de.havilland145
Schlagwörter: AfD, Antifaschismus, Antisemitismus, Chemnitz, Inland, Rassismus