Während im Wahlkampf fast das gesamte politische Spektrum unaufhaltsam nach Rechts zu driften scheint, eröffnet sich für Die Linke die Chance, all jenen eine Stimme zu geben, die den gefährlichen Rechtsruck nicht mitmachen, sondern sich ihm widersetzen wollen. Ein Kommentar von Volkhard Mosler
Donald Trumps Amtsübernahme wirft ihren dunklen Schatten auf die internationale politische Entwicklung. Trump beansprucht den Panama-Kanal und Grönland für die USA. Kanada soll sich den USA anschließen. Make America greater! Die verurteilten SA-Schläger der »Proud Boys« und anderer faschistischer Gruppen, die 2021 maßgeblich am Sturm auf das Kapitol beteiligt waren, sollen begnadigt werden. Trumps rechte Hand Elon Musk ruft zur Wahl der AfD und zum Sturz der Labour-Regierung im Vereinigten Königreich auf sowie zur Freilassung des dort inhaftierten Neonazis Tom Robinson.
In Österreich ist der FPÖ-Chef und Faschist Herbert Kickl damit beauftragt, eine Regierung zu bilden und den Kanzler zu stellen. Kickl behauptet, er biete den Konservativen der ÖVP jetzt die »ausgestreckte Hand« an. Der »Standard« bringt es auf den Punkt: nicht die Hand, sondern die Faust strecke er ihnen entgegen. Er droht nämlich mit Neuwahlen, falls die ÖVP als Juniorpartner nicht kuscht. Kein Wunder, seit der Nationalratswahl im September hat die FPÖ um 7 bis 8 Prozentpunkte zugelegt, die ÖVP ist um 6 Prozentpunkte eingebrochen. Kickls nächstes Ziel ist es, die Konservativen zu spalten und zu ruinieren – so wie Hitler das vor 1933 mit seinen Regierungsbeteiligungen in mehreren Landesregierungen erfolgreich durchgezogen hatte.
Wahlkampf: Wettlauf nach Rechts
Die AfD fühlt sich in bester Gesellschaft und verspürt Aufwind. Im deutschen Wahlkampf zeichnet sich unter den Parteien ein Überbietungswettbewerb um Militarismus und Rassismus ab. CDU/CSU sacken laut neuester Umfrage um 2 Prozentpunkte auf 30 Prozent, die AfD gewinnt 2 Prozentpunkte dazu und liegt jetzt bei 22 Prozent. Der Wettlauf von Grünen, SPD, BSW, CDU und CSU mit Zugeständnissen an die Remigrationsparolen der AfD, d.h. der Rechtsruck der politischen Mitte, schafft der AfD die besten politischen Bedingungen für ihren Wahlkampf.
Robert Habeck als Chef der Grünen machte den Anfang: »Diejenigen (syrische Flüchtlinge), die hier nicht arbeiten, werden zurückkehren müssen.« Hin und hergerissen sagt er einerseits: »Die Suche nach Lösungen in der Migrationspolitik sei nötig, um zu verhindern, dass der Rechtspopulismus dieses Thema ausbeutet.« Andererseits kritisiert er Markus Söder von der CSU: Das »Rezept gegen rechts ist sicherlich nicht, dass man den Rechten hinterherbellt und hinterherläuft.« Macht Habeck aber!
Noch-Innenministerin Nancy Faeser (SPD) stößt ins gleiche Horn. Auch sie will syrische Geflüchtete jetzt abschieben. Man müsse die Schutzgewährung für syrische Flüchtlinge aufheben, wenn Menschen diesen Schutz in Deutschland nicht mehr brauchen. Nur diejenigen könnten bleiben, die Arbeit hätten oder einer Ausbildung nachgingen. »Wer gut integriert ist, arbeitet, Deutsch gelernt hat, … der soll in Deutschland bleiben dürfen.«
Sahra Wagenknecht und ihr Wahlbündnis BSW wollen künftig »Asylverfahren außerhalb der EU« durchführen und Abschiebungen konsequenter als die Ampelregierung durchsetzen, besonders genannt werden dabei »Islamisten«.
AfD-Parolen von Merz
Kanzlerkandidat Merz (CDU), will noch weitergehen. Eingebürgerten Migrant:innen will er die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen, »wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben.« Bei den mit Abstand meisten Strafdelikten von Zugewanderten handelte es sich 2023 um Ladendiebstähle (vgl. Kriminalstatistik des BKA 2023). Merz will auch solchen »Straftätern« die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen und sie damit einer Ausweisung preisgeben. Dafür wird sich die AfD bedanken, die in der Vergangenheit scharf kritisiert wurde, weil führende Vertreter:innen auch Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft deportieren wollen. Merz übernimmt »rechtsextreme Forderungen und erklärte Bürger mit einer Doppelten Staatsbürgerschaft zu Halbdeutschen. Das ist die VerKickelung der CDU«, schrieb die Süddeutsche Zeitung vom 11. Januar 2025 ganz richtig.
Die CSU übertrifft ihre Schwesterpartei noch: Unter dem Motto »Wer straffällig wird, fliegt« will die CSU »die Regelung zur Ausweisung nachschärfen …« Nicht nur Straftäter:innen, sondern alle »die Straftaten ankündigen oder billigen, die für die Errichtung einer nicht freiheitlichen und nicht demokratischen Staatsform werben oder die Israelhass oder Antisemitismus verbreiten« sollen ausgewiesen werden. […] Wer nicht ausreist oder abgeschoben werden kann, der muss in unbefristete Abschiebehaft genommen werden können.« Aus der Abschiebehaft kann nur freikommen, wer Deutschland verlässt.
Die Bestimmung einer unbefristeten Abschiebehaft erinnert an das Internierungslager der rechtskonservativen bayerischen Landesregierung Kahr, die von 1920-23 in Ingolstadt ein Internierungslager für illegal eingereiste Ostjuden errichtet hatte. Als »Ostjuden« galten die Juden, die nach dem Ersten Weltkrieg vor Pogromen in Osteuropa geflüchtet waren und bis zu ihrer Abschiebung dort als Gefangene gehalten wurden. Auch damals wurden die Rechtskonservativen von den Nazis überboten. Diese forderten, allen Juden in Deutschland die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, um sie deportieren zu können.
Die AfD ist immer schon um Kilometer voraus im Überbietungswettbewerb. Der Rechtsruck endet aber nicht vor der AfD. Ein Artikel von T-Online über den Verlauf des AfD-Parteitags in Riesa zeigt, dass sich Höcke in der »Remigrationsfrage« gegen Weidel durchgesetzt hat, die noch im Januar 2024 Höckes Kurs scharf kritisiert hatte, ohne dessen Namen zu nennen. Den Wettlauf nach rechts von CSU, CDU, SPD, BSW und Grünen gewinnt gerade die AfD unter ihrem ungewählten Führer Höcke.
Der mit einem Bundeskanzler Kickl drohende Rechtsruck in Österreich wirft seine Schatten auf den Wahlkampf in Deutschland. Noch beteuert Merz, nicht mit der AfD zu koalieren. Auch die konservative Schwesterpartei in Österreich, die ÖVP, hatte vor den Wahlen beteuert, mit der faschistischen FPÖ keine Koalition einzugehen.
Linke Chance im Wahlkampf
Der Kampf gegen den Rechtsruck ist nicht zu gewinnen, indem man den AfD-Parolen hinterherläuft. Deshalb: Für Klassensolidarität, gegen Rassismus, für Sozialstaat statt Aufrüstung!
Nutzen wir die bevorstehende Tarifrunde im Öffentlichen Dienst für den Kampf gegen Rechts im doppelten Sinne: »Einheit macht stark« ist eine alte Parole der Arbeiterbewegung. Einheit im Tarifkampf bedeutet eine Absage an rassistische Spaltungsmanöver. Klassensolidarität ist eine wichtige Waffe im Kampf gegen rassistische Spaltung und Faschismus. Nutzen wir die Chance, um in vielen Einzelgesprächen Kolleg:innen für die Verbotspetition gegen die AfD zu gewinnen. Die erfolgreiche Massenblockade gegen die AfD in Riesa hat gezeigt, dass Widerstand gegen Rassismus und Faschismus möglich ist.
Die Linke hat die Chance, sich als einzige Partei zu profilieren, die sich dem Rechtsruck widersetzt. Nur Die Linke macht den Überbietungswettlauf nach rechts nicht mit und deshalb muss sie wieder in den Bundestag einziehen. Wie das gelingen kann? Wir rufen auf, die Aktionswoche für ein Direktmandat von Ferat Koçak in Berlin-Neukölln in der ersten Februarwoche zu unterstützen. 50.000 Haustürgespräche für die Wahl von Ferat – Macht mit! Es geht um viel!
Foto: Martin Heinlein / flickr.com / CC BY 2.0
Schlagwörter: Rassismus, Rechtsruck