Unter den vielen Neuerscheinungen, die sich mit der AfD beschäftigen, gibt es eine, die es besonders verdient, erwähnt zu werden: »Angriff auf Deutschland: Die schleichende Machtergreifung der AfD« von Michael Kraske und Dirk Laabs. Jürgen Ehlers hat das Buch für uns gelesen
Wer im Kollegenkreis, an der Schule, Hochschule oder in der Familie die Diskussion über den Charakter der AfD sucht, kann nie genug Argumente über die Gefahr, die von dieser Partei ausgeht, parat haben und wie man ihr begegnet. Die Forderung nach einem Verbot der AfD spielt dabei eine wichtige Rolle. Inzwischen gibt es zahlreiche Bücher, die sich mit der Entwicklung und dem Aufstieg der AfD beschäftigen und die ihre Leserschaft suchen. Michael Kraskes und Dirk Laabs Buch »Angriff auf Deutschland« mit dem treffenden Untertitel »Die schleichende Machtergreifung der AfD« ist mit Sicherheit eines der besten.
Die Stärke ihres Buches ist die akribische Recherche der engen personellen Verflechtungen von militanten Nazis mit dem nur scheinbar aufgelösten »Flügel« um Björn Höcke. Höcke gibt den Takt vor, in dem sich die Partei radikalisiert und die Grenzen des Sagbaren immer weiter ausdehnt. Den Reden sollen Taten folgen, dabei »machen wir keine halben Sachen«, verspricht Höcke.
Das ist auch schon von anderen Autoren öffentlich gemacht worden, ebenso wie die enge personelle Verflechtung mit militanten Nazigruppen und der Reichsbürgerszene. Kraske und Laabs zeigen aber auch, wie die politische Praxis im Inneren der Partei aussieht, um den Einfluss des »Flügel« systematisch auszubauen. Da werden Kandidat:innen des »Flügels« auf Listenplätzen der Partei »durchgedrückt«, indem auf Mitgliederversammlungen den Anwesenden unbekannte Mitglieder auftauchen, die für entsprechende Mehrheitsverhältnisse sorgen. Hassparolen, die früher noch in den eigenen Reihen auf Versammlungen kritisiert worden sind, gehören heute zum guten Ton in der Partei. Das Fazit der Autoren: ein Radikalisierungsprozess, der inzwischen weit gediehen ist, so dass er unumkehrbar geworden ist.
Remigrationspläne
Es wird auch deutlich, dass es der AfD nicht allein um die Umsetzung ihrer menschenverachtenden Pläne zur »Remigration« geht. Die AfD will das politische System für die eigenen Zwecke dramatisch verändern. Dabei geht es nicht nur um eine »Entsiffung des Kulturbetriebs«, um die Durchsetzung eines reaktionären Frauenbildes gegen einen »Tittensozialismus« oder die Bekämpfung von »Homo-Propaganda« in den Sexualwissenschaften. Das alles soll umgesetzt werden, indem »die parlamentarische Demokratie von heute (…) genauso überwunden [wird], wie seinerzeit die SED-Diktatur«, so das Fazit von Kraske und Laabs.
Da beim Aufbau einer Partei die Finanzierung eine zentrale Rolle spielt, ist jeder Wahlerfolge für die AfD ein Jackpot. Die Mandate der AfD ziehen viele gut bezahlte Jobs nach sich, die von den zahlreichen Abgeordneten an Parteikader vergeben werden. Das viele Geld, über das die Partei darüber hinaus verfügen kann – wir reden hier über knapp 100 Millionen Euro allein über die Bundestagsfraktion – stärkt deren Propagandaapparat gewaltig. Die beiden Autoren zeigen auf, was mit dem Geld so alles gemacht wird, um neue Mitglieder zu rekrutieren und das mit der Partei sympathisierende Umfeld enger an sich zu binden und auszudehnen.
Verharmlosung
Die beiden Autoren loben ausdrücklich die Recherchearbeit von vielen Journalisten in den letzten Jahren, üben aber auch eine scharfe Kritik am Umgang mit der AfD, vor allem im Fernsehen. So hat ein Moderator des Mitteldeutschen Rundfunkts (MDR) in einem Sommerinterview ausgerechnet Björn Höcke gefragt, ob die AfD denn nun eine »Brandmauer« gegen Rechts errichten werde. Markus Lanz wollte vom AfD-Chef Tino Chrupalla wissen, ob er Björn Höcke für rechtsextrem hält. Der verneinte natürlich und Lanz fand das »interessant« – mehr hatte er nicht zu sagen.
Ein ganzes Kapitel widmen Kraske und Laabs der Forderung nach einem AfD-Verbot, das sie ausdrücklich unterstützen. »Warum ein Verfahren notwendig und möglich ist« lautet die Kapitelüberschrift. Die Forderung ist ein Fazit ihrer Analyse der AfD.
Bundesverfassungsgericht
Sie erinnern an die Begründung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2017, das gegen ein Verbot der NPD entschied. Der NPD wurde damals durch das Gericht bescheinigt, sowohl die Menschenwürde zu missachten als auch die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen zu wollen, ganz so wie die AfD heute auch wieder. Die beiden Autoren stützen ihre Hoffnung auf die Kernaussage in der damaligen Urteilsbegründung zugunsten der NPD: »Es fehle der rechtsextremen Partei an realistischen Aussichten auf Erfolg.« Das wäre bei der AfD heute aber zweifelsfrei gegeben.
Die damalige Urteilsbegründung war bestens geeignet, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu erschüttern. Die Richterschaft ignorierte nicht nur die wichtigste Lehre aus der Geschichte des Nationalsozialismus: »Wehret den Anfängen!« Das Gericht lieferte darüber hinaus keine eindeutigen Maßstäbe, wann denn das Gefahrenpotential einer faschistischen Partei aus juristischer Sicht groß genug für ein Verbot sei.
Diese Aspekte beleuchten Kraske und Laabs nicht, das ist die einzige Schwäche ihres ansonsten sehr empfehlenswerten Buches. Es liefert die wichtigsten Argumente für ein Verbot, es ist aber kein Ersatz dafür, dieser Verbotsforderung durch den Kampf auf der Straße den nötigen Nachdruck zu verleihen.
Das Buch:
Kraske, Michael / Laabs, Dirk
Angriff auf Deutschland – Die schleichende Machtergreifung der AfD.
C.H.Beck
350 Seiten
18 Euro
Schlagwörter: AfD, Antifaschismus