Am Mittelmeer, insbesondere in Griechenland, toben verheerende Waldbrände. Doch es fehlt an Feuerwehrleuten und -ausrüstung. Die griechische Feuerwehr hat sich wie die griechische Wirtschaft insgesamt von der Finanzkrise der Jahre ab 2007 nicht mehr richtig erholt. Ein Beitrag von Thomas Walter
2007 begann in den USA die internationale Finanzkrise. Zwei Jahre später 2009 brachen auch in Europa die Volkswirtschaften ein. In Europa war 2009 das Bruttoinlandsprodukt (BIP), ein Maß für den Wert der innerhalb eines Jahres produzierten Güter und Dienste einerseits sowie der insgesamt entstandenen Einkommen andererseits, niedriger als im Jahr zuvor. Doch in der kapitalistischen Konkurrenz treffen solche Krisen schwächere Volkswirtschaften, in Europa die südeuropäischen »Peripheriestaaten«, stärker.
Dabei ist im neuen Jahrtausend die griechische Volkswirtschaft zunächst gewaltig gewachsen. Das BIP lag 2008 um 60 Prozent höher als noch 2001. Das ist eine Steigerung von 152 Milliarden Euro 2001 auf 242 Milliarden Euro 2008. Das deutsche BIP war 2008 nur 17 Prozent höher als 2001, 2546 Milliarden Euro 2008 gegenüber 2173 Milliarden Euro 2001. (Damals galt Deutschland noch als »kranker Mann Europas«.) Die genaue Entwicklung ist in der folgenden Abbildung dargestellt. Die BIPs für die verschiedenen Ländern sind für 2001 alle gleich 100 gesetzt, so dass die weitere Entwicklung im Verhältnis zum BIP des Jahres 2001 zu sehen ist. Während viele Länder wie BRD, Frankreich, auch Portugal und die Europäische Union insgesamt (EU), das wirtschaftliche Wachstum, gemessen am BIP, bald wieder fortsetzten, liegt für Griechenland das BIP 2019 auf einem Indexwert (2001=100) von 117, oder um 17 Prozent über dem Wert von 2001 (2019: 183 Milliarden Euro). Ein anderer Staat, der sich seit der Finanzkrise nicht mehr richtig berappelt hat, ist Italien. Die Entwicklung im Jahr 2020 ist dann schon wieder durch den starken wirtschaftlichen Einbruch wegen der Corona-Krise geprägt, was hier nicht mehr dargestellt wird.
Keine europäische Solidarität
Wenn das BIP wegbricht, wie nach der Finanzkrise in Griechenland, dann brechen auch die Steuereinnahmen weg. Griechenland kann dann seine Staatsausgaben, etwa für Feuerwehr, nicht mehr halten, es sei denn, es kommt Hilfe vom Ausland. Doch die Ideologie der europäischen Solidarität brach in der Krise zusammen. Jeder Staat war sich selbst der nächste. Es ging um Profit, nicht um Solidarität. Also konnte Griechenland seine Staatsausgaben, darunter auch die Ausgaben für die »Feuerwehr«, nicht mehr finanzieren. (Hier und im Folgenden werden für »Feuerwehr« usw. die deutschen Begriffe von Eurostat, dem europäischen statistischen Amt, verwendet.)
Zwar gab es schließlich einige Kredithilfen für Griechenland. Diese dienten aber in erster Linie der Rettung der Forderungen, die ausländische Banken an Griechenland hatten. Die Troika (Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds, Europäische Kommission) verband die Hilfskredite an Griechenland mit drakonischen Sparauflagen. Dabei konnte Griechenland sowieso seine Staatsausgaben mangels Steuereinnahmen nicht mehr finanzieren. Deutsche »Experten« berieten die griechischen Staatsangestellten, wo sie am Besten sparen könnten. Im Ergebnis haben weder das griechische BIP (obere Abbildung) noch die griechischen Staatsausgaben, auch nicht die Ausgaben für Feuerwehr (folgende Abbildung), den Anschluss an die EU-Entwicklung wieder gefunden. Für Italien gilt ähnliches.
Kein Geld für die Feuerwehr, aber für die Polizei
2009, unmittelbar vor dem Tiefpunkt der Finanzkrise in Europa, wurden vom griechischen Staat 663 Millionen Euro für die Feuerwehr ausgegeben (2001 noch 363 Millionen Euro). Mit dem Kriseneinbruch sank dieser Betrag auf 455 Millionen Euro im Jahr 2014. 2019 waren es erst wieder 522 Millionen Euro. Damit liegt die Entwicklung in Griechenland (wie die Italiens), was die Ausgaben für Feuerwehr betrifft, deutlich unter der der EU oder Staaten wie Deutschland oder Frankreich (vgl. obige Abbildung). Es ist also kein Wunder, dass jetzt, wo die griechischen Wälder brennen, es an Feuerwehrleuten fehlt.
Ein viel größerer Ausgabenposten als Feuerwehr sind »Militärische Verteidigung«. Auch hier wurde in Griechenland gespart. 2001 betrugen die Ausgaben 3900 Millionen Euro, 2019 3630 Millionen Euro. In der Spitze 2009 waren es 7883 Millionen Euro gewesen. Bemerkenswerterweise wurde aber bei »Öffentliche Ordnung und Sicherheit«, also bei der Polizei, nicht so sehr gespart. Die Ausgaben hierfür betrugen 2001 2268 Millionen Euro und 2019 3850 Millionen Euro. In der Spitze 2009 waren es 4237 Millionen Euro gewesen. Was die Ausgaben für Öffentliche Ordnung und Sicherheit betrifft, so war hier die Entwicklung in Griechenland – Krise hin oder her – seit 2001 ausgabenfreudiger gewesen als in der EU (vgl. folgende Abbildung).
Fazit
Die griechischen Waldbrände zeigen, wie sich ökonomische Krisen des Kapitalismus unmittelbar in ökologische Katastrophen verwandeln. In der Krise hatte der griechische Staat kein Geld mehr für Feuerwehr. Die EU verweigerte Hilfen. Bis heute hinkt die Entwicklung bei der Finanzierung der Feuerwehr in Griechenland hinter der Entwicklung in der EU insgesamt oder von anderen EU-Staaten wie Deutschland oder Frankreich hinterher. Der Staat musste auch bei anderen Ausgabenposten sparen. Wenig gespart hat er bei »Öffentliche Ordnung und Sicherheit«, also bei der Polizei. Hier will die kapitalistische Klasse wohl kein Risiko eingehen.
Titelbildquelle: Wikipedia, el:user:Michal Famelis
Schlagwörter: EU, Euro-Krise, Eurokrise, Europäische Union, Europäische Zentralbank, Griechenland, Klimakatastrophe, Sparpolitik