Die Flügelkämpfe innerhalb der AfD gehen unvermindert weiter. Eskaliert sind sie zuletzt ausgerechnet in Baden-Württemberg, einem Landesverband, der als eher gemäßigt galt. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass dieser Eindruck täuscht. Von Julia Meier
Der Streit um den Antisemiten und baden-würtembergischen AfD Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon bestimmte in den vergangenen Wochen immer wieder die Schlagzeilen. Gedeon hat unter anderem ein Buch mit dem Titel »Der Grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten« veröffentlicht, in dem er die von Antisemiten im 19. Jahrhundert zur Diskreditierung der Juden verfassten »Protokolle der Weisen von Zion« als ernstzunehmende Quelle nennt. Der baden-württembergische AfD Fraktionschef Jörg Meuthen wollte Gedeon daraufhin aus der Fraktion ausschließen.
Was dann folgte ist ein neues Kapitel schwer nachvollziehbarer Flügelkämpfe in der AfD. Die Parteivorsitzende Frauke Petry, eigentlich nicht verdächtig dem extrem rechten Flügel der AfD anzugehören, und bisher eher nicht mit Sympathie für Antisemiten aufgefallen, reiste hinter dem Rücken ihres Co-Vorsitzenden Meuthen nach Stuttgart und torpedierte den Fraktionsausschluss Gedeons, während der Parteirechte Alexander Gauland Meuthen den Rücken stärkte.
Der rechte AfD-Flügel in Baden-Württemberg
Die Affäre um Wolfgang Gedeon wirft ein Schlaglicht auf den rechten Parteiflügel der AfD in Baden-Württemberg. Der faschistische Flügel der AfD ist nicht nur mit Björn Höcke in Thüringen und Andre Poggenburg und Hans-Thomas Tillschneider in Sachsen-Anhalt beheimatet, sondern auch in Baden-Württemberg.
Ende April machte Frauke Petry den Vorsitzenden der AfD Jugendorganisation »Junge Alternative (JA)«, Markus Frohnmaier, zu ihrem Pressesprecher. Markus Frohnmaier ist Jurastudent in Tübingen und Erstunterzeichner der »Erfurter Resolution«, dem Gründungsmanifest von Björn Höckes »Flügel«, einer der beiden innerparteilichen Organisationen des faschistischen Flügels der AfD. Er war im Frühjahr Landtagskandidat in Villingen-Schwenningen und sprach am 28.10.2015 bei einer von Björn Höcke organisierten Kundgebung in Erfurt. Von dort stammt seine Aussage: »Ich sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Parteienfilz ganz klar: Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk liebe Freunde.« Am 12. Oktober 2015 nahm Frohnmaier an einer Wahlparty der FPÖ in Wien teil. Ende Mai dieses Jahres reiste er wieder, diesmal in Begleitung Petrys, zur Wahlparty der FPÖ nach Wien.
Burschenschaften und Nazi-Szene
Frohnmaier ist nicht der einzige Protagonist der AfD in Baden-Württemberg, der mit Höckes »Flügel« in Verbindung steht. Eine weitere Erstunterzeichnerin von Höckes »Erfurter Resolution« ist Christina Baum, Landtagsabgeordnete für den Main-Tauber Kreis und eine derjenigen Abgeordneten, die dem Auschluss Gedeons aus der Fraktion nicht zustimmen wollten.
Der sachsen-anhaltinische Abgeordnete Hans-Thomas Tillschneider ist ebenfalls Erstunterzeichner der »Erfurter Resolution« und gleichzeitig Vorsitzender der »Patriotischen Plattfrom«, einem weiteren faschistischen Zusammenschluss innerhalb der AfD. Ebenfalls in deren Vorstand sitzt der Freiburger Anwalt Dubravko Mandic. Mandic ist außerdem Alter Herr der Freiburger Burschenschaft Saxo-Silesia. Mit Marco Wölle ist mindestens ein weiteres Mitglied der Jungen Alternative Freiburg Teil dieser Burschenschaft. Nach Recherchen der Autonomen Antifa Freiburg finden im Haus der Burschenschaft Partys statt, bei denen in Anwesenheit von Mandic Nazimusik gespielt wird und Anwesende Neuankömmlinge mit dem Hitlergruß begrüßen.
AfD als Oppositions- und Bewegungspartei
Der faschistische Charakter des Flügels um Höcke, Gauland, Poggenburg und Tillschneider auf Bundesebene manifestiert sich durch eine Ablehnung des »Systems« als Ganzes, auf den Punkt gebracht in Gaulands Aussage nach den Landtagswahlen im März, die AfD werde sich nicht an Koalitionen beteiligen, da sie das System von Grund auf ablehne, sowie durch eine Orientierung auf den Kampf um die Straße. Die vier Genannten argumentieren für eine enge Zusammenarbeit mit der Pegida-Bewegung beziehungsweise praktizieren diese bereits. Der Vorstand der »Patriotischen Plattform» beschrieb den Beschluss des AfD-Vorstandes vom Mai dieses Jahres, nicht (mehr) mit Pegida zusammenzuarbeiten, als »schwerwiegende Fehlentscheidung« und stellte einen Antrag gegen den Beschluss, der inzwischen aufgehoben wurde. Höcke lud mit Sigfried Däbritz einen der Wortführer von Pegida in Dresden als Redner auf eine seiner Demonstrationen in Erfurt ein. Hans-Thomas Tillschneider sprach selbst bei Pegida in Dresden. Höckes regelmäßige AfD Demonstrationen in Erfurt, die inzwischen zur Agitation gegen eine geplante Moschee genutzt werden, sind der weitestgehende Versuch, die AfD selbst als »Bewegung« zu etablieren.
AfD und die »Identitäre Bewegung«
Der faschisitische Flügel der AfD ist auch in Baden-Württemberg präsent. Gerade die »Junge Alternative« ist ein Sammelbecken faschistischer Kräfte. Sie setzen auf ein enges Verhältnis zur »Identitären Bewegung« und deren »Kampf um die Straße«. Der »Jungen Alternative Freiburg« gefällt die Facebookseite der »Identitären Bewegung« und ihre Mitglieder kommentieren auf der Facebookseite der »Identitären Bewegung Deutschland«.
Dubravko Mandic nahm am 11. Juni 2016 gemeinsam mit einem weiteren Mitglied des Vorstandes der »Patriotischen Plattform« an einer Großdemonstration der »Identitären« in Wien teil. Auf der Webseite der »Patriotischen Plattform« feierte deren Vorstand dies mit einem langen Artikel mit dem Titel »Wir sind Identitär!«. Am 12. Juni rief Mandic auf seiner Facebookseite dazu auf, an die »Identitäre Bewegung« zu spenden. Am 26. Juni veröffentlichte Mandic selbst einen Artikel auf der Seite der »Patriotitischen Plattform«, in dem er schreibt: »Sowohl die AfD und vor allem die JA sind personell mit der IB (Identitäre Bewegung, Anmerkung d.V.) verbunden. Dies folgt schlicht aufgrund ähnlicher politischer Zielsetzung. […] Zum Schutze unserer Partei dränge ich auf ein Funktionärsverbot. Vorstände der JA oder AfD sollten nicht gleichzeitig in führender Funktion bei der IB tätig sein. Dies ist unser Tribut an das System. Gleichwohl plädiere ich nun aber auch für eine inhaltliche Zusammenarbeit mit der IB.«
Das Äquivalent zu Pegida
Dubravko Mandic ist eine Kernfigur, wenn es um den faschistischen Flügel der AfD in Baden-Württemberg geht. Bereits 2014, nach dem HoGeSa Aufmarsch am 26. Oktober 2014, sprach Mandic mit dem extrem rechten Internet Portal »Breitbart London« über den Aufmarsch. Er beschrieb ihn als spontane Notwenigkeit der »Hooligan- und nationalistischen Szene, Stärke zu zeigen« und leitet daraus einen Führungsanspruch der AfD in Deutschland ab. Von Mandic stammt das Zitat: »Von der NPD unterschieden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte.« In Baden-Württemberg sind die Ableger der Pegida-Bewegung klein und können vergleichsweise wenig ausgreifen. Allerdings haben Mandic, Frohnmaier und die Junge Alternative Freiburg gute Kontakte zur »Identitären Bewegung«. Diese Zusammenarbeit ist das baden-württembergische Äquivalent zur Nähe zu Pegida in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
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