Der langjährige Boom am Immobilienmarkt, der den Baulöwen, Spekulanten und den Wohnungsbaugesellschaften fantastische Gewinne in die Kassen gespült hat, ist vorerst vorbei. Die Preise für Eigentumswohnungen oder gleich ganze Mietshäuser sind inzwischen gesunken. Die Mieten aber steigen umso schneller. Warum das so ist und welche Lösungen es gibt, erklärt Jürgen Ehlers
Von 1950 bis Ende 2021 hat sich die Zahl der Wohnungen in Deutschland, wenn man West- und Ostdeutschland zusammenrechnet, um 173 Prozent erhöht. In diesem Zeitraum ist die Bevölkerung aber nur um 20 Prozent gewachsen. Trotzdem sind die Mieten allein in den letzten 10 Jahren in den Ballungszentren zwischen 50 Prozent – so wie in Stuttgart – oder gar um 100 Prozent – so wie in Berlin – gestiegen. Lag die durchschnittliche Miete 2020 noch bei 9,50 Euro/m², liegt sie 2023 bereits bei 14,46 Euro/m², Tendenz weiter steigend. Das hat verheerende Folgen.
Ein immer größerer Teil der Einkommen muss für die Miete aufgewendet werden. In 77 Großstädten Deutschlands mussten bereits vor fünf Jahren über 40 Prozent aller Haushalten mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnkosten aufwenden. Eine Folge dieser Entwicklung ist, dass die Menschen Wohnungen in Kauf nehmen, die zu klein sind. Heute sind in den Großstädten bereits mehr als 15 Prozent der Wohnungen überbelegt. Gleichzeitig ist der durchschnittliche Wohnflächenverbrauch in Deutschland mit gut 55 m² pro Person so hoch wie noch nie.
Mieten: Was läuft schief?
Diese Entwicklung zeigt zweierlei. Zum einen sagt die stagnierende Bevölkerungszahl nichts darüber aus, dass es prosperierende, stagnierende und im Niedergang befindliche Regionen im Land gibt. Da die Menschen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes wohnen müssen, hält der Zuwanderungsdruck auf die Ballungszentren an, in denen neue Jobs entstehen. Berlin beispielsweise ist in den zurückliegenden 30 Jahren um 445.000, Frankfurt um 130.000 Einwohner:innen gewachsen. Nach der Wiedervereinigung sind etwa 1 Millionen Menschen von Ost- nach Westdeutschland gezogen, weil dort ganze Regionen deindustrialisiert worden sind. Jahrzehnte zuvor hat sich – wenn auch in kleinerem Maßstab – etwas ähnliches im Ruhrgebiet abgespielt. Duisburg beispielsweise hatte 1975 fast 600.000 Einwohner:innen, heute sind es dagegen 100.000 weniger. In allen Fällen hat der Verlust von Arbeitsplätzen den Wegzug der Menschen ausgelöst und damit in den betroffenen Regionen leerstehende Wohnungen zur Folge gehabt.
Die tiefere Ursache dieser Entwicklung ist die kapitalistische Konkurrenzwirtschaft, die ohne Rücksicht auf die Interessen der davon betroffenen Menschen nur das Recht des ökonomisch Stärkeren gelten lässt. Die Folge ist eine gigantische Energie- und Ressourcenverschwendung. Die nicht mehr benötigten Wohnungen werden abgerissen, obwohl sie weiter nutzbar wären. Im Kapitalismus ist die Wohnungsfrage nicht lösbar. Aber die sozialen und ökologischen Folgen der zerstörerischen Profit- und Konkurrenzwirtschaft lassen sich verringern.
Bauen am Bedarf vorbei
Zum anderen zeigt sich, dass die vielen Wohnungen, die in den vergangenen Jahren in den prosperierenden Ballungszentren entstanden sind, am Bedarf vorbei gebaut worden sind. Es ging nicht darum, einen wachsenden Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu befriedigen, sondern möglichst hohe Renditen zu erzielen. Die neu entstandenen Wohnungen sind deswegen viel zu teuer und sie sind in vielen Fällen nur Anlageobjekte, die immer oder zeitweise leer stehen. Wie hoch der Leerstand tatsächlich ist, wird nicht systematisch erfasst. Folgt man den veröffentlichten Hochrechnungen oder Schätzungen, dann ist die Leerstandsquote in den Ballungszentren eine zu vernachlässigende Größe. Für München beispielsweise wird sie – so wie auch für Frankfurt – von Empirica, einem privaten Forschungsinstitut, mit nur 0,2 Prozent angegeben. Die Stadt München kommt dagegen nach einem aktuellen Mikrozensus auf rund 20.000 Wohnungen, das entspricht fast 3 Prozent des Bestands. Von denen steht mehr als die Hälfte seit mehr als einem Jahr leer.
Dazu kommt, dass viele Wohnungen in den begehrten Altbaubeständen vor allem in den letzten fünfzehn Jahren infolge von Modernisierungen, verschwunden sind. Kleinere Wohnungen sind, nachdem die Altmieter:innen verdrängt worden sind, zu größeren zusammengelegt worden, da sich diese hochpreisig vermarkten lassen. Oder Wohngebäude sind gleich ganz abgerissen worden, um das Grundstück mit einer anschließenden Neubebauung profitabler ausnutzen zu können. Für Berlin bedeutete das für 2022, dass den 17.310 Wohnungen, die in diesem Jahr fertiggestellt worden sind, 965 Wohnungen gegenüberstanden, die im gleichen Zeitraum verschwunden sind. Auf den ersten Blick scheint das kaum erwähnenswert, aber bei den abgerissenen oder zusammengelegten Wohnungen handelt es sich in der Regel um sehr preiswerten Wohnraum. Über einen längeren Zeitraum fällt dieser Verlust dann deutlich ins Gewicht.
Profite mit der Miete
Außerdem sind in Berlin von 2015-2021 insgesamt 119.804 Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Für die MieterInnen in diesen Wohnungen war das kein gutes Zeichen. In den meisten Fällen drohte entweder eine Eigenbedarfskündigung oder eine kräftige Mieterhöhungen, um die Kapitalanlage möglichst profitabel zu gestalten.
Auch beim Neubau von Wohnungen wird erfolgreich nach Möglichkeiten der Profitmaximierung gesucht, in dem gesetzliche Regelungen zur Drosselung des Mietanstiegs umgangen werden. Ein Drittel der Neubauwohnungen werden heute deswegen in den Ballungszentren bereits als »möbliertes Wohnen« angeboten. Ein einfacher Weg, um den durch die ortsübliche Vergleichsmiete eingeschränkten Spielraum für Mieterhöhungen bei einer Neuvermietung zu umgehen. Die Mieten in diesen Wohnungen liegen derzeit bei 29 Euro/m².
Die Wohnungsbaupolitik in Westdeutschland ist immer darauf ausgerichtet gewesen, privaten Investor:innen attraktive Investitionsmöglichkeiten zu bieten. Auch in den Hochzeiten des sogenannten Sozialen Wohnungsbaus nach dem Zweiten Weltkrieg war das nicht anders. Mit dem Sozialen Wohnungsbau sind mietpreisgebundene Wohnungen entstanden. Diese sollten ursprünglich »breite Schichten der Bevölkerung«, die eine bestimmte Einkommensgrenze nicht überschreiten durften, mit bezahlbarem Wohnraum versorgen. Die riesigen Subventionen, die ab den 1950er Jahren für den Sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden sind, gingen bis Ende der 1970er Jahre zu etwa einem Drittel an kommunale und landeseigene Wohnungsbaugesellschaften und zu einem weiteren Drittel an Industrieunternehmen. Die errichteten damit preiswerte Werkswohnungen.
Um private Investor:innen anzulocken und die Renditen auf dem freien Wohnungsmarkt nicht zu gefährden, wurde sichergestellt, dass die Mietpreisbindung nur befristet gilt. Mit dem Auslaufen der Bindung können die Mieten angehoben werden. Aus einer Sozialwohnung wird also mit einem Federstrich eine ganz normale Mietwohnung. Das erklärt, warum die Zahl der Sozialwohnungen seit Jahrzehnten sinkt. Im Vergleich zu früher ist der Neubau von Sozialwohnungen heute nur noch ein Randphänomen.
Mieten-Wahnsinn: Lösung nicht gewollt
Ein Problem, das politische Ursachen hat und keinem Naturgesetz folgt. Der Stadtsoziologe Andrej Holm hat diese Politik schon vor Jahren sehr treffend so zusammengefasst: »Im Kern ist der soziale Wohnungsbau eine Wirtschaftsförderung für private Bauherren mit sozialer Zwischennutzung.«
In Ostdeutschland ist ein anderer Weg beschritten worden, der das Versprechen einer ausreichenden Wohnungsversorgung aber ebenfalls nicht einzulösen vermochte. Um möglichst viel von dem knappen Kapital für den Wiederaufbau von Industrie und Infrastruktur zur Verfügung zu haben, wurde der Wohnungsbau für die Mehrheit der Bevölkerung in der DDR 40 Jahre lang planmäßig vernachlässigt. Die Wohnungsmieten waren zwar sehr niedrig, aber das Neubauvolumen reichte bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Die Altbausubstanz in den Innenstädten wurde dem Verfall preisgegeben, so dass sich die Wohnverhältnisse dort weiter verschlechterten und Wohnungen letztlich sogar unbewohnbar wurden.
Mit dem Ende des Nachkriegsbooms im Westen ging ab dem Ende der 1970er Jahre eine Steuerpolitik einher, die die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Unternehmen stärken sollte. Die Steuereinnahmen fielen entsprechend geringer aus. Das bedeutete, dass die Bundesländer und Kommunen begannen, sich nach anderen Geldquellen umzusehen. Ab den 1980er Jahren sind deswegen die Voraussetzungen geschaffen worden, die riesigen Wohnungsbestände der Öffentlichen Hand schrittweise zu privatisieren.
Tiefpunkt dieser Entwicklung ist 1990 die Abschaffung der Wohnungsgemeinnützigkeit gewesen. Damit entfiel die wichtige indirekte Subventionierung für Wohnungsbaugesellschaften. Die genossen Steuervorteile, wenn sie den größten Teil ihrer Gewinne für den Wohnungsneubau einsetzten. Seitdem gibt es im wirtschaftlichen Gebaren zwischen den privaten und kommunalen oder landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften keinen Unterschied mehr. Was zählt, ist eine möglichst hohe Eigenkapitalrendite. Der alte Bestand an den vielen Sozialwohnungen schaffte dafür die optimalen Voraussetzungen. So sind in Westdeutschland von 1949 bis 1989 rund 4,8 Millionen Sozialwohnungen gebaut worden. 2022 gab es in ganz Deutschland noch gerade einmal knapp 1,1 Millionen davon.
Hohe Mieten trotz niedriger Kosten
Wenn nach dem Auslaufen der Mietpreisbindung, die Mieten in diesen dann ehemaligen Sozialwohnung erhöht werden können, steigt die Eigenkapitalrendite des Eigentümers sprunghaft an. Das obwohl die Mieten zunächst nur in vergleichsweise kleinen Schritten – gegenwärtig zwischen 15 und 20 Prozent alle 3 Jahre – angehoben werden können. Bei einer Neuvermietung orientiert sich die Miete aber sofort am Mietspiegel und droht sich dadurch zu verdoppeln.
Entscheidend aber ist, dass zu diesem Zeitpunkt die Kosten der Baufinanzierung, bestehend aus Zins und Tilgung, wegfallen. Die machen zusammen mehr als die Hälfte der laufenden Gesamtkosten aus. Wie profitabel eine Vermietung ist, hängt nicht allein von den absoluten Kosten ab. Wichtiger ist, zu welchen Konditionen diese finanziert werden. Und in welchem Verhältnis die daraus resultierenden Kosten für Zinsen, Tilgung und Abschreibungen zu den Mieteinnahmen stehen. Fallen die Kosten für Zinsen und Tilgung weg, weil die Kredite abbezahlt sind und erhöhen sich die Mieten nach dem Auslaufen der Mietpreisbindung, dann schnellen die Profite in die Höhe.
Das ist die Erklärung dafür, dass die meisten Wohnungsbaugesellschaften, die sich noch im kommunalen oder landeseigenen Besitz befinden, jedes Jahr riesige Gewinne verbuchen. Ihre Bestände an ehemaligen Sozialwohnungen, sind deswegen vom Verbandschef der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen 2006 sehr treffend als »Goldadern« charakterisiert worden.
Betongold und Spekulationsblase
Die Niedrigzinspolitik der EZB hat nicht die Finanz- und Wirtschaftskrise gelöst. Sie hat stattdessen ab 2009 dazu geführt, dass in den Ballungszentren eine Flucht in Betongold einsetzte. Die Immobilienbranche konnte mit historisch niedrigen Finanzierungskosten in der Planungs- und Bauphase kalkulieren. Gleichzeitig hat sich die Kaufkraft ihrer Kund:innen erhöht, weil sie sich höhere Kredite für den Kauf von Wohnungen leisten konnten. Gebaut wurden deswegen vorrangig hochpreisige Eigentumswohnungen und Reihenhäuser. Kurz zuvor hatte die SPD dafür gesorgt, dass börsengehandelten Immobilienfonds Steuervorteile gewährt werden. Das damit verbundene Ziel war, den Kauf von Wohnungsbeständen der Öffentlichen Hand für international agierende Immobilienfonds noch attraktiver zu machen. Auch der größte Immobilienkonzern Deutschlands – die Vonovia – hat seinen kometenhaften Aufstieg in den zurückliegenden Jahren der Privatisierung von öffentlichen Wohnungsbeständen zu verdanken.
Die niedrigen Zinsen haben so eine Spekulationsblase am Immobilienmarkt entstehen lassen. In den USA hat das Platzen einer Spekulationsblase 2008 mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers die schwerste Finanzkrise seit dem Börsencrash von 1929 ausgelöst. Der Blase in Deutschland entweicht vorerst nur langsam die Luft. Während die Preise für den Kauf von Wohnungen oder Mehrfamilienhäusern sinken, steigen die Wohnungsmieten dagegen weiterhin rasant an. Viele Eigentümer:innen versuchen auf diesem Weg, die Folgen der gestiegenen Kosten für die Baufinanzierung und Bauleistungen zu kompensieren. Das gelingt in ihren Augen nur unzureichend, so dass ihre Renditeerwartungen nicht erfüllt werden. In der Folge werden auch bereits genehmigte Bauprojekte nicht realisiert. Ein böses Erwachen wird es auch für viele Familien geben, die sich ein überteuertes Reihenhaus im Grünen gekauft haben, wenn der günstige Kredit ausgelaufen ist und durch einen teureren ersetzt werden muss.
Was es braucht
Auch das Versprechen der Bundesregierung, jedes Jahr 400.000 Wohnungen – davon 100.000 als Sozialwohnungen – bauen zu lassen, ist dem Ende der Niedrigzinspolitik zum Opfer gefallen. Lediglich 20.000 Sozialwohnungen sind 2022 entstanden. Die gegenwärtige Katastrophe am Wohnungsmarkt zeigt einmal mehr, dass es beim Spiel von Angebot und Nachfrage bei der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum immer nur einen Verlierer gibt. Das sind die »breiten Schichten der Bevölkerung«. In Großstädten hat die Hälfte aller Haushalte heute Anspruch auf eine Sozialwohnung, den sie aber nicht einlösen kann. Die jetzt von der Bundesregierung beschlossene neue Wohnungsgemeinnützigkeit ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Nach Angaben des Wohnungsbauministeriums können damit zunächst 105.000 Wohnungen entstehen, mit Mieten zwischen 6 und 8 Euro. Gemessen am Bedarf kaum mehr als nichts. Positiv ist, dass die Mietpreisbindung nicht befristet sein soll, eine Forderung der Mieter:innenbewegung.
Eine Wohnungsbaupolitik, die der dramatischen Lage auf dem Wohnungsmarkt gerecht wird, muss ganz anders aussehen. Dazu gehört das Verbot, Wohnraum leer stehen zu lassen und dazu gehört eine Wohnraumzwangsbewirtschaftung, um diesen Wohnraum dauerhaft an Wohnungssuchende zu vergeben. Dazu gehört auch ein genereller Mietpreisstopp. Darüber hinaus müssen Sozialwohnungen dauerhaft der Mietpreisbindung unterliegen. Für bereits aus der Mietpreisbindung gefallene Wohnungen muss die Miete auf das ursprüngliche Niveau abgesenkt werden. Vorbild kann hier der Gemeindebau in Wien sein. Der stellt seit fast 100 Jahren sicher, dass kommunale Wohnungen immer der Mietpreisbindung unterliegen. Das sorgt heute für einen vergleichsweise entspannten Wohnungsmarkt in der Metropole.
Die weitergehende Lösung besteht darin, den Bau von Sozialwohnungen gar nicht erst zu subventionieren, denn daran verdienen die Banken kräftig mit. Ein großes Einsparpotential liegt darin, den Kapitalmarkt auszuschalten, indem die Kommunen den Bau komplett aus eigenen Mitteln finanzieren – ein Konzept, das bereits vor 50 Jahren von Wissenschaftler:innen des renommierten Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt entwickelt wurde, als in Westdeutschland 150.000 Sozialwohnungen leer standen. Das war aber nicht etwa die Folge eines Überangebots. Die damals sehr hohen Kapitalmarktzinsen machten so gewaltige Subventionen erforderlich, um die Mieten bezahlbar zu machen, dass die bereitgestellten Steuermittel nicht ausreichten. Das zeigte einmal mehr, dass der Markt – in diesem Fall der Finanzmarkt – kein geeignetes Instrument ist, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Mieter:innenbewegung
Die katastrophale Situation am Wohnungsmarkt, hat immer wieder den Widerstand von Mieter:innen provoziert. Diese versuchen sich in »Häuserkämpfen«, gegen die Verdrängung aus ihren Wohnungen und ständige Mieterhöhungen zu wehren – manchmal mit kleinen Erfolgen. Diese sind wichtig, um den Kampf um das bezahlbare Dach über dem Kopf, der meistens sehr langwierig ist, durch- und auszuhalten. Bisher ist es aber nicht gelungen, aus den isolierten Kämpfen um Häuser mit noch bezahlbarem Wohnraum oder auch ganzen Siedlungen eine breite Mieter:innenbewegung zu machen. Anders als die Gewerkschaftsbewegung können Mieter:innen keinen ökonomischen Druck ausüben. So bleiben größere Erfolge aus und der weitverbreitete Defätismus kann nur für eine kurze Zeit überwunden werden.
Darunter leidet auch die Kampagne »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen!« in Berlin. Sie ist sehr erfolgreich im Sammeln der notwendigen Unterschriften für ein Volksbegehren gewesen, das den Senat aufforderte, die Enteignung von Wohnungskonzernen einzuleiten. Die Kampagne hat zurecht bundesweite Beachtung und Sympathie erfahren. Die Forderung nach Vergesellschaftung hat einen Nerv bei den vielen Mieter:innen getroffen, die sich ihren Vermieter:innen ausgeliefert fühlen.
Der Senat in Berlin hat das Ergebnis des Volksbegehrens gefahrlos aussitzen können. Obwohl die Kampagne von einem breiten Bündnis getragen wurde, ist es nicht gelungen, die vielen Unterstützer:innen nach Abschluss der Sammelaktionen zu Demonstrationen und Kundgebungen auf die Straße zu bringen. Eine Voraussetzung, um der Forderung nach Vergesellschaftung den notwendigen Nachdruck zu verschaffen.
Das Sammeln von Unterschriften kann mobilisierend wirken, wenn es mit der Aufforderung zum eigenen Handeln verbunden ist, um Forderungen durchzusetzen. Geschieht das nicht, dann bekommt die geleistete Unterschrift den Charakter einer Stimmabgabe. So wie bei der Wahl zu einem Parlament, mit den bekannten Folgen für die Durchsetzung der eigenen Interessen.
Foto: Glanz & Gloria Filmproduktion, 1929 / flickr.com / CC BY 2.0
Schlagwörter: Miete, Wohnen, Wohnungsnot