Die Interventionistische Linke hat mit ihrer Broschüre »Das Rote Berlin« einen Kompass durch den Dschungel von Gesetzen und Protestformen im Kampf um Mieten vorgelegt. Clara Dircksen hat sie für uns gelesen
Explodierende Wohnkosten stürzen große Teile der Bevölkerung in Existenzängste, der »Mietenwahnsinn« ist selbst in den bürgerlichen Medien zum Dauerthema geworden. Dagegen formiert sich immer stärkerer Widerstand wegen des Ausverkaufs der Städte und der Verdrängung. Mieterinnen und Mieter schließen sich zusammen und kämpfen gegen Mietsteigerungen, Zwangsräumungen werden blockiert und der Erhalt von Grünflächen gegen Investoren durchgesetzt.
Strategien für die Mietenbewegung
Eigentlich stehen die Zeichen gut für die Entstehung einer starken Bewegung für das Recht auf Wohnen und eine Stadt für alle. Jedoch ist es bisher nur in Einzelfällen gelungen, die vielen Initiativen und ihre Ziele zusammenzubringen. Zu groß erscheint die Kluft zwischen dem konkreten Kampf mit dem jeweiligen Hausbesitzer und dem so richtigen wie weit entferntem Ziel, dass Wohnraum keine Ware sein darf.
Genau hier setzt die neue Broschüre der Interventionistischen Linken (IL) Berlin an. In »Das Rote Berlin: Strategien für eine sozialistische Stadt« schlägt sie eine Strategie vor, wie die Mietenbewegung mit konkreten Reformforderungen auf die Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes hinarbeiten kann. Der Titel der gut 40-seitigen Broschüre bezieht sich auf das »Rote Wien« der Zwischenkriegszeit, wo die sozialdemokratische Stadtregierung, finanziert durch Luxus- und Immobiliensteuern, über 60.000 Sozialwohnungen baute.
Ebenso stützen sich die Autorinnen und Autoren auf eine Auswertung der Kämpfe und Kampagnen in Berlin der vergangenen Jahre, um eine Strategie zu entwickeln, die drei Ziele verfolgt: die Zurückdrängung des privaten Wohnungsmarkts, den Ausbau von Wohnraum als Gemeingut und die Demokratisierung der Verwaltung bestehenden kommunalen Wohnungsbestands.
Vom Volksentscheid bis zur Hausbesetzung
»Das Rote Berlin« beginnt mit einer grundlegenden »Kritik des Wohneigentums«, die auch das bestehende System des sozialen Wohnungsbaus problematisiert. Anschließend werden die drei Schritte, mit denen eine nichtkapitalistische Wohnraumversorgung erkämpft werden soll, in je einem Kapitel vorgestellt und entsprechende Forderungen vorgeschlagen. So enthält das Kapitel »Den privaten Wohnungsmarkt zurückdrängen« mögliche Maßnahmen auf Bundes- und auf Landesebene, behandelt die Probleme von Hartz IV und Wohngeld sowie die Unterbringung von Geflüchteten.
Auch die Kapitel »Ausbau öffentlichen Eigentums« und »Demokratische Selbstverwaltung von Wohnraum« sind in Sinnabschnitte unterteilt, die in konkreten Forderungen münden. Im Kapitel »Wie wir gewinnen können« diskutiert die IL ihre Vorstellung einer außerparlamentarischen Mietenbewegung und stellt mögliche Vorgehensweisen vom Volksentscheid bis zur Hausbesetzung vor.
Eine Schneise durch das Dickicht der Gesetzeslage
Es ist ein großes Verdienst der Autorinnen und Autoren, dass sie die vielfältigen Teilprobleme, -kämpfe und -forderungen in einem knappen und verständlichen Format zusammengeführt haben. Die Schneise, die sie durch das Dickicht der Gesetzeslage geschlagen haben, um daraus konkrete und mögliche Forderungen an die Bundes- und Landesregierung zu formulieren, ist für Aktivistinnen und Aktivisten durchaus hilfreich – zumal in Berlin, wo sich der rot-rot-grüne Senat nur allzu gern mit dem Verweis auf die Zuständigkeit des Bundes vor dem Handeln drückt.
Nützlich sind auch die Infokästen zu Fachbegriffen wie der notorische »Berliner Filz«.
Auch wenn die Analyse des Wohnungsmarkts aufgrund des knappen Formats etwas oberflächlich bleibt und einige der »konkreten« Forderungen (etwa zu »Vergesellschaftungsagenturen«) bereits den gesellschaftlichen Umsturz voraussetzen, hat die IL ein sinnvolles Diskussionsangebot gemacht, das wir als Linke und als LINKE annehmen sollten – nicht nur in Berlin.
Die Broschüre:
Interventionistische Linke (Hrsg.)
Das Rote Berlin: Strategien für eine sozialistische Stadt
Berlin 2017
Als pdf hier zum Download
Schlagwörter: Berlin, Inland, Mieten, Mietenbewegung, Mietenpolitik, sozialer Wohnungsbau, Stadtpolitik, Wohnen, Wohnungsbau, Wohnungspolitik