Die konservative Opposition in Spanien sieht ihre Chance, den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten zu stürzen und scheut dafür auch nicht den Schulterschluss mit der neofaschistischen Rechten. Sergen Vida über ein brandgefährliches Spiel
Man stelle sich vor, in Deutschland würden Union und FDP zu einer bundesweiten Demonstration mit AfD, NPD und faschistischen Kameradschaften aufrufen und dafür auch noch kostenlose Busse aus beliebig vielen Städten zur Verfügung stellen. Genau das passiert heute in Spanien.
Unter dem Motto »Für ein vereintes Spanien: Wahlen jetzt!« gingen heute Zehntausende in Madrid auf die Straße. Zu den Protesten aufgerufen hatte die konservative Opposition aus Partido Popular (PP) und Ciudadanos (Cs), aber auch die rechtsradikale Vox sowie faschistische Organisationen wie Falange oder Hogar Social. Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren mit von der PP kostenlos zur Verfügung gestellten Bussen aus allen Landesteilen angereist. Neben der »Einheit Spaniens« fordern sie den Rücktritt von Ministerpräsident Pedro Sanchez und Neuwahlen.
Stärkung der radikalen Rechten
Seit dem politischen Erdbeben vom 2. Dezember tritt die politische Rechte in Spanien gestärkt in den Parlamenten und auf der Straße auf. Die Regionalwahlen in Andalusien und der damit verbundene erstmalige Einzug der rechtsradikalen bis neofaschistischen Vox in ein Landesparlament markiert eine politische Zäsur. Nicht nur, dass eine Partei rechts von der nationalkonservativen PP in Erscheinung tritt, sie ist nun auch Teil der Landesregierung mit PP und Cs. Nach 37 Jahren sozialdemokratischer Regierung hat die Partido Socialista Obrero Español (PSOE) in ihrem Stammland eine schwere Niederlage eingefahren. Die konservative Schwesterpartei der CDU/CSU war bereit, mit jeder Partei im rechten Lager zu koalieren, solange sie an die Regierung kommt.
Die Wahl in Andalusien war stark geprägt durch die Auseinandersetzung um die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien, in der viele Menschen in Andalusien eine Bedrohung sehen, da der Süden Spaniens nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung vom reicheren Norden erhält. Der Diskurs wurde maßgeblich von PP und Cs geprägt, die auch auf rassistische Hetze gegen Flüchtlinge setzten, was der Vox massenhaft Stimmen bescherte.
Vox: Zentralismus, Rassismus und Sexismus
Die Vox wurde im Jahr 2013 von ehemaligen PP Mitgliedern gegründet und ist insbesondere stark in den einstigen konservativen Hochburgen, wie der Provinz Almeria. In der von gigantischen Gewächshäusern geprägten Gegend, in der vor allem illegalisierte Menschen aus Afrika unter brutalen Bedingungen arbeiten, konnte Vox sogar einen Wahlbezirk für sich gewinnen. In El Ejido, einer der reichsten Städte Spaniens, liefen 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler zur Vox über.
Die ultra-zentralistische Partei will jeglichen Autonomiestatus auflösen, Geflüchtete ausweisen und der großen feministischen Bewegung der letzten Jahre Einhalt gebieten. In Andalusien plant sie hierzu bereits gemeinsam mit PP und Cs das Gesetz zum Schutz vor Gewalt in der Ehe zu streichen, obwohl seit 2003 mehr als eintausend Frauen durch ihre Lebensgefährten ermordet worden sind – die Dunkelziffer liegt noch um ein vielfaches höher.
Spaniens offen faschistische Rechte
Nicht einmal vierzig Jahre nach dem Ende der franquistischen Diktatur scheint die faschistische Rechte in Spanien wieder an Popularität zu gewinnen. Die viel zu geringe Auseinandersetzung mit der dunklen Vergangenheit führt dazu, dass Neoliberale und Konservative ohne Probleme mit offen faschistischen Kräften paktieren und nun sogar auf die Straße gehen. Neben Vox hatten auch die Organisationen Falange und Hogar Social zu der Demonstration in Madrid mobilisiert.
Falange sieht sich in der Tradition der Falangisten, einer faschistischen Massenbewegung während des Spanischen Bürgerkriegs, die nach dem Sieg Francos mit den monarchistischen Carlisten zur Staatspartei vereinigt wurde. Auch Hogar Social präsentiert sich offen in der Tradition des spanischen Faschismus. Der landesweit aktiven Gruppe gehören Häuser in ganz Spanien, in denen sie soziale Dienste »nur für Spanier« anbietet, faschistisches Gedankengut verbreitet und von denen aus sie Angriffe gegen Linke, Muslime und LGBT plant und ausführt.
Probleme der spanischen Linken
Trotz des gefährlichen Erstarkens der Rechten sehen aktuelle Wahlumfragen die sozialdemokratische PSOE mit 30 Prozent der Stimmen als stärkste Partei, gefolgt von Cs mit 17 Prozent, Unidos Podemos und PP mit jeweils 15 Prozent und Vox mit 6,5 Prozent. Gemeinsam mit dem linken Parteibündnis Unidos Podemos hatte die PSOE zum neuen Jahr einen deutlichen Anstieg des Mindestlohns durchgesetzt. Überraschenderweise ist der zweitbeliebteste Politiker Spaniens Alberto Garzón von der kommunistischen PCE.
Dennoch dürfen der Aufstieg der Vox und die Gefahr durch die offene Zusammenarbeit der PP mit den Rechtsradikalen nicht unterschätzt werden. Einer der Gründe für den Wahlerfolg der Rechten in Andalusien war die extrem geringe Wahlbeteiligung von gerade einmal 40 Prozent. Dies ist auch Ausdruck der Schwäche der spanischen Linken. Das einst hoffnungsvolle Parteiprojekt Podemos hat in den letzten Jahren unter der Führung von Pablo Iglesias einen scharfen Wandel von einer aktivistischen Bewegungspartei hin zu einer parlamentsfixierten und ganz auf Wahlen ausgerichteten Kraft vollzogen. Die fortschreitende Entmachtung der Basiszirkel als Orte der Selbstorganisierung schwächte jedoch auch die Dynamik an den Wahlurnen.
Antifaschismus und der Frauenstreik
Außerdem spaltet sich Podemos momentan an internen Streitigkeiten. Die Ankündigung der Bürgermeisterin von Madrid, die noch 2015 als Spitzenkandidatin des Linksbündnisses antrat, mit einem weiteren hochrangigen Mitglied von Podemos eine eigene Liste für die anstehenden Wahlen in Madrid aufzustellen, schwächt die gesellschaftliche Linke, während die konservative »Mitte« unverhohlen mit Rechtsradikalen und Faschisten auf die Straße geht.
Für die nächsten Monate wird es für die gesamte Linke eine Hauptaufgabe, durch massenhafte antifaschistische Mobilisierungen die Rechten zurückzudrängen und zu isolieren, gerade auch im Hinblick auf die kommenden Kommunal-, Regional- und Europawahlen im Mai. In den letzten Wochen hat die spanische Linke mehrfach im ganzen Land bewiesen, dass sie in der Lage ist, die Rechten auf der Straße zu schlagen. Vor allem die riesige feministische Bewegung ist ein Garant antifaschistischer Arbeit und ruft zum Frauenkampftag am 8. März wieder zu Streiks auf, diesmal wahrscheinlich mit einem zusätzlichen Schwerpunkt auf Antirassismus.
Foto: Vox España
Schlagwörter: Faschismus, Podemos, Rechte, Spanien