Wer vom rechten Terror spricht, sollte über den Rassismus der bürgerlichen »Mitte« nicht schweigen. Antirassismus und Antifaschismus sind zwei Seiten derselben Medaille, meint Ferat Kocak
Keine sechs Monate ist es her, dass ein Rassist in Hanau zehn Menschen ermordete. Die Tat war alles andere als ein »Einzelfall«. Hanau steht sinnbildlich für alle rassistischen Morde und rechten Terroranschläge in Deutschland seit 1945.
Auch ich wurde Opfer von rechtem Terror
Es sollte uns eine Warnung sein, insbesondere uns von Rassismus betroffenen Menschen, sich zu organisieren und sich nicht spalten zu lassen im Kampf gegen Rassismus und Faschismus. Denn dem Täter war es egal, was das für Menschen waren, die er dort ermordete. Für ihn waren alle in dieser Shishabar das, was Politik und Presse seit Jahren als Problem heraufbeschwören.
Spitze des Eisbergs
Auch ich wurde Opfer von rechtem Terror. Im Februar 2018 wurde nachts mein Auto angezündet. Die Flammen sprangen auf die Garage über und fast auch auf die Gasleitung und das Wohnhaus, in dem ich und meine Eltern schliefen. Später kam heraus, dass zwei polizeibekannte Nazis gezielt meinen Wohnort ausspioniert hatten – und dass die Polizei davon wusste. Trotzdem warnten sie mich nicht. Ich musste am eigenen Leib die Erfahrung machen, dass der Staat im Kampf gegen rechts keine Hilfe ist, sondern Teil des Problems.
Rechter Terror ist nur die Spitze des Eisbergs. Es ist wichtig, den Blick nicht nur auf denjenigen zu richten, der die Waffe in der Hand hält, sondern auch auf den Rassismus in der sogenannten Mitte der Gesellschaft, der tief bis in die staatlichen Strukturen hineinreicht. Wenn wir über geistige Brandstifter sprechen, müssen wir nicht nur die AfD beim Namen nennen, sondern auch die Springerpresse, Thilo Sarrazin oder Horst Seehofer und all jene »bürgerlichen« Kräfte, die den Rassismus in unserer Gesellschaft, insbesondere den antimuslimischen, salonfähig machen.
Rassismus und Faschismus
Nach dem rechten Anschlag auf mich und meine Familie sowie den Erkenntnissen zum Versagen der »Sicherheitsbehörden« war es mir wichtig, den Kampf gegen Rassismus und Faschismus zu vereinen. Denn beides ist richtig: »Deutschland hat ein Rassismusproblem« und »Deutschland wurde nie wirklich entnazifiziert«. Antirassismus und Antifaschismus sind zwei Seiten derselben Medaille. Das heißt: Alltagsrassismus und institutionellen Rassismus bekämpfen, um den Zustrom zum rechten Rand zu stoppen, und durch antifaschistische Arbeit Nazis in Parlamenten, Behörden und auf der Straße zurückdrängen.
Betroffene gehen selbst auf die Barrikaden
Seit Hanau und insbesondere auch seit der Ermordung von George Floyd in den USA haben wir eine neue Stufe des antirassistischen und antifaschistischen Widerstands in Deutschland erreicht. Betroffene gehen selbst auf die Barrikaden und halten der Gesellschaft den Spiegel vor. Aufgabe der nicht von Rassismus betroffenen zivilgesellschaftlichen und politischen Akteure ist es, diesem Widerstand die eigenen Strukturen zu öffnen und konkrete Solidarität zu zeigen.
Foto: Der Neuköllner
Schlagwörter: Rassismus, rechter Terror