Rachel Carson war eine Begründerin der modernen Umweltbewegung. Die jüngst erschienene Biografie zeigt, warum sie auch für heutige Aktivistinnen und Aktivisten ein Vorbild sein kann – und lässt erkennen, warum Wissenschaft und Poesie zusammengehören. Von Peter Oehler
Die »Pionierin der Ökologiebewegung« Rachel Carson ist heute vor allem für ihr 1962 erstmals erschienenes Buch »Der stumme Frühling« bekannt. In diesem Buch warnte sie vor den Gefahren des Einsatzes von Pestiziden. Dabei hatte die studierte Meeresbiologin bereits zuvor mit drei Werken über das Leben im Ozean Bekanntheit erlangt. Ihre meereskundliche Trilogie wieder mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit zu rücken, war für den Autor Dieter Steiner eine Motivation, Carsons Biografie zu schreiben. Für ihn stellen die Bücher ein »Zeugnis für die Einheit des Lebens« dar: Carson zeige darin ein Verständnis für vernetzte ökologische Zusammenhänge.
Als Wissenschaftlerin verfolgte Carson dabei selbst einen ganzheitlichen Ansatz, führt Steiner aus, indem sie sich auch der Poesie bediente: »Das Emotionale im Poetischen und das Verstandesmäßige im Wissenschaftlichen, konnten, nein mussten kombiniert werden, (…) wollte man der Wahrheit der Dinge näher kommen, (war) Poesie ein notwendiges Medium.«
Kampf gegen DDT
Die Biografie widmet sich jedoch auch ihrem bekanntesten Werk über die Pestizidproblematik der flächendeckenden Sprühprogramme, zum Beispiel mit DDT. Ihre Entscheidung, sich diesem »unappetitlichen Thema« zuzuwenden, entsprang einer »feierliche(n) Verpflichtung (…) zu tun was ich konnte – wenn ich es nicht zumindest versuchte, hätte ich nie mehr glücklich in der Natur sein können«. Carson hatte den Zusammenhang zwischen dem Einsatz gefährlicher Chemikalien und der Zunahme krebsartiger Erkrankungen klar erkannt. Es ist gewissermaßen eine Ironie der Geschichte, dass sie selbst 1964 mit nur 56 Jahren an Krebs starb.
Linke und Wissenschaftlerin
Der Ökosozialist John Bellamy Foster bezeichnet Carson in seinem Buch »Die ökologische Revolution« als eine »Frau der Linken«. Sie sei »Teil einer größeren Rebellion unter Wissenschaftlern und linken Denkern in den 1950er- und 1960er-Jahren« gewesen. Aus der dann die moderne Umweltbewegung hervorging. Steiner beschreibt Carson als »Teil eines Netzwerks (…), das sich aus Leuten zusammensetzte, die nicht wirtschaftliche Erfolge im Auge hatten, sondern sich echte Sorgen über eine wachsende Vergiftung der Umwelt machten«. Carson nahm sich selbst wahrscheinlich nicht als Linke im eigentlichen Sinne wahr, sondern als eine Frau, die durch ihre Erkenntnisse ein kritisches Bewusstsein entwickelte. Aus heutiger Sicht sind ihre Argumente aber klar als links zu bewerten. Sie äußerte sich kapitalismuskritisch, beispielsweise: »Es ist (…) ein Zeitalter, das von der Industrie beherrscht wird, in dem das Recht, um jeden Preis Geld zu verdienen, selten angefochten wird.« Überdies war zu ihrer Zeit die Ökologie noch eine »subversive, wirtschaftsfeindliche Wissenschaft«.
Carson als Vorbild
Aber was bringt ihre Biographie für Aktivistinnen und Aktivisten heute? Sie zeigt, dass auch ein einzelner Mensch etwas erreichen kann, selbst im Kampf gegen die Großindustrie. Sie zeigt aber auch (in ihrem Scheitern), dass immer nur die krassesten und offensichtlichsten Fehlentwicklungen der Industrie behoben werden. Die schleichende Vergiftung durch Pestizide und ähnliche Chemikalien wurde durch strengere Gesetzgebungen zwar abgemildert. Sie wurde aber auch in geordnete Bahnen gelenkt und geht so munter weiter. Das war aber auch Carson bewusst. »Legt man Höchstmengen fest, bedeutet dies im Endergebnis, dass man es gutheißt, wenn die Lebensmittel, mit denen das Volk versorgt wird, mit giftigen Chemikalien verunreinigt werden.«
Letztendlich ist es nicht das Entscheidende, ob man sich als links bezeichnet, es kommt auf das Engagement an. In Carsons Worten: »Es genügt nicht, einer sogenannten Autorität zu trauen. Was dringend benötigt wird, ist ein Sinn für persönliche Verantwortung.«
Buch: Dieter Steiner: Rachel Carson – Pionierin der Ökologiebewegung Eine Biographie
360 Seiten | 2014 | EUR 19,95
Foto: Changhua Coast Conservation Action
Schlagwörter: Buch, Bücher, Buchrezension, Kultur, Ökologie, Peter Oehler, Umweltbewegung, Umweltverschmutzung