Die Streikbewegung für mehr Personal im Krankenhaus geht in die nächste Runde. Die Berliner Charité hat die Lunte gelegt, jetzt brennt sie im Saarland. Fünf Gewerkschaftsaktivistinnen und Unterstützer berichten uns über den Pflegeaufstand, die Demokratisierung ihrer Streiks und die Notwendigkeit von Solidarität
Katharina Stierl ist Gesundheits- und Krankenpflegerin aus Leipzig. Momentan unterstützt sie für ver.di die Kolleginnen und Kollegen im Saarland in der Tarifauseinandersetzung für mehr Personal im Krankenhaus
Das System Krankenhaus beruht auf einer extrem starken Hierarchie, was zu permanentem Druck auf die Beschäftigten führt. Gerade wir Krankenpflegerinnen sind diesem Druck aus verschiedenen Richtungen ausgesetzt. Er entsteht vor allem dadurch, dass Anforderungen an uns gestellt werden, die wir schlicht nicht erfüllen können. Die Leitungen verlangen, dass wir möglichst schnell und profitorientiert arbeiten. Die Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen wünschen sich natürlich, dass wir gute Pflege leisten und uns Zeit für sie nehmen. Sie sind auf uns angewiesen und geben sich vertrauensvoll in unsere Hände.
Der Personalmangel führt jedoch dazu, dass wir diesen Anforderungen nie in vollem Umfang gerecht werden können. Die Folgen sind ständige moralische und berufsethische Konflikte. Das ständige Gefühl den eigenen Ansprüchen an gute Pflege nicht zu genügen, hat mich letztlich aus dem Beruf vertrieben. Ich habe im Juni 2016 die Arbeit als Krankenpflegerin beendet, da für mich die Umstände einfach nicht mehr tragbar waren.
Ich bin froh, Teil dieser Bewegung zu sein
Nun bin ich im Saarland — zurück im Krankenhaus. Aber diesmal nicht um zu pflegen, sondern um die Kolleginnen in ihrer Tarifbewegung für Entlastung zu unterstützen. Es ist das erste Mal, dass ich tatsächlich an Veränderung glaube. Viele Kolleginnen und Kollegen hier schließen sich momentan der Bewegung an, weil sie erkennen, dass es der einzige Weg aus der Misere ist. Schon zu lange warten wir auf Veränderung. Das Thema Personalmangel und Entlastung als gewerkschaftliche Auseinandersetzung anzugehen, ist der einzig mögliche Weg für bessere Arbeitsbedingungen und für eine gute Pflege zu kämpfen. Ich bin sehr froh, ein kleiner Teil dieser Bewegung zu sein.
Hier geht es zu den weiteren Statements von Grit Wolf, Meike Saerbeck, Bernd Riexinger und Daniel Anton.
Mach mit.
Solidaritätsarbeit: Du willst auch in deiner Stadt die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus in ihrer Auseinandersetzung für mehr Personal unterstützen und suchst nach Ideen, wie das geht, oder nach potenziellen Verbündeten und bereits bestehenden Solidaritätsstrukturen? Dann melde dich bei uns, wir helfen gerne weiter! Einfach E-Mail an redaktion (ät) marx21.de
Informationen: Wie es im Saarland und mit dem bundesweiten Aufstand der Pflege weitergeht, erfährst du auf unserer Homepage marx21.de. Dort begleiten wir die Bewegung mit Artikeln, Interviews und Hintergrundberichten und halten dich immer auf dem Laufenden.
Debatte: Auch auf unserem Kongress »MARX IS’ MUSS 2017« werden der Streikbewegung im Krankenhaus mehrere Veranstaltungen gewidmet. Unter anderem sprechen auch Grit Wolf, Meike Saerbeck und Bernd Riexinger. Jetzt anmelden!
Foto: Pflegestreik Saar
Schlagwörter: Betten- und Stationsschließungsstreik, Entlastung, Gewerkschaft, Krankenhaus, Krankenhausstreik, mehr Personal, Pflege, Pflegeaufstand, Pflegenotstand, Pflegestreik, Saarland, Streik, Tarifbewegung, Ver.di, Verdi