Die Streikbewegung für mehr Personal im Krankenhaus geht in die nächste Runde. Die Berliner Charité hat die Lunte gelegt, jetzt brennt sie im Saarland. Fünf Gewerkschaftsaktivistinnen und Unterstützer berichten uns über den Pflegeaufstand, die Demokratisierung ihrer Streiks und die Notwendigkeit von Solidarität
Bernd Riexinger ist Parteivorsitzender der LINKEN. Als langjähriger Geschäftsführer des ver.di-Bezirks Stuttgart war er an der Entwicklung von Strategien für eine Demokratisierung von Streikbewegungen beteiligt. Heute setzt er sich für eine aktive Unterstützung der LINKEN von gewerkschaftlichen Kämpfen ein.
Der seit Jahren von der Bundesregierung ignorierte Pflegenotstand hat gefährliche, zum Teil tödliche Folgen: In Krankenhäusern, in denen eine Pflegekraft sechs oder weniger Patientinnen und Patienten zu versorgen hat, ist die Sterblichkeit um 20 Prozent niedriger ist als in den Häusern, in denen es mehr als zehn Patienten sind. In Deutschland versorgt eine Pflegekraft im Schnitt jedoch 10,3 Menschen. Das macht auch die Beschäftigten krank: Alten- und Krankenpflegerinnen und -pfleger sterben im Schnitt zehn Jahre früher als andere Beschäftigte. Kliniken und Pflegeheime brauchen dringend mehr Personal und es braucht gesetzliche Vorgaben, die sich am Bedarf und nicht an vermeintlichen Sparzwängen und Aktionärsrenditen orientieren.
Ein Arbeitskampf, der Geschichte schreiben könnte
Im Saarland gab es bereits Warnstreiks. Im Jahr der Bundestagswahl könnte es zu einem bundesweiten Arbeitskampf kommen, der Geschichte schreibt. Die Gelegenheit ist gut. Wenn es im Wahljahr gelingt, eine bundesweite Streikbewegung mit starker gesellschaftlicher Unterstützung auf die Beine zu stellen, könnten konkrete Erfolge erreicht werden. Dafür ist es wichtig, den Arbeitskampf konsequent zu einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung um Pflege und Gesundheitsversorgung zu machen und ihn mit den Interessen von Patientinnen und Patienten sowie anderen Beschäftigtengruppen zu verbinden. Slogans wie »Mehr von uns ist besser für alle« oder »Streiken gegen die Burn-out-Gesellschaft« bringen das auf den Punkt.
Als LINKE werden wir die Streiks und Aktionen weiterhin tatkräftig unterstützen. Schon im letzten Jahr haben wir den Schwerpunkt der Kampagne »Das muss drin sein« auf die Forderung nach 100.000 zusätzlichen Pflegekräften und Einführung einer gesetzlichen Personalbemessung gelegt. Vom Internationalen Frauenkampftag am 8. März bis zum Tag der Pflege am 12. Mai wollen wir nachlegen und bundesweit Beschäftigte in Krankenhäusern ansprechen und mit öffentlichen Aktionen die gewerkschaftlichen Aktivitäten unterstützen.
Die öffentliche Unterstützung ist entscheidend
Neben einer demokratischen Organisation der Streiks durch die Aktiven selbst und einer klugen Streiktaktik, die Durchhaltevermögen mit unkonventionellen Aktionen und Streikformen verbindet, entscheidet vor allem die öffentliche Unterstützung über einen Erfolg. Deshalb sollten wir als LINKE aktiv in Unterstützungsbündnissen mitarbeiten oder diese gemeinsam mit Beschäftigten, ver.di und lokalen Bündnispartnern auf den Weg bringen. Um die Unterstützung der Bevölkerung zu gewinnen, sollten wir deutlich machen, dass die Forderungen nach mehr Personal in Pflegeheimen und Krankenhäusern, nach einer besseren Bezahlung und Anerkennung der überwiegend von Frauen geleisteten Arbeit und nach guter Gesundheitsversorgung und Pflege für alle zusammengehören. Das Geld dafür ist da, alleine der politische Wille fehlt. Mit einer gerechten Besteuerung der 880.000 in Deutschland lebenden Millionäre könnten nicht nur die fehlenden 100.000 Pflegekräfte locker finanziert werden.
Hier geht es zu den weiteren Statements von Katharina Stierl, Grit Wolf, Meike Saerbeck und Daniel Anton.
Mach mit.
Solidaritätsarbeit: Du willst auch in deiner Stadt die Kolleginnen und Kollegen im Krankenhaus in ihrer Auseinandersetzung für mehr Personal unterstützen und suchst nach Ideen, wie das geht, oder nach potenziellen Verbündeten und bereits bestehenden Solidaritätsstrukturen? Dann melde dich bei uns, wir helfen gerne weiter! Einfach E-Mail an redaktion (ät) marx21.de
Informationen: Wie es im Saarland und mit dem bundesweiten Aufstand der Pflege weitergeht, erfährst du auf unserer Homepage marx21.de. Dort begleiten wir die Bewegung mit Artikeln, Interviews und Hintergrundberichten und halten dich immer auf dem Laufenden.
Debatte: Auch auf unserem Kongress »MARX IS’ MUSS 2017« werden der Streikbewegung im Krankenhaus mehrere Veranstaltungen gewidmet. Unter anderem sprechen auch Grit Wolf, Meike Saerbeck und Bernd Riexinger. Jetzt anmelden!
Foto: rosalux-stiftung
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