Die Haltung der USA gegenüber Nordkorea ist Teil ihrer Strategie, um sich gegen China und ihre anderen imperialistischen Konkurrenten durchzusetzen. Unser Autor Young-ik Kim aus Südkorea erklärt, warum die rivalisierenden Interessen der vier Mächte USA, China, Japan und Russland ein Hindernis für Frieden in der Region sind
Nordkoreas jüngste Tests mit ballistischen Raketen veranlassten US-Präsident Trump dazu, mit »Feuer und Wut« zu drohen. Die erhöhte Spannungslage auf der koreanischen Halbinsel wird wohl nicht unmittelbar zu einem Krieg führen. Mit Sicherheit aber wird sie zu wachsender Instabilität in der Region beitragen. Die Ursache hierfür ist die zunehmende Rivalität zwischen den imperialistischen Mächten.
Das Säbelrasseln wird lauter
China erlebt dieses Aufflackern von Spannungen im Osten und befindet sich gleichzeitig in einer scharfen Konfrontation über territoriale Ansprüche mit Indien. Indien beobachtet Chinas Vordringen in den Indischen Ozean mit wachsender Sorge, und diese Angst treibt die indische Regierung, sehr zur Freude der Vereinigten Staaten, in engere Bündnisse mit Japan und den USA. Im Juli, als die indische und die chinesische Armee sich an einem umstrittenen Grenzbereich gegenüberstanden, führten die USA, Japan und Indien ein großangelegtes Marine-Manöver im Indischen Ozean durch, bei dem Flugzeugträger zum Einsatz kamen. Im August vereinbarten Washington und Delhi Gespräche zwischen den Außen- und Verteidigungsministerien.
Auch das Südchinesische Meer ist zunehmend umkämpft. Im August verstärkte Vietnam seine militärische Zusammenarbeit mit den USA, was dazu führen soll, dass demnächst zum ersten Mal seit 1975 ein US-Flugzeugträger in Vietnam andocken wird. Derweil verschlechtern sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und China zusehends. Trump hat per Dekret angeordnet, dass angebliche Verletzungen geistiger Eigentumsrechte durch chinesische Firmen untersucht werden sollen.
Was ist der Grund für den Konflikt mit Nordkorea?
Das Kräftemessen zwischen den USA und Nordkorea muss im Zusammenhang mit diesen Entwicklungen gesehen werden. Washington versucht, asiatische Staaten für sich zu gewinnen, um gemeinsam Chinas Aufstieg einzuhegen. So arbeitet Trump daran, den Druck auf Peking zu erhöhen. Es ist kein Zufall, dass Spannungen im Himalaya, der Straße von Taiwan und der koreanischen Halbinsel gleichzeitig aufflammten.
Trump ließ im April einen Teil des US-Raketenabwehrsystems, die Terminal High Altitude Area Defense (THAAD), nach Südkorea verlegen. Die »Bedrohung« durch Nordkorea wurde als Vorwand benutzt, aber das eigentliche Motiv war die Verstärkung von US-Anlagen, mit denen chinesische Raketen abgefangen werden können, sollte dies nötig werden. Als Reaktion auf den wachsenden Druck aus Washington hatte der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Eun schon im Januar dieses Jahres einen Test mit interkontinentalen Raketen (ICBM) angedroht. Im Juni dann bot Pjöngjang ein vorläufiges Ende seiner nuklearen und Raketentests unter der Bedingung an, dass die USA und Südkorea ihre gemeinsamen Militärmanöver einstellen. Das war ein Dialogangebot.
Trumps Kampfansage gegen Nordkorea
Trump und der südkoreanische Präsident Moon Jae-In lehnten das Angebot ab. Gleichzeitig verhängten die USA Sanktionen gegen eine chinesische Bank, weil diese Geschäfte mit Nordkorea gemacht hatte. Am 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, startete Pjöngjang eine Interkontinentalrakete. Dieser Raketentest war eine Antwort auf Washingtons wachsende Aggressivität in Ostasien und insbesondere gegen Nordkorea. Nach dem Raketentest legten die USA den Vereinten Nationen eine Resolution zur Abstimmung vor, die ein Verbot sämtlicher nordkoreanischer Exporte von Mineralien und Erden zum Inhalt hat. Trumps Kampfansage war dabei nicht nur an Nordkorea adressiert, sondern ebenso an China und die anderen Länder der Region.
Rivalisierende Interessen im Hinblick auf Nordkorea
Die Imperialmächte USA, Japan, China und Russland verfolgen rivalisierende Interessen im Hinblick auf Nordkorea und die Region. Die herrschende Klasse in China missbilligt Nordkoreas nukleares Waffenprogramm, will aber einen Zusammenbruch des Regimes verhindern. Ein solcher würde voraussichtlich dazu führen, dass China eine direkte Grenze zu Südkorea hätte, die immerhin auch von 25.000 US-Soldaten bewacht wird. Auf dem Höhepunkt der Spannungen zwischen Nordkorea und den USA veröffentlichte die staatliche chinesische Zeitung »Global Times« ein Editorial, in dem es hieß: »Falls die USA und Südkorea versuchen sollten, auf militärischem Wege das nordkoreanische Regime zu stürzen, würde China ihnen in den Arm fallen.«
Auch China und Russland haben unterschiedliche Interessen, aber beide beobachten mit Sorge, wie die US-Regierung die Bedrohung durch Nordkorea aufbauscht, um ihr militärisches Vorgehen zu rechtfertigen und Bündnisse in der Region aufzubauen. Trump verschärft den Ton gegenüber Peking erheblich, indem er der chinesischen Regierung vorwirft, Nordkoreas nukleares Waffenprogramm zu unterstützen. Derartigen Druck aus östlicher Richtung muss die chinesische Führung als ziemliche Belastung wahrnehmen, zumal sie gleichzeitig in einem Streit um Territorialansprüche mit ihrem westlichen Nachbarn, Indien, steckt. Darüber hinaus könnten die Handelskonflikte, die Trump anheizt, in die Auseinandersetzung um Nordkorea hineinspielen und die Spannungen zwischen den beiden Mächten erhöhen.
Was passiert in Südkorea?
In Südkorea ruft die konservative Partei, die Anfang des Jahres aus der Regierung abgewählt wurde, nach einer erneuten Stationierung amerikanischer taktischer Atomwaffen in dem Land. Moon und die liberale Partei, die derzeit die Regierungsmehrheit innehat, teilen diese Position nicht, schlagen aber stattdessen vor, Südkoreas eigene atomwaffentaugliche U-Bootflotte auszubauen. Der Präsident hat sich als stillschweigender Unterstützer des Vorgehens der USA in Ostasien gezeigt und auch die Stationierung der THAAD und die Hetze gegen Nordkorea gebilligt. Diese Einstellung verschärft das Problem nur.
Die Linke stärken
Es ist nichtsdestotrotz möglich, dass die Situation in einen vorläufigen Burgfrieden überführt wird. Man kann nicht ausschließen, dass die Regierenden in Pjöngjang und Washington offizielle Gespräche eröffnen. Die USA jedoch behandeln Nordkorea als Teil ihrer übergreifenden Strategie gegenüber China und anderen imperialistischen Konkurrenten. Rivalitäten zwischen den vier Mächten USA, China, Japan und Russland mit ihren jeweils eigenen Zielen auf der strategisch bedeutsamen koreanischen Halbinsel können nur zu neuen Spannungen und womöglich zu einer gefährlichen Situation dort führen. Ein nachhaltiger Ausweg aus diesen bedrohlichen Entwicklungen ist nicht von den Imperialmächten oder den Regierenden in Nord- oder Südkorea zu erwarten. Meine Hoffnung liegt im Aufbau einer antiimperialistischen, antikapitalistischen Arbeiterbewegung.
Zum Text: Der Text erschien zuerst in der britischen Zeitschrift Socialist Review. Aus dem Englischen von David Meienreis.
Schlagwörter: Analyse, Atombombe, China, Donald Trump, Imperialismus, Japan, Krieg, marx21, Südkorea, USA