Die Wahlkampfkampagne der LINKEN für die hessischen Landtagswahlen im Oktober ist veröffentlicht. Die Frage von Krieg und Frieden ist thematisch nicht erkennbar. Dieser Fehler muss korrigiert werden. Ein kritisch solidarischer Kommentar von Simo Dorn
In der Wahlkampfkampagne der LINKEN zu den Landtagswahlen in Hessen gibt es einen blinden Fleck.
Die Topthemen des Wahlkampf sind: Bezahlbare Mieten, kostenfreier ÖPNV in Stadt und Dorf, gute Gesundheitsversorgung, gute Bildung, Kostendeckel für Energie und (mangelnd scharfer) Antirassismus sowie Kampf gegen Rechts und die AfD. So weit, so gut.
Die Frage von Krieg und Frieden? Antikriegspositionen? Die Ablehnung von Waffenlieferungen und Sanktionen? Die Ablehnung der Eskalation des Krieges in einen Nuklearkrieg? Die Aufnahme von Deserteur:innen und Kriegsdienstverweigernden? Die würdige Unterbringung von geflüchteten Urkainer:innen?
Diese Positionen sind auf Plakaten oder Flyern nicht zu finden. Erst wenn man in das 116 Seiten lange Wahlkampfprogramm schaut, wird man lediglich auf zwei Seiten fündig. Die dort angeführten Themen: Bildung ohne Bundeswehr, Rüstungsforschung verhindern, Konversionsprogramme für die Rüstungsindustrie auflegen, Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland, keine Kriegsbeteiligung in Hessen dulden und internationale Zusammenarbeit fördern.
Konsequente Kapitalismuskritik?
All diese Themen sind wichtig und gehören in das Wahlprogramm der LINKEN. Jedoch wird das Sondervermögen für die Bundeswehr nur ein einziges Mal erwähnt und die Kritik beschränkt sich darauf, dass sie es ablehnt – Punkt. Es mangelt der LINKEN erneut an einer konsequenten Verknüpfung eines immer notwendigeren Antimilitarismus, einer radikalen Kapitalismuskritik und sozialen Antworten auf die drängenden Fragen unserer Klassengesellschaft. (Lies hier den marx21-Artikel »Antimilitarismus statt Friedenslogik«.) Seit Jahrzehnten marode Schulen, fehlende Lehrkräfte und Kitaplätze, ein erbärmlicher Klimaschutz, ein Gesundheitssystem, deren Beschäftigte am Boden liegen vor Überlastung muss benannt und ein Umsteuern eingefordert werden. Eine Partei, die sich sozialistisch zu sein auf die Fahnen schreibt, darf nicht daran scheitern diese Dinge zu verbinden.
Der erschütternde Zustand unserer gesellschaftlichen Daseinsvorsorge ist kein Zufall und kein Unglück, sondern ein provoziertes Szenario, mit dem Ziel der Profitmaximierung in jedem Bereich des öffentlichen Lebens.
Die Ampel-Regierung hat Geld für imperialistische Konkurrenzkämpfe und die Vorbereitung und das Führen von Krieg, aber kann und will Armutsbetroffene und Ausgebeutete des Systems nicht stützen. Der Ursprung des bürgerlichen Staates im Kapitalismus ist nicht die Fürsorge für die Menschen in seinen Grenzen. Dennoch müssen wir, als Sozialist:innen, ihn genau dazu in die Pflicht nehmen. Dass es dazu Druck von der Straße und eine starke LINKE in der Opposition braucht, sind lediglich die Vorbedingungen, auf denen wir Reformen fordern können, auf die noch so viele Menschen vertrauen. Die Enttäuschung über das Scheitern einer noch so notwendigen Reform muss dann in Klassenbewusstsein übersetzt werden.
Systematischer Antimilitarismus statt Schweigen
Unsere Forderung muss heißen: Keinen Cent für Aufrüstung und das Militär, sondern 100 Milliarden für Soziales, Jugend, Kinder, Gesundheit und Klimaschutz. Und diese müssen auf Flyern, Plakaten und Infoständen omnipräsent sein. (Lies hier den marx21-Artikel »Löhne rauf, Preise runter – Gegen Krieg & Aufrüstung!«.)
Wir müssen diese Forderungen an die Lohnabhängigen und Marginalisierten richten, eben jene, die die Macht haben, jegliche Produktion und jegliche Akkumulation von Profiten der Reichen zum Stillstand zu bringen. Natürlich wird das nicht in einem Landtagswahlkampf einer reformistischen Partei geschehen. Diese Illusion darf nicht geschürt werden. Unsere Aufgabe als LINKE im Wahlkampf und darüber hinaus muss es sein, das Klassenbewusstsein der Menschen anhand all der oben genannten Fragen zu bilden und zu schärfen. Die Frage von Krieg und Frieden ist hierbei eine essentielle. In Zeiten von Kriegen, an denen sich die eigene herrschende Klasse auf die eine oder andere Art beteiligt, treten die Widersprüche des Systems besonders stark hervor. Sie tun das, eben weil sie sich jene Widersprüche verschärfen und weil die Kriegsmaschinerie und die zwischenstaatliche Konkurrenz auf dem Rücken der Lohnabhängigen spürbar ausgetragen wird.
Die Preissteigerungen mit Ausbruch des Krieges sind immer noch existent. Inflationsausgleichszahlungen werden vielen Menschen immer noch verweigert und Reallohnverluste schneiden seit Jahren tief in den Alltag der Menschen ein. Das Sondervermögen der Ampel-Regierung soll die Bundeswehr und den militärisch-industriellen Komplex mit Milliarden versorgen, während es an Kitaplätzen, Schulmodernisierungen und Infrastrukturmaßnahmen mangelt. Das Geld ist da. Ominöse Sparpläne sind nicht mehr vermittelbar und müssen politisch angegriffen werden. DIE LINKE darf hier nicht schweigen, sondern muss die Ursachen dieses Klassenkampfes von oben und die Systemfrage in den Mittelpunkt ihres Wahlkampfes stellen – an Infoständen, in Haustürgesprächen und in Aktionen.
DIE LINKE und Friedensfrage in die Offensive bringen
DIE LINKE steht vor entscheidenden und existenziellen Wahlen. Die Zeit der Zurückhaltung ist bereits lange vorbei und als Sozialist:innen in der LINKEN müssen wir All-In gehen. Wir haben nichts zu verlieren, aber Menschen und Bewegungen zu gewinnen. Eine soziale Bewegung, die die Frage um Krieg und Frieden, die Klimagerechtigkeit, die soziale Gerechtigkeit und das gute Leben für alle mit dem Kampf gegen den Imperialismus, Militarismus mit dem Kapitalismus verbindet und nicht bei bloßen Forderungen an die Regierungen stehen bleiben, sondern in konkrete Alternativen des gesellschaftlichen Zusammenlebens umwandelt.
Als revolutionäre Sozialist:innen in der LINKE müssen wir den hessischen (und auch den bayrischen) Wahlkampf nutzen um Menschen nicht allein für die LINKE an die Wahlurne zu mobilisieren, sondern eben auch auf die Straße, in die Gewerkschaften und in die Linkspartei um dort konkrete politische Forderungen zu forcieren und sie in der politisierten Phase des Wahlkampf auf breiter Front einzufordern. Der gesellschaftliche Druck auf die Regierenden, die bürgerlichen Parteien und ihre politischen Feigenblätter der »Bürger:innennähe« muss steigen und es ist unsere Aufgabe als LINKE diesem Druck eine Richtung zu geben: gegen Krieg, gegen Militarismus und Aufrüstung, gegen den Abbau des Sozialsystems, gegen Preissteigerungen, gegen die erstarkende Rechte, gegen den Kapitalismus und für eine Gesellschaft jenseits des Konkurrenzkampfes der Reichen auf unser aller Kosten.
Titelbild: marx21
Schlagwörter: Antimilitarismus, DIE LINKE, Krieg