Wer gehofft hat Donald Trumps »America first« bedeute weniger Krieg und US-Militärinterventionen im Ausland, hat sich bitter getäuscht. Kevin Ovenden über das gefährliche ideologische Fundament der Außenpolitik der Trump-Bande
Anscheinend liest Donald Trump keine Bücher. Die extrem rechte Bande, die sich um ihn geschart hat, tut es dagegen schon. Angesichts ihrer verbalen Ergüsse drängt sich der Gedanke an Samuel Huntingtons Buch »Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert« auf. Es war in ultrarechten Kreisen sehr beliebt, als es vor 20 Jahren veröffentlicht wurde – jener Zeit, als die Steve-Bannon-Generation faschistischer Ideologen sich in einer Welt nach dem Ende des Kalten Kriegs ihre ersten Sporen verdiente.
Huntington bot eine rassistisch grundierte Rationalisierung für die sich ausweitenden militärischen Konflikte und Eingriffe der USA an, die nach seiner Auffassung die neue Weltordnung charakterisieren würden, statt des langsamen Verschwindens von Konflikten durch den Welthandel, was als Neoliberalismus bekannt wurde. China war bereits auf dem Weg des Aufstiegs. In den USA ging die Sorge über einen amerikanischen Niedergang um. Und es zeichnete sich bereits ein Gegenschlag im Nahen Osten gegen die jahrzehntelange Vorherrschaft der USA und anderer Auslandsmächte sowie lokaler Tyrannen ab. Beide Prozesse haben sich seitdem rapide beschleunigt. Aufgrund ihrer schwindenden Macht konnten die USA sie nicht aufhalten.
Huntington behauptete, diese Konflikte entstünden aus einem »Kampf der Kulturen«. Er teilte die Welt in zehn angeblich unveränderliche Kulturräume auf (wobei die Zahl auch schwankte): westlich, islamisch, slawisch-orthodox (Russland), lateinamerikanisch, chinesisch und so weiter. Diese Kategorien sind völlig künstlich: »orthodoxe Kultur« wurde mit dem Ostchristentum gleichgesetzt, »afrikanische Kultur« bezog sich auf die südlichen zwei Drittel des Kontinents Afrika. Die Logik dieses Unterfangens bestand einzig und allein darin, die imperialen Kämpfe, welche die USA führen würden, zu rechtfertigen.
Um den Krieg im Nahen Osten und die Erhöhung des militärischen Drucks auf China zu rechtfertigen, entwickelte Huntington die unsinnige Idee von einer islamo-konfuzianischen Kultur, die Muslime und Chinesen als vereinte Feinde der USA, der Führung des überlegenen Blocks der westlichen Kultur, zusammenbringe.
Aggressive Sicherung amerikanischer Interessen
Jetzt prügelt die Trump-Bande auf Muslime im Allgemeinen ein, warnt den Iran bezüglich militärischer Handlungen und sinniert über einen handfesten Krieg im Südchinesischen Meer. Dies zusammen mit der geplanten Hinwendung zu protektionistischer Politik sind die Konturen ihrer Vorstellung von der Sicherung der Interessen des amerikanischen Kapitalismus und Imperialismus. Sie sprechen auch bereits von Handelskriegen mit Deutschland und der Europäischen Union.
Schon vor Trumps Amtsantritt standen die USA vor der Frage, wie sie mit einem wirtschaftlich aufsteigenden China und dem Nahen Osten umgehen sollten. George W. Bush versuchte zusammen mit Tony Blair im Jahr 2003 eine Lösung zu finden. Sie scheiterten im Irak. Deshalb behauptet Trump auch fälschlicherweise, er sei gegen den Krieg gegen den Irak gewesen. Er sagt das heute nur deshalb, weil Bush und Blair dort eine Niederlage erlitten.
Barack Obama änderte die Taktik: keine Bodentruppen, aber ein Drohnenkrieg im Nahen Osten, in Afghanistan und Pakistan und die Schwerpunktverlagerung nach Asien mittels Aufbaus eines Handelsblocks und engerer, gegen China gerichteter militärischer Bündnisse. Das ist faktisch eine handelsprotektionistische Zone, nur dass sie von Kalifornien über den Pazifik bis nach Südostasien reicht. Das Instrument dafür war die Transpazifische Partnerschaft (TPP), die jetzt von Trump aufgekündigt wurde.
Auch Obamas Nahostpolitik ist gescheitert – spätestens, seit er sich dem neuerlichen Irrglauben hingab, in Libyen und Syrien das Regime auswechseln zu können. Chinas Aufstieg setzte sich auch während der Regierungszeit von Bush und Obama fort. Sie versuchten es mit einer Politik gegenüber China, die der Wiedererrichtung der Vorherrschaft der USA dienen sollte, was ihnen nicht gelang. Nun ist auch Obama gegangen.
Keine »Zivilisierung« sondern Rassenkrieg
Die Trump-Bande setzt in gewisser Hinsicht diese Politik fort. Aber es gibt auch einen gefährlichen Bruch. Der Krieg gegen Terror erforderte einen antimuslimischen Rassismus im In- und Ausland. Er war jedoch nicht als Rassenkrieg oder religiöser Krieg angelegt. Diejenigen, die sich auf Huntington bezogen, waren eine absolute Minderheit in der Regierung Bush. Stattdessen ging es darum, im Irak durch eine auf Schockwirkung angelegte Taktik Angst und Schrecken zu verbreiten. Die trügerische Hoffnung der Herrschenden war, dass es zu einem schnellen politischen Wandel und der Installation neuer, am Westen orientierter liberaler Regime käme, die sich in die Weltordnung mit einer in den USA konzentrierten Konzernmacht und all den neoliberalen Fantasien einordneten.
Blair wärmte die alte europäische liberalimperialistische Ideologie des 19. Jahrhunderts auf, als er im Jahr 1999 in Chicago eine Grundsatzrede hielt – vor dem 11. September 2001, aber während des Kriegs der Nato im Kosovo. Es war die Idee eines Imperialismus und eines Kolonialismus als zivilisierende Mission, die er den Neokonservativen, die mit Bush 2000 an die Macht gekommen waren, antrug. Sie betrachteten den islamischen Nahen Osten als rückständig und hielten sich in ihrer Arroganz für die Zivilisatoren, die Nationen durch Krieg und Besetzung schufen (und dabei natürlich plünderten und profitierten – so wie die Imperialisten des 19. Jahrhunderts).
Die Trump-Bande glaubt nicht, dass es möglich sei, Nationen zu schaffen. Und Theresa May hat sich in Washington ähnlich geäußert. Sie teilen zwar die alte Vorstellung von der Minderwertigkeit der Muslime, glauben aber nicht, dass sie zivilisierbar seien, ebenso wenig die Chinesen. Sie müssen geschlagen werden, und zwar als konkurrierende Kulturen, die Bedrohung müsse eliminiert werden.
Ein gefährlicher Irrtum
Wer also glaubt, die Ablehnung der Politik des Regimewechsels aus der Zeit von Bush und Obama seitens Trump bedeute nun die Ablehnung von Krieg, gibt sich einem ernsthaften Irrtum hin. Es wird mehr Krieg bedeuten, mit einer noch barbarischeren und gefährlicheren Rechtfertigung und Kriegsführung. Der Krieg gegen Terror hat einen blutigen Pfad hierhin geschlagen. Wie die Antikriegsbewegung damals bereits betonte, hat ein Krieg gegen etwas, das Terror genannt wird, keine Grenzen. Es gibt keine Stelle, an der ein Waffenstillstand erklärt werden könnte, keine Friedensverhandlungen, die aufgenommen werden könnten, keine Nachkriegszeit, nur endlosen Krieg.
Trump spricht jetzt bewusst von »islamischem Terror«, nicht von »dschihadistischem« oder »islamistischem«. Wie unscharf die beiden letzten Begriffe auch sind – und sie beinhalteten schon immer, dass Muslime ein Problem darstellen –, ließen sie doch Raum für eine Unterscheidung zwischen den guten und den bösen Muslimen. Die Trump-Bande geht jetzt noch weiter. Unter ihnen gibt es Leute, die mit einem Krieg der Zivilisationen sympathisieren, wobei der Überlegene die Bedrohung durch die Minderwertigen auslöscht. Trump selbst hat gesagt: »Es ist einfach nicht wahr, dass alle gleich erschaffen wurden.«
Ideologie und Barbarei
Kriege sind immer barbarisch. Ändert sich das bei einer anderen Rechtfertigungsideologie? Trumps Verteidigungsminister, General »Mad Dog« Mattis, war Befehlshaber bei der Zerstörung Falludschas im Irak, als das im Namen der Staatenbildung und der Schaffung einer liberalen Weltordnung geschah.
Das britische Weltreich war in den Jahren 1876 bis 1878 in China und Indien verantwortlich für den Tod von zwölf Millionen Chinesinnen und Chinesen und sechs Millionen Inderinnen und Indern, weil es im Namen des Freihandels bewusst Nahrungsmittel aus Hungerregionen in andere Länder exportierte. Nach viktorianischer Ideologie war dies die zivilisierende Mission des Westens.
Das Gemetzel des Ersten Weltkriegs war bis dahin beispiellos – es war der Zusammenstoß konkurrierender Mächte (nicht angeblicher Kulturen) und gegenüber der Öffentlichkeit begründet mit modernem Nationalchauvinismus. Hitler setzte die expansionistische Kriegspolitik im Interesse des deutschen Großkapitals, die das Militär des Kaiserreichs im Jahr 1914 bereits verfolgt hatte, fort. Das deutsche Kapital und seine Staatsbeamten wollten die Aufhebung des sie knebelnden, nach dem Ersten Weltkrieg geschlossenen Friedensvertrags von Versailles erreichen. Hitler kündigte ihn auf.
Die Expansion Deutschlands nach Osten im Zweiten Weltkrieg war aber aufgrund der Weltauffassung der Herren des Dritten Reichs ein noch barbarischeres Unternehmen. Die antisemitische Politik der 1930er Jahre in Deutschland mit ihrer rechtlichen Diskriminierung und Rassentrennung, den täglichen Propagandafeldzügen, in denen jüdischen Deutschen gleiche Bürgerrechte abgesprochen wurden und sie den Schutz des Gesetzes oder auch nur der üblichen staatsbürgerlichen Werte nicht mehr genossen, führte schließlich ab dem Spätsommer 1941 in den Holocaust.
Vernichtung der angeblich minderwertigen Kulturen
Es gab Etappen und Schwellen, die überschritten wurden, um eine Ideologie, bei der es um die Ausschaltung des angeblich üblen Einflusses im Leben der Nation, den vermeintlichen Verderb des nationalen Organismus ging, in die physische Auslöschung von Millionen Menschen zu überführen. Eins der Schlüsselelemente hierbei war die Ideologie, unter deren Vorzeichen der Krieg im Osten geführt wurde.
Auch hier handelte es sich um mechanisierten Massenmord wie im Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918. Es war ein Eroberungskrieg und ein Krieg um Ressourcen (Trump sagt, als die USA erst einmal in Irak waren, hätten sie sich einfach nur das Öl holen sollen). Das galt auch für die übrigen Beteiligten im Ersten Weltkrieg.
Zusätzlich jedoch gab es einen ideologischen Rassenkrieg der Auslöschung, einen Krieg um Sein oder Nichtsein – eine vermeintlich überlegene Rasse und ihre Kultur mussten ihre Existenz durch die Vernichtung der angeblich minderwertigen Kulturen und der Völker, die Träger dieser Kulturen waren, sichern (Völker und Rassen sind hier austauschbar).
Dies war die Ideologie für den Einmarsch in die Sowjetunion im Sommer 1941. Sie wurde in Befehle bis hinunter auf die Fußtruppenebene übersetzt, wonach die Kriegskonventionen – das Verbot der Folter und die Verschonung Gefangener – keine Geltung hatten. Auf der grausamen Bühne des Kriegs entstand schließlich die ultimative Barbarei des Holocausts.
Imperialismus, Krieg und Rassismus
Der liberale Kapitalismus hat seine eigenen Schrecken hervorgebracht. Aber er ist auch in der Lage, reaktionäre Kräfte und Ideologien zu erzeugen, die diesen Horror noch weitertreiben. Trump konnte wegen der Krise der neoliberalen Ordnung und mithilfe der Hauptpartei des US-amerikanischen Kapitalismus aufsteigen. Es geht hier nicht um einen direkten Vergleich – und schon gar nicht die Gleichsetzung von Trump mit Hitler. Es geht darum: Imperialistische Kriege gehen notwendigerweise mit mörderischem Rassismus Hand in Hand.
In dem Krieg der USA in Vietnam kamen zwei Millionen Menschen um und Millionen weitere wurden verletzt. Solch ein Krieg lässt sich nicht tagaus, tagein führen, ohne die Opfer als weniger menschlich als die Täter anzusehen – sei es beim Foltern der Bauern oder ihrer Tötung mittels B-52-Langstreckenbomber. Dieser unmenschliche Rassismus prägte die Denkweise der US-Soldaten, die die Bewohner des Dorfs My Lai auszulöschen versuchten, indem sie von Haus zu Haus gingen, nicht aus militärischen Gründen, sondern als ein Akt dessen, was sich als völkermörderisch bezeichnen lässt.
Die Folter an Gefangenen und ihre Entwürdigung in dem von den USA geführten irakischen Gefängnis Abu Ghraib um das Jahr 2005 und die Besetzung des Iraks enthüllten ähnliche Schrecken, gefördert durch die Aufhebung normaler Regeln, die sich der US-amerikanische Staat in dem abnormen Krieg gegen Terror selbst gab.
Auslöschung als Politik
Wenn der Rassismus, der mit dem Massenmord des Kriegs verbunden ist, nicht nur ein notwendiges Beiprodukt, sondern tief in der Begründung des Kriegs verankert ist, wenn es in der Hand des Kommandeurs liegt, welches Ziel er wählt, welche Waffen oder Terrormethoden (was Krieg nun mal bedeutet), welches Ziel der Krieg hat, dann könnte eine Schwelle überschritten werden.
Dann geht es nicht um gefühllose Missachtung und Übelkeit erregende Entschuldigungen für Massenmord, nicht um das eher wahllose Massaker von My Lai, welches das oberste Kommando der USA zu vertuschen suchte. Dann geht es um Auslöschung als Politik. Die Auslöschung einer angeblichen minderwertigen Kulturrasse. Die Auslöschung oder Beschneidung eines Kulturkonkurrenten in seinen Freiheiten und Rechten, der auch ein strategischer Gegner ist.
Wir haben bereits einen ersten Eindruck davon bekommen auf den blutigen Höhepunkten des Kriegs gegen Terror und angesichts der Schrecken, die mit der brutalen Eindämmung des Arabischen Frühlings einhergehen. Wir wissen sehr genau, wozu die Kriegsmaschinerie der USA, die größte unter ihren Konkurrenten auf der Welt, in der Lage ist. Jetzt befinden sich im Weißen Haus Leute, die kein Problem damit haben, diese schreckliche Macht voll auszuüben. Sie geben sich Fantasien einer rassischen Überlegenheit hin und nach ihrer Weltauffassung geht es bei Konflikten über den Raub von Ressourcen um einen Kampf zwischen überlegenen und minderwertigen Völkern. Niemand weiß, was kommt, aber einfach nur dabei zuzusehen ist keine Option. Es ist Zeit, die Trump-Bande zu stoppen.
Kevin Ovenden ist Aktivist und Autor von »Syriza: Inside the Labyrinth«.
Aus dem Englischen Rosemarie Nünning
Foto: tiburi
Schlagwörter: Holocaust, Ideologie, Imperialismus, Krieg, Militär, Rassismus, Trump, US-Außenpolitik