Nach Bernd Lucke und Frauke Petry hat mit Jörg Meuthen nun der dritte AfD-Vorsitzende im innerparteilichen Machtkampf gegen die Neofaschist:innen um Björn Höcke das Handtuch geworfen. Volkhard Mosler über die Gründe für Meuthens Austritt und die Folgen für die AfD
Bereits im Oktober hatte Jörg Meuthen angekündigt, nicht erneut für den AfD-Parteivorsitz zu kandidieren. Nun erklärte er, die Partei ganz zu verlassen. Seine Begründung ähnelt der seiner Amtsvorgänger Lucke und Petry: Teile der Partei stünden »nicht auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Grundordnung« und es gebe »ganz klar totalitäre Anklänge«, so Meuthen in einem Interview gegenüber der ARD.
Doch genau wie bei Lucke und Petry strotzt diese Erklärung für den eigenen Rückzug vor Scheinheiligkeit. Alle drei haben bereitwillig mit den Faschist:innen in der AfD um Höcke zusammengearbeitet, mit ihnen paktiert und sie hofiert, solange es ihnen machttaktisch nützlich schien. Petry stütze sich beim Sturz Luckes auf Höcke, genau wie Meuthen beim Sturz Petrys. Nach Jahren des ungebrochenen Rechtsrucks und der Radikalisierung der AfD als Parteivorsitzender zu erkennen, dass die Faschist:innen längst tonangebend sind, ist pure Heuchelei. Meuthen selbst ist in erheblichem Maße mitschuldig, dass sich in Form der AfD die Gefahr einer faschistischen Partei mit bundesweitem Masseneinfluss herausgebildet hat.
Strategische Differenzen in der AfD
»Der Fall Max Otte war der letzte Tropfen, der Meuthen zu seiner Entscheidung trieb«, heißt es in einem Kommentar beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Und tatsächlich kommt in der Personalie des CDU-Politikers Max Otte, den die AfD zu ihrem Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten nominierte, die strategische Differenz zwischen dem Nazi-Flügel hinter seinem Führer Höcke und dem jetzt aus der Partei ausgetretenen Sprecher der Nationalkonservativen Meuthen klar und scharf zum Ausdruck.
Meuthen wollte eine reaktionäre Wende durch die Bildung eines Rechtsblocks zwischen AfD und einer rechtsgewendeten CDU/CSU in Form einer Koalitionsregierung. Um eine solche Rechtswendung der CDU/CSU herbeizuführen braucht es den Wiederaufbau eines rechten Flügels in der Union wie ihn Alfred Dregger (CDU) und Franz-Josef Strauß (CSU) in der Vergangenheit repräsentiert hatten. Die Werte-Union war aus Meuthens Sicht ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Durch die Nominierung des Sprechers der Wertunion zum AfD-Kandidaten zerstört die AfD diesen Ansatz. Der Ausschluss Ottes aus der CDU und damit die Zerstörung der Wertunion ist von Höcke kalkuliert. Sie liegt auf der gleichen Linie wie die ausgebliebene Erststimmenkampagne der Thüringischen AfD für den Reaktionär und Ex-Verfassungschef Hans-Georg Maaßen. Dieser hätte als MdB die Wertunion enorm aufgewertet und wurde eben deshalb nicht von Höckes AfD in Thüringen unterstützt.
Höckes Taktik gegenüber der Union
Höckes gesamte Taktik läuft auf die Zerstörung der CDU/CSU, auf die Zerstörung der bürgerlichen Mitte hinaus. In einem Kommentar hatte sich Höcke im Bundestagswahlkampf 2021 zur Zusammenarbeit mit der CDU/CSU in dem Sinne geäußert, dass eine solche für ihn nur in Frage käme, wenn die Konservativen auf dem Boden zerstört um Hilfe bettelten.
Um zu verstehen, wie Höcke tickt, muss man erstens verstehen, dass er ein Nazi im vollen Sinn des Begriffs ist, und man muss sich zweitens mit dem Aufstieg der NSDAP und ihrer Machtübernahme durch den Reichstagsputsch auseinandersetzen. Denn diesen Aufstieg haben Höcke und sein innerer Zirkel um Kubitschek studiert und daraus gelernt. Hitlers Sieg war nur möglich auf den Ruinen des bürgerlichen Parteienblocks, einschließlich der um die Macht konkurrierenden, antidemokratischen und antisemitischen DNVP unter dem Monarchisten Hugenberg.
Faschisierung und Flügelkämpfe
Die Tatsache, dass die CDU/CSU jetzt unter einem Reaktionär wie Friedrich Merz Opposition gegen die Ampel-Koalition macht, kann Höcke mit seiner Dauerkampagne gegen die »Alt-« und »Systemparteien« nicht schmecken. Das könnte sich allerdings ändern, wenn Merz als neuer CDU-Parteichef und Fraktionsvorsitzender der Unionsparteien im Bundestag seine rassistischen Töne von der Herrschaft einer »deutschen Leitkultur« aus dem Jahr 2000 wieder auflegt und so in die Fußstapfen von Ex-Innenminister Horst Seehofer träte. Seehofer hatte im bayerischen Landtagswahlkampf 2018 versucht, die AfD mit einer Kampagne gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel rechts zu überholen, was die AfD jedoch nur weiter stärkte. Seehofers Anti-Merkel-Kampagne war nur Wasser auf die Mühlen der AfD. Die CSU verlor dementsprechend 160.000 ihrer Zweitstimmen an die AfD.
Meuthen hat die Wahl Ottes zum AfD-Kandidaten für die Präsidentschaftswahl als kontraproduktiv für die AfD kritisiert (und wohl als Schlag gegen seine eigenen Machtperspektiven). Der Otte-Schachzug ist deshalb im RND-Kommentar auch zu Recht als »letzter Tropfen« für den AfD-Austritt Meuthens bezeichnet worden. Und dieser Schachzug trägt voll und ganz die Handschrift Höckes.
Die dritte Häutung der AfD
Meuthens Rückzug und die Tatsache, dass er den weiteren innerparteilichen Vormarsch des Höcke-Flügels nicht würde stoppen können, waren absehbar. Während auf dem AfD-Parteitag Ende 2020 in Kalkar noch ein prekäres Kräftegleichgewicht zwischen den Parteiflügeln herrschte, hat der neofaschistische Flügel aus den »Querdenken«-Protesten der Corona-Leugner:innen und -Verharmloser:innen neue Kraft geschöpft. Ähnlich wie zuvor die »Pegida«-Bewegung der Radikalisierung der AfD Vorschub und dem Nazi-Flügel Rückenwind verliehen hat, tat dies nun die Straßenbewegung der »Querdenker«, von der Meuthen sich offen distanzierte.
Trotz dieses weiteren Siegs der Nazis in der AfD sind die Auseinandersetzung zwischen den Nationalkonservativen und den Neofaschist:innen in der Partei damit jedoch nicht zu Ende. Zwar haben sich auch in den West-Landesverbänden der AfD im letzten Jahr die Gewichte zugunsten des Nazi-Flügels beträchtlich verschoben. Doch noch haben die Nazis in der Partei nicht das alleinige Sagen. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass es Meuthen nicht gelungen ist, eine Gruppe seiner bisherigen Anhänger:innen mitzunehmen und zu einem Parteiaustritt zu bewegen. Dies ist jedoch ganz im Interesse des Höcke-Flügels, dem an einer Spaltung der AfD zum jetzigen Zeitpunkt nicht gelegen ist. Meuthen musste weg, weil er es – wie schon zuvor Lucke und dann Petry – gewagt hatte, die Nazis offen zu kritisieren und gegen sie zu arbeiten. Ob eine Alice Weidel oder eine Beatrix von Storch in Zukunft das gleiche Schicksal ereilen wird oder ihnen das Scheitern Meuthens eine Warnung sein wird, ist offen. Politisches Überleben in der AfD wird es in Zukunft nur für diejenigen geben, die bereit sind, sich dem noch inoffiziellen Führer Höcke zu unterwerfen.
Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Schlagwörter: AfD, Höcke, Meuthen