Bei der Landtagswahl in NRW hat die LINKE den Einzug in den Landtag mit 4,9 Prozent denkbar knapp verpasst, konnte ihre Stimmenzahl allerdings mehr als verdoppeln. Abgestraft wurden dagegen SPD, Grüne und Piraten – Ein Blick auf die Wahl von Jules El-Khatib und Hannes Draeger
Die Wahlniederlage der SPD und der Erfolg der CDU sind nicht allein landespolitisch zu erklären. Trotz hoher Unzufriedenheit mit der Landespolitik gaben 59 Prozent der befragten CDU-Wähler an, Angela Merkel sei der wichtigste Grund für ihre Wahl. Bei der SPD zog der »Schulz-Effekt« umgekehrt nur bei 29 Prozent ihrer Wähler. Der CDU gelang es in den vergangenen Wochen, die relative wirtschaftliche Stabilität Deutschlands in einer immer krisenhafteren Welt mit Angela Merkel in Verbindung zu bringen. Armin Laschet ritt auf dieser Welle und setzte sich bewusst nicht von der Bundespolitik ab, sondern ergänzte die Strategie durch landespolitische Themen wie Bildung und Innere Sicherheit. SPD und Grüne verloren nicht zuletzt Stimmen aufgrund ihrer desaströsen Regierungsbilanz.
AfD: Schwächer als gedacht, aber keine Entwarnung
Die islam- und flüchtlingsfeindliche AfD, die in NRW durch viele Auseinandersetzungen gespalten ist, konnte mit 7,4 Prozent ihr selbstgestecktes Ziel nicht erreichen. Besonders schlechte Ergebnisse erzielte die Partei in den Regionen, in denen es in den vergangenen Monaten Massenproteste gegen Auftritte der AfD gab: In Münster protestierten Anfang Februar rund 10.000 Menschen gegen einen Auftritt von Frauke Petry, einige Wochen später Zehntausende gegen den Bundesparteitag der AfD in Köln. Dort erzielte die AfD ihre schlechtesten Ergebnisse.
Stark schnitt sie hingegen in jenen Gebieten ab, die sozial abgehängt sind. So konnte die Partei überdurchschnittliche Ergebnisse in den ärmeren Teilen des Ruhrgebiets erzielen, wie Gelsenkirchen, dem Essener Norden oder in Duisburg. Dort ist es der AfD mit sozialer Demagogie gelungen, sich als vermeintliche Anti-Establishment-Partei darzustellen und viele Lohnabhängige und Erwerbslose anzusprechen. Die Frage ist kritisch auszuwerten, warum es der LINKEN gerade in jenen abgehängten Stadtteilen nicht mehr oder nur noch unzureichend gelingt, Menschen anzusprechen.
DIE LINKE – Zwischen Zugewinn und Enttäuschung
Für DIE LINKE war der Wahltag ein Wechselbad der Gefühle: Die zuerst vermuteten 5 Prozent sorgten für Freude in der Partei, das Endergebnis von 4,9 Prozent und die für den Einzug fehlenden 8651 Stimmen versetzte der guten Stimmung jedoch einen starken Dämpfer.
Auch wenn der Einzug in den Landtag verpasst wurde, ist das Ergebnis für DIE LINKE in NRW kein Grund zur Trauer. Sie konnte im Wahlkampf rund 500 neue Mitglieder gewinnen und hat ihre absolute Stimmenzahl verdoppelt. Zumal es ein schwieriger Wahlkampf war, in dem SPD und Grüne DIE LINKE zum Hauptfeind erklärt hatten und nicht müde wurden, vor der LINKEN zu warnen.
Urbanisierung und Verjüngung
In NRW setzt sich der Trend der Urbanisierung und Verjüngung der LINKE-Wählerschaft fort: Während in Städten wie Köln und Bielefeld Ergebnisse bis zu 12,8 Prozent erzielt werden konnten, waren die Ergebnisse im ländlichen Raum schwächer als 2010. So finden sich unter den stärksten 25 Wahlkreisen ausschließlich städtische Wahlkreise, während die schwächsten alle im ländlichen Raum liegen. Das zeigt, wie schwer es der LINKEN fällt, sich im ländlichen Raum zu verankern. In der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen erzielte DIE LINKE etwa 8 Prozent der Stimmen. Vielerorts sind auffallend viele junge Interessierte nicht nur eingetreten, sondern auch direkt in den Wahlkampf eingestiegen.
Ein Trend der vergangenen Wahlen bestätigt sich somit auch immer stärker in NRW: Die LINKE wird von einer Partei, die unter Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Erwerbslosen stark abschneidet, zu einer Partei der jungen Menschen. Viel spricht dafür, dass viele von ihnen aufgrund der Gefahr von rechts – nicht nur in Deutschland – nach konsequenten Antworten suchen. DIE LINKE muss das »Original« im Kampf gegen die AfD und Rechtsruck sein und darf diese Pole-Position nicht der SPD und gar den Grünen überlassen.
In einigen Kreisverbänden wie Köln, Münster oder Essen wurden extra noch antirassistische Plakate entworfen. In Köln verband die Partei dies mit dem Aufruf zu den Protesten gegen den AfD-Bundesparteitag und setzte somit ein klares Zeichen, dass der antirassistische Kampf auch während Wahlen nicht pausiert. Auf Landesebene wurde leider auf Plakate zu Flucht und Rassismus verzichtet, obwohl dies eines der Themenfelder ist, das unter den Wählerinnen und Wählern der LINKEN die höchste Zustimmung genießt.
Schwach unter Arbeitern
Während die Ergebnisse unter jungen Menschen eine hohe Zustimmung zur LINKEN zeigen, ist die Zustimmung unter Arbeiterinnen und Arbeitern sowie Menschen auf dem Land geringer als erwartet. Die Arbeiter, bisher ein Kernklientel der Partei, wählten nur zu 7-8 Prozent DIE LINKE. Die AfD und selbst die FDP erzielten dort mehr Stimmen, was die LINKE auf den 5. Platz in dieser Gruppe rutschen ließ. Dies ist zum einen eine Folge schwächerer betrieblicher Verankerung als auch des offensiven Wahlkampfs der AfD um diese Gruppe. Deutlich wird dies am Wahlkreis Duisburg 3, in dem DIE LINKE von 10,1 Prozent im Jahr 2010 auf 7,4 Prozent im Jahr 2017 fiel.
Noch schlechter sah es in den ländlichen Wahlkreisen aus, von denen keiner zu den stärksten 25 Wahlkreisen der LINKEN zählte. Die Verankerung auf dem Land ist schon lange ein Problem der Partei und konnte auch bei dieser Wahl nicht verbessert werden.
Anti-Establishment-Partei
Wenn DIE LINKE es in Zukunft schaffen will, Arbeiterinnen, Arbeiter und Prekarisierte stärker zu erreichen, dann muss sie versuchen, die Menschen anzusprechen, die sich abgehängt fühlen oder um ihre Arbeit bangen. Dafür muss DIE LINKE kompromissloser ihre Rolle als Anti-Establishment-Partei ausfüllen und gleichzeitig die soziale Frage dauerhaft bespielen. Dabei würde helfen, die Rolle der Großkonzerne stärker herauszuarbeiten und anzugreifen sowie die Fokussierung auf betriebliche Kämpfe zu erhöhen, wie es bei den Auseinandersetzungen im Pflegedienst schon teilweise gelungen ist.
Die LINKE sollte in den kommenden Wahlen sowohl auf klare antirassistische Positionen setzen, als auch versuchen, stärker auf das gewerkschaftliche Lager zuzugehen.
Jules El-Khatib ist Mitglied im Landesvorstand der LINKEN NRW und Direktkandidat in Essen 3. Hannes Draeger ist aktiv in der LINKEN in Münster.
Schlagwörter: AfD, Antirassismus, CDU, Grüne, Inland, jugend, Landtagswahl, Landtagswahlen, Linke, Nordrhein-Westfalen, SPD