Es ist einer der größten Massenproteste der Stadtgeschichte. Tausende Menschen zeigen Frauke Petry und ihrer AfD in Münster die rote Karte. Die Erfolgsmethode: Die Vereinigung unterschiedlicher politischer Kräfte zum Protest und eine LINKE, die nicht daneben steht. Hannes Draeger berichtet aus Münster
Rund 10.000 Menschen protestieren am vergangenen Freitag gegen die AfD in Münster. Es ist einer der größten Massenproteste der Stadtgeschichte. Die AfD Münster hatte Frauke Petry als Hauptrednerin ihres Neujahrsempfangs ins Münsteraner Rathaus eingeladen. Die geplante Machtdemonstration der AfD, in Münster auszugreifen und Mitläufer für ihren Wahlkampf gegen Muslime und Flüchtlinge zu gewinnen, schlug fehl.
Der lokale AfD-Chef beschwerte sich anschließend über einen »Spießrutenlauf«, den AfD-Mitglieder durch die Menschenmassen bestreiten mussten, um den Petry-Auftritt zu besuchen. Die AfD ist sich ihrer Niederlage bewusst. Aus Frust verbreiteten AfD-Anhänger im Internet, es hätten sich nur 400 Menschen aus Münster an den Gegenprotesten beteiligt – selbst die Polizei spricht von 8000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Der Erfolg von Münster gibt Rückenwind für den anstehenden Protest gegen den AfD-Bundesparteitag am 23. und 24. April in Köln. Was waren die Gründe für den Erfolg von Münster?
1. Breites Bündnis in Münster gegen die AfD
Das Bündnis »Keinen Meter den Nazis« ist 2012 aufgrund eines bevorstehenden Nazi-Aufmarsches in Münster gegründet worden. Im Bündnis haben sich Gewerkschafterinnen, Sozialdemokraten, LINKE, Grüne, Friedensgruppen, Kirchenvertreter und Gruppen aus der radikalen Linken zusammengetan. Das Bündnis hat keine Aktivenstruktur, sondern reagiert situativ bei konkreten Anlässen wie NPD-Kundgebungen oder AfD-Veranstaltungen. So sorgte das Bündnis Anfang 2016 für bundesweites Aufsehen als es den Auftritt von Frauke Petry in Münster verhinderte.
Vereinigung unterschiedlicher politischer Kräfte
Die Stärke des Bündnisses liegt in der Vereinigung unterschiedlicher politischer Kräfte und damit auch ihrer Anhängerinnen und Anhänger, die ein Problem mit der AfD haben. Ohne Vorbedingungen arbeiteten die Akteure im Bündnis zusammen – die Kernbotschaft: Die AfD ist in Münster nicht willkommen. Diese Ausstrahlung des Bündnis war die Grundlage für die spätere Eigendynamik der Kampagne. So fühlten sich »sozialdemokratisch« gesinnte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter genauso angesprochen, wie »grün« gesinnte Künstler. Auszuwerten wäre, ob nicht ein öffentlichkeitswirksamer Aufruf zur Massenblockaden – neben den breiten Protesten – zu einer noch spürbareren Niederlage der AfD geführt hätte. Der LINKEN war wichtig, dass sie in der Kampagne einerseits für ein breites Bündnis eintrat, ohne dabei auf ein klares Profil zu verzichten. Beispielsweise hinsichtlich der Verantwortung der anderen Parteien und der Konzernmedien am gesellschaftlichen Anstieg des Rassismus sowie den sozialen Ursachen für den Erfolg der AfD.
2. Soziale Netzwerke genutzt
Soziale Netzwerke wie Facebook sind momentan unersetzlich in der Mobilisierung gegen rechts. Sie erlauben es (bislang), in Kontakt mit den Menschen zu treten, die auf keinem Emailverteiler der Antifa stehen, aber aktiv werden wollen gegen die AfD. Die Münsteraner Facebook-Gruppe »Kein Platz für Frauke Petry« erreichte viele Menschen im Land und Tausende in Münster. Es verging kein Tag, an der es keine neuen Ideen für die Mobilisierung gegen den AfD-Neujahrsempfang gab. Wichtig war hier, dass es eine Anbindung zwischen der Facebook-Gruppe und dem Bündnis gab. Die Facebook-Gruppe wäre nicht so stark, wenn nicht hinter den Protesten ein breites Bündnis gestanden hätte, welche die Gegenkundgebung angemeldet hatte. Damit hatten es konservative Lokalmedien und AfD-Anhänger schwer, den Protest zu kriminalisieren. Das an die Wand gemalte Horrorszenario einer Gewaltdemo lief ins Leere.
3. Künstlerinnen und Künstler in Münster werden aktiv
Eine wichtige Säule in der Kampagne war die Aktivierung von Kunstschaffenden. Anti-Petry-Lieder wurden komponiert und antirassistische Plakatwettbewerbe ausgeschrieben. Die Zusage der Münsterländischen Punkband »Donots«, beim Gegenprotest zu spielen, war ein Signal in die Stadtgesellschaft. Das Engagement vieler KünstlerInnen trug zu einer echten »Haut Ab«-Stimmung in der Stadt bei. Münsteraner Frauen riefen in einem eigenen Aufruf zum Protest auf und thematisierten die Frauenfeindlichkeit der AfD. Selbst die »brave« Studi-Anzeigenzeitung »Na dann« rief dazu auf, »faule Eier« zum Protest gegen die AfD mitzunehmen. Zum Schluss konnte die Münsteraner CDU gar nicht mehr anders, als zur Teilnahme am Protest aufzurufen, obwohl sie Jahre zuvor das Bündnis »Keinen Meter den Nazis« wegen angeblicher Nähe zur Gewalt nicht unterstützen wollte.
4. Eine LINKE, die nicht daneben steht
DIE LINKE spielte von Anfang an eine vorwärtstreibende Rolle in der Mobilisierung. Es zahlte sich aus, dass die Aktiven schon lange vorher damit begonnen hatten, Strategien gegen die AfD zu diskutieren und Aktivitäten zu entfalten. Dies mündete in der beschlossenen Vier-Ebenen-Strategien gegen rechts. Die Idee der LINKEN, eine pressewirksame Aktion im Vorfeld der Proteste vor dem Rathaus zu veranstalten, stieß auf Zustimmung. Rund 60 Leute beteiligten sich an der Aktion. Das Bündnis holte damit zum Gegenschlag aus, denn so wurde für alle deutlich, dass es sich beim Bündnis nicht um Verschwörung weniger Linksradikaler handelte (wie die AfD suggerierte), sondern um eine bunte Mischung vieler Gegnerinnen und Gegner der AfD.
Eigenes Material der LINKEN in Münster
Zugleich mobilisierte DIE LINKE auch mit eigenem Material und einem eigenem Protestaufruf. Beispielsweise grenzte sich DIE LINKE von einem verkürzten Antirassismus ab und betonte, dass »Rassismus das Geheimnis der Machterhaltung der Kapitalistenklasse« (Karl Marx) ist. Sie stellte gängigen rot-grünen Erklärungsmuster des Rassismus vom Kopf auf die Füße: Rassismus fällt nicht vom Himmel, sondern wird »von oben« geschürt, um von sozialen Problemen abzulenken.
In vielen Pressemitteilungen warnten der Münsteraner LINKE Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel, sowie der Kreisverband der LINKEN, vor der Gefahren, die von einer im Rechtsruck befindenden AfD ausgeht. 2000 Sticker (»Flüchtlinge willkommen, AfD raus«) wurden von der LINKEN gedruckt und erfreuten sich sowohl im Vorfeld wie auf der Kundgebung großer Beliebtheit – selbst am Protest teilnehmende Nonnen haben sich die Sticker während der Kundgebung auf die Jacke geklebt. Ein offenes Schildermalen gegen die AfD im Parteibüro der LINKEN wurde im Vorfeld vorallem von Nicht-Parteimitgliedern angenommen.
Mitglieder- und Kampagnenpartei
DIE LINKE war so als echte Mitglieder- und Kampagnenpartei greifbar und konnte viele Neumitglieder, die empört sind über Trump, Le Pen und AfD in die aktive Parteiarbeit einbinden. Die Grundbedingungen im Kampf gegen die AfD sind an den verschiedenen Orten unterschiedlich. Es lohnt sich daher, Bündnisse auszuloten und eigene Strategien der LINKEN vor Ort gegen die AfD zu diskutieren – weit weg von R2G-Hinterzimmergesprächen in Berlin.
Schlagwörter: AfD, Analyse, Antifaschismus, Antimuslimischer Rassismus, Antirassismus, Aufstehen gegen Rassismus, Frauke Petry, Münster, Rassismus