Alles öko, alles gut? Großkonzerne, aber auch Politik und manche NGO‘s wollen uns weismachen, dass nachhaltiger Klimaschutz im Rahmen der Marktwirtschaft kein Problem sei. Wir sprachen mit der Journalistin Kathrin Hartmann über Klimapolitik und das Märchen des grünen Kapitalismus
Kathrin Hartmann ist Journalistin und Autorin mehrer Bücher. Zuletzt 2018 erschien »Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell« im Blessing Verlag.
marx21: Der vom Menschen verursachte Klimawandel schreitet voran. Schon jetzt sind die Lebensgrundlagen von Menschen in vielen Regionen der Welt bedroht. Du hast für deine Recherchen viele Länder bereist. Welche Auswirkungen des Klimawandels hast du dort erlebt?
Kathrin Hartmann: Ganz besonders drastisch habe ich den menschengemachten Klimawandel und seine Folgen bei meinen Palmöl-Recherchen in Indonesien erlebt: Dort ist Regenwald auf einer Fläche beinahe so große wie Deutschland abgeholzt oder abgebrannt worden. Auf mindestens der Hälfte davon wachsen heute Ölpalmen-Monokulturen. Dafür wurden auch Torfböden zerstört: Ein ökologisches Desaster.
Frontstaaten der Klimakrise
Was hat das mit dem Klimawandel zu tun?
Alleine die Wald- und Torfbodenvernichtung hat Indonesien zu einem der größten CO2-Emittenten der Welt gemacht. Torfmoorwälder speichern bis zu 50 Mal so viel Kohlenstoff wie Regenwald auf gewöhnlichem Boden. Die durch die Plantagen ausgetrockneten Böden, das Ausbleiben von Regen durch das Wetterphänomen »El Nino« und die Rodung von Wäldern haben dafür gesorgt, dass die Waldbrände in Indonesien in jüngster Zeit umso katastrophaler ausgefallen sind. Hunderttausende Menschen habe ihre Lebensgrundlage verloren, sind schwer krank oder getötet worden.
Du warst für deine Recherchen auch in Bangladesh. Wie ist die Situation dort?
Bangladesch, das in einem riesigen Flussdelta liegt, ist durch den Klimawandel besonders stark von Überschwemmungen, Dürren und Flusserosion betroffen. Seit einem Jahrzehnt ist das Wetter nicht mehr vorhersehbar, die Regenzeit kommt früher oder später, die Stürme sind stärker. Die verheerenden Zyklone »Aila« 2005 und »Sidr« 2007 entwickelten sich wie aus dem Nichts. Mehrere Tausend Menschen kamen ums Leben, Existenzen sind bis heute zerstört. Die Environmental Justice Foundation geht davon aus, dass jährlich bis zu 250.000 Menschen in Bangladesch ihre Heimatorte aufgrund der sich verschlechternden klimatischen Bedingungen verlassen müssen.
Eine Apokalypse aus Matsch
Was hast du in deinen Gesprächen mit den Menschen vor Ort erfahren?
Ich habe mit Menschen gesprochen, die nachts davon aufwachten, dass der Sturm das Dach ihrer Hütten weggeweht hat und das Wasser schnell bis zur Hüfte stieg. Menschen, die sich dann an Bäume gebunden haben, um nicht von den Fluten weggerissen zu werden und am nächsten Tag ihre toten Nachbarn, Freunde und Familien überall fanden, sogar in den Bäumen. Andere haben gleich mehrmals ihre Hütten auf Sandbänken verloren. Jede einzelne dieser Geschichten ist unvorstellbar entsetzlich und monströs.
Ist Bangladesch so etwas wie ein Frontstaat des Klimawandels?
Absolut! Und es erschüttert mich jedesmal, was dies für die Menschen dort bedeutet. In Bangladesch habe ich »Klimaflüchtlinge« in den Slums der Millionenmetropole und Hauptstadt Dhaka getroffen. Sie haben alles verloren. Die Frauen sind dann gezwungen, in den Textilfabriken unter den bekannten lebensgefährlichen Bedingungen zu arbeiten.
Wie sieht es an der Küste von Bangladesch aus?
An der Küste dehnen sich die Garnelen-Aquakulturen auf einer Fläche doppelt so groß wie der Bodensee aus. Eine Apokalypse aus Matsch! Dort hungern die Menschen, weil dort die Reisfelder zugunsten von Garnelen-Aquakulturen zerstört wurden. Dafür wurden – unter anderem mit Hilfe der Weltbank – auch Mangrovenwälder zerstört, die ein wichtiger Schutz gegen Überschwemmungen und bei Naturkatastrophen waren. Dadurch haben sich die Folgen des Klimawandels noch verschärft. Und viele Menschen sind dazu gezwungen, ihre eigene Lebensgrundlage zu zerstören, um Überleben zu können – etwa indem sie wilde Schrimpslarven für die Zuchten sammeln, was dafür sorgt, dass die Fischbestände schwinden.
Klimawandel in Deutschland
Wie wirkt sich der Klimawandel in Deutschland aus?
Auch hier gibt es extreme Wetterereignisse und trockene Sommer. Zecken und Mücken, die hier nicht heimisch sind und schwere Krankheiten übertragen, haben sich hier angesiedelt, neue Parasiten breiten sich aus. Das wird noch schlimmer werden. Aber wir wähnen uns in einer trügerischen Sicherheit, auch deshalb, weil die Supermarktregale randvoll sind. Allerdings nur, weil wir unsere Teller in anderen Ländern füllen.
Wie meinst du das?
Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland werden für die Fleischproduktion verwendet, für Futter und Weideflächen und Mega-Ställe. Nur ein Fünftel des Getreides hier wird zu Nahrung für Menschen verarbeitet, auf nur einem Prozent der landwirtschaftlichen Flächen wächst Obst und Gemüse. Deutschland ist der drittgrößte Lebensmittelimporteur der Welt – und beansprucht dafür in anderen Ländern eine Fläche doppelt so groß wie die Bundesrepublik. All das treibt auch den Klimawandel voran.
Alleine RWE ist für ein halbes Prozent des globalen Klimawandels verantwortlich
Wer ist Schuld am Klimawandel?
Politikerinnen und Politiker verweisen ja gerne auf die sogenannten Schwellenländer China und Indien, die tatsächlich mittlerweile einen hohen CO2-Ausstoß haben. Aber die reichen Länder des Nordens, also die USA und die EU-Länder, sind für die Hälfte der historischen Emissionen der vergangenen 150 Jahre verantwortlich. Dort sitzen auch bis heute die global agierenden Konzerne, die wesentlich dazu beitragen. Außerdem haben die Regierungen dieser Länder großen Einfluss auf internationale Abkommen und Handelsverträge zu ihren Gunsten.
Wer sind diese Konzerne?
Das sind vor allem die fossilen Konzerne, Ölkonzerne wie BP, Shell, Exxon, Chevron, die viele Jahre Klimawandel-Leugner finanziert haben, um Zweifel zu streuen, und Parteien unterstützt haben, die ihnen ihr Kerngeschäft sichern. Es sind aber auch die großen Energiekonzerne, die auf Atomkraft und Kohle setzen, Agrarkonzerne, Lebensmittelmultis und natürlich die Autoindustrie.
Die Bundesregierung zahlt jedes Jahr um die 50 Milliarden Euro für direkte und indirekte umweltschädliche Emissionen
Sind die Konzerne aus Deutschland besser?
Nein, natürlich nicht. Alleine der Energiekonzern RWE ist als Braunkohleriese für ein halbes Prozent des globalen Klimawandels verantwortlich, er ist der größte CO2-Emittent Europas. Die deutsche Autoindustrie hat über Jahre gegen höhere Abgasgrenzen lobbyiert und immer dickere CO2-Schleudern gebaut. Darüberhinaus sorgen Agrar- und Chemiekonzerne, wie etwa Bayer-Monsanto, dafür, dass ein extrem schädliches Landwirtschaftssystem erhalten bleibt. Außerdem ist die Fleischindustrie in Deutschland abhängig von Soja, wofür in Lateinamerika Wälder vernichtet und Indigene vertrieben und umgebracht werden. Handelsketten und Lebensmittelfirmen wiederum importieren mit Palm- und Sojaöl waldvernichtende Rohstoffe.
Wieso können Konzerne eine solche Politik straflos immer weiter machen?
Es ist ja nicht illegal, was sie tun. Im Gegenteil, sie werden ja auch noch unterstützt: Die Bundesregierung zahlt jedes Jahr um die 50 Milliarden Euro für direkte und indirekte umweltschädliche Emissionen.
Die ökologische Frage ist eine Machtfrage, kein Geschäftsmodell
Wie bitte?
Ja, beispielsweise durch die Befreiung von der Kerosinsteuer für die Luftfahrt, das Diesel- und Dienstwagenprivileg oder die Subventionen für die Atom- und Kohleindustrie. Und dazu zählen auch Handelsverträge, in denen Menschenrechte und Umweltschutz keine verbindliche Rolle spielen, während die Profite von Investoren und Konzernen rechtlich verbindlich geschützt sind. Darüber hinaus blockiert insbesondere die deutsche Bundesregierung sowohl auf EU- als auch auf UN-Ebene sämtliche Versuche, verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für Konzerne und Unternehmen umzusetzen.
Das Märchen vom »Grünen Kapitalismus«
Eine Erzählung der Regierenden ist, dass die Erde sich nur retten läßt, wenn der Kampf gegen den Klimawandel »das Geschäft des Jahrhunderts« wird. Im Klimaschutzbericht der Bundesregierung von 2018 gibt es ein extra Kapitel mit der Überschrift »Energiesparen als Rendite- und Geschäftsmodell«. Was ist das Problem am »Grünen Kapitalismus«?
Das Problem ist, dass er verspricht, dass alles bleiben kann, wie es ist, und die Regierung nur an ein paar Stellschrauben drehen oder ein paar neue Technologien einführen müsse. Das System selbst, das ja für alle diese Schäden verantwortlich ist, soll so gerettet werden. Und das ist natürlich ein riesiger Blödsinn. Die ökologische und soziale Frage ist eine Machtfrage, kein Geschäftsmodell.
Was meinst du damit?
Ich stelle die Frage mal andersherum: Wenn Energiesparen, ökologisch und sozial gerechte Produktion und Handel wirklich Gewinne bringen würden – warum wirtschaften Unternehmen dann überhaupt anders? Dann hätten wir ja gar keine Umweltprobleme. Aber das Gegenteil ist der Fall: Je weniger Unternehmen auf Umwelt und Menschenrechte Rücksicht nehmen müssen, desto besser für’s Geschäft.
Die EU ist mit ihrem vermeintlichem Klimaschutz für Waldzerstörung und Klimaschäden verantwortlich
Kannst du ein konkretes Beispiel nennen?
Der sogenannte Biosprit zeigt diese ganze Heuchelei. Da hieß es, Energie aus Pflanzen wäre CO2-neutral. Vor allem aber erhofften sich Regierende und die Industrie, dass sie damit den wachsenden Verkehr in der EU absichern und sich vom Krisenrohstoff Erdöl unabhängig machen könnten, außerdem wollten sie die Landwirtschaft in Europa ankurbeln. Aber es gab nicht genug Energie von europäischen Äckern, also mussten sie importieren…
… zum Beispiel mit Palmöl aus Indonesien?
Genau. Die massive Abholzung der Wälder dort begann genau in dem Moment, als die EU die Erneuerbare Energie Richtlinie diskutierte. So ist also die EU mit ihrem vermeintlichem Klimaschutz für Waldzerstörung und Klimaschäden verantwortlich – und profitiert hat, neben den Palmölkonzernen, vor allem die Autoindustrie, die sich via Biosprit den Flotten-Abgas-Ausstoß kleinrechnen konnte und noch dickere Autos bauen konnte. Das ist grüner Kapitalismus im Konzentrat.
Die Verantwortung des Einzelnen
In den westlichen Industrieländern, besonders in Deutschland, wird von der Industrie, aber auch von vielen Politikerinnen und Politikern oder manchen NGO‘s, das »persönliche Engagement für Klimaschutz« ins Zentrum gestellt und damit an eine Änderung des individuellen Verhaltens appelliert. »Klimaschutz kann jeder und jede«, »Tipps für den Alltag«, »Klimaschutz fängt bei dir selbst an« und so weiter. Haben sie Recht?
Das Abschieben der Verantwortung auf den Einzelnen ist falsch. Es ist eine politische Frage, keine individuelle. Ich will gar nicht schlecht reden, dass Menschen sich über ihre Ernährung und Mobilität Gedanken machen und zum Beispiel nicht mehr Fliegen oder kein Fleisch mehr essen. Ich beobachte aber auch, wie dies zum persönlichen Ablasshandel wird. Vor allem aber klammert der Appell an den Einzelnen politische und vor allem soziale Fragen aus. Die Frage darf doch nicht sein: Wie wähle ich zwischen Zerstörung und Nicht-Zerstörung? Sondern: Warum ist es legal, dass so produziert wird?
Der größte Teil der CO2-Reduktion seit 1990 kommt daher, dass nach der Wiedervereinigung viele Industrien in Ostdeutschland geschlossen wurden
Industrie und Energiewirtschaft sind für 59 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Die CO2-Emissionen in diesen Sektoren sind in den letzten Jahren nahezu gleich geblieben. Wie erklärst du dir das?
Sie sind teilweise sogar gestiegen. Überrascht das irgendwen? Wir haben ja de facto keine Klimapolitik, die eine reale Reduktion von CO2 durchsetzt. Es gab einen Emissionshandel, doch weil die Bundesregierung der Industrie zu viele kostenlose Zertifikate geschenkt hat, rutschte der Preis dafür komplett in den Keller. Dazu kommt, dass weiterhin in den Individualverkehr und den Straßenbau investiert wird, anstatt in den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) und die Bahn. Und von den landwirtschaftlichen Zahlungen der EU profitiert eine absolut schädliche Landwirtschaft und die Fleischindustrie. Wo soll denn da eine Senkung der Emissionen herkommen? Und man muss sich auch vor Augen halten: Der größte Teil der CO2-Reduktion seit 1990 kommt daher, dass nach der Wiedervereinigung viele Industrien in Ostdeutschland geschlossen wurden. Danach ist wenig passiert.
CO2-Steuer und »Green New Deal«
Politikerinnen und Politiker machen sich nun für eine CO2-Steuer stark. Das Argument: Weil CO2-Erzeugung so billig ist, liebt die Industrie dieses System. Also muss CO2-Erzeugung teurer werden und anschließend kann der Markt das regeln, was er im Moment eben nicht regelt. Ist das der richtige Weg?
Nein, das hat ja schon der komplett und von Anfang an gescheiterte Emissionshandel gezeigt. Alles, was ökologische und soziale Verheerungen anrichtet, ist in eine gesetzliche Grundlage gegossen, das kommt ja nicht von irgendwoher. Würde das Märchen vom freien Markt stimmen, dann hätten Airlines und fossile Energien gar keine Chance – viel zu unrentabel! Viel zu teuer, viel zu hohe Folgekosten! Sie sind alleine deshalb so groß, lukrativ und dadurch mächtig geworden, weil sie politisch erwünscht sind und jahrzehntelang hoch subventioniert wurden, und weil wir alle die Folgekosten bezahlen. Es gibt keinen freien Markt, der Gerechtigkeit schafft, das ist eine neoliberales Märchen, das Privilegien sichern soll.
Was ist die Alternative zu einer CO2-Steuer?
Eine reale Reduktion der Treibhausgase. Ausstieg aus der Kohle so schnell wie möglich. Radikale Umgestaltung der Landwirtschaft hin zu einer ökologischen. Das wäre auch sozial gerecht, weil dann Biolebensmittel keine Frage des Geldbeutels mehr sind. Eine radikale Umgestaltung der Mobilität, weg von Individualverkehr hin zu autofreien Städten, gutem ÖPNV und einer Bahn für alle. Eine kleinteilige, dezentrale Energieversorgung weg von den großen Konzernen und Megaprojekten. Das nur als Beispiel. Es mangelt nicht an Alternativen – die liegen sogar auf der Hand. Die Frage ist: Wer verhindert sie? Wer profitiert davon, dass alles bleibt, wie es ist? Mit anderen Worten: Gegen wen müssen wir kämpfen?
Seit der neoliberalen Bahnreform sind 350.000 gesellschaftlich relevante, ökologische und sichere Arbeitsplätze vernichtet worden
In den USA fordert die linke Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez einen »Green New Deal«, um das Klima zu retten. Was hältst du von dem Vorschlag?
Ich finde interessant daran, dass die ökologische und soziale Frage dort zusammen gedacht werden: Das ist doch einer der größten Bremsklötze, dass Umwelt- und Klimaschutz und Arbeitsplätze ständig gegeneinander ausgespielt werden. Ich finde das zum Beispiel bemerkenswert, wie immer dann plötzlich die soziale Frage gestellt wird, wenn es darum geht, das Schädliche zu erhalten.
Inwiefern?
Beispiel CO2-Steuer. Da entdeckt sogar die Union ihr Herz für die Armen, während ihr das bei der Vermögenssteuer völlig schnurz ist. Und beim Kohleausstieg verteidigt dann auf einmal die SPD Arbeitsplätze gegen den Klimaschutz. Dabei war es ja nicht Umweltschutz, der viele Menschen in Deutschland arm gemacht hat, sondern ihre Agenda 2010. Und nur nebenbei: Seit der neoliberalen Bahnreform sind 350 000 gesellschaftlich relevante, ökologische und sichere Arbeitsplätze bei Bahn, im ÖPNV und der Bahntechnik vernichtet worden. Gab es da einen Aufschrei wie jetzt bei der Kohle? Allerdings kann aus einem Green New Deal schnell ein grün lackierter Kapitalismus werden, wenn wir nicht von unten an einem sozialen und ökologischen Umbau arbeiten. Dazu müssen sich ökologische und soziale Bewegung zusammentun. Denn soziale Fragen sind immer auch ökologische und umgekehrt. Und eine wirklich wichtige Frage ist: Was und wie wollen wir künftig arbeiten?
Widerstand für Klimaschutz
Was erwartest du von den internationalen Verhandlungen bei den Klimakonferenzen?
Dass weiter an einem System festgehalten wird, das für all die Schäden verantwortlich ist. Ich will nicht zynisch klingen, internationale Verhandlungen sind wichtig. Aber unter diesen Bedingungen reichen diese bei weitem nicht. Es braucht den Druck von unten. Und der wächst.
Gibt es vielleicht technische Lösungen gegen den Klimawandel, oder ist alles politisch?
Natürlich gibt es Technologien, die gut sind – die Frage ist aber immer: Wem nützt diese Technologie? Ist sie ein Mittel zum Machterhalt und Privilegiensicherung, wie zum Beispiel Geoengineering oder Grüne Gentechnik? Oder reden wir über Technologien, über die demokratisch bestimmt werden kann und die der Allgemeinheit nützen? Also zum Beispiel Agrarökologie oder ein gut ausgebauter ÖPNV und eine Bahn für alle, statt wahnsinniger Großprojekte.
Veränderung kommt nicht durch einen »grünen Kapitalismus« oder einen bessern Konsum, sondern durch politischen Protest.
Ein Slogan der Klimabewegung ist: »System Change not Climate Change!« Gibt es aus deiner Sicht eine Möglichkeit, gegen den Klimawandel zu kämpfen, ohne auch gegen den Kapitalismus zu kämpfen?
Das System ist die Ursache für den Klimawandel, er lässt sich mit kapitalistischen Mitteln weder verhindern noch so lindern, dass es für alle gerecht wäre. Genau das habe habe ich ja bei meine Recherchen vor Ort immer wieder gesehen: Gerade unter dem grünen Deckmäntelchen passieren entsetzliche Dinge, die mich wütend machen. Ich möchte nie mehr auf abgebranntem Regenwald stehen und nie mehr in der Hütte einer jungen verarmten Mutter von fünf Kindern sitzen, deren Mann von der Palmölfirma totgeschlagen wurde, damit die Industrie weiter unbehelligt Palmöl als Schmiermittel für ihre angeblich klimafreundlichen, grünen Produkte bekommt. Das muss aufhören!
Wie schaffen wir das?
Für mich ist klar: Veränderung kommt immer von unten. Also eben nicht durch einen »grünen Kapitalismus« oder einen bessern Konsum, sondern durch politischen Protest. Es gibt genügend Alternativen, wie der Klimawandel sofort und wirksam eingedämmt werden könnte. Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, schließlich geht es um die Lebensgrundlage von uns allen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Yaak Pabst.
Buchtipp:
Kathrin Hartmann
Die grüne Lüge. Weltrettung als profitables Geschäftsmodell
Blessing Verlag
240 Seiten
15 Euro
Schlagwörter: Inland, Klima, Klimabewegung, Klimakrise, Klimaschutz, Ökologie