Die Proteste von »Fridays for Future« und »Ende Gelände« im rheinischen Braunkohle-Revier sind vorbei. Wir sprachen mit Gösta Beutin, Klima- und Energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. Er hat die Aktionen am Wochenende als parlamentarischer Beobachter begleitet
Welchen Eindruck haben die Aktionen am Wochenende bei dir hinterlassen?
Die Proteste für konsequenten Klimaschutz im Rheinland waren beeindruckend. Am Freitag demonstrierten Zehntausende bei der »Fridays for Future«-Demonstration in Aachen. Mit 50.000 Teilnehmenden war es die größte Demonstration in der Geschichte Aachens und erreichte ähnlich viele Menschen wie bereits die Proteste im Hambacher Forst letztes Jahr. Aber auch die Aktionen von »Ende Gelände« waren mit mehreren tausend Menschen so gut besucht wie noch nie. Es ist klar: Immer mehr Menschen schließen sich der Klimabewegung auf der Straße an.
Was war bei »Ende Gelände« los?
Ende Gelände ist ein Bündnis, das mit Aktionen des zivilen Ungehorsams mehr Druck entfalten möchte. Das ist ihnen gelungen. Die Versorgung des größten Braunkohlekraftwerk Deutschlands in Neurath wurde über 48 Stunden durch eine Gleisblockade vom Kohle-Nachschub abgeschnitten. Es gelang am Samstag und Sonntag über 1500 Aktiven, die Mondlandschaft des Tagebaus, deren Bagger und Förderbänder lahmzulegen.
Warum sind solche Aktionen wichtig?
Der Klimaschutz der Regierenden geht über bloße Lippenbekenntnisse nicht hinaus. Obwohl die Klimakrise immer weiter voranschreitet, haben wir in Deutschland klimapolitischen Stillstand.
Was meinst du damit?
Die Bundesregierung hat im sogenannten Kohlekompromiss beschlossen, das der Kohleausstieg erst 2038 kommen soll. Die wollen ernsthaft noch 20 Jahre weiter Kohle verheizen. Dabei gibt es keine technischen Gründe, die Kohlekraftwerke weiterlaufen zu lassen. Es gibt nur einen wirtschaftlichen: Die Profite von RWE und anderen Konzernen. Das ist untragbar.
Was macht »Ende Gelände« anders?
Das Bündnis nimmt diese Zustände nicht hin und schaut nicht weiter zu, wie unsere Zukunft durch die aktuelle Politik und Konzerninteressen zerstört wird. Die zentralen Forderungen von »Ende Gelände« sind die sofortige Beendigung der Braunkohleverstromung in Deutschland und weltweit, Klimagerechtigkeit und die Überwindung des Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang und Ausbeutungsmechanismen. Das Aktionsbündnis versteht, dass echter Klimaschutz und Klimagerechtigkeit nur funktionieren, wenn wir uns mit der Kohleinfrastruktur, den Konzernen und Profiteuren der Klimakrise anlegen.
Und was war von den Gewerkschaften zu sehen?
Plakate der lokalen Gewerkschaftsvertretungen von ver.di und IGBCE waren überall an den Tagebauen zu sehen. Leider spielen diese eine absolut unrühmliche Rolle. Mit den Slogans wie »Kein Bild, kein Ton? Deutschland ohne Braunkohlestrom!« oder »Schnauze voll, von Gewalt durch Ökoaktivisten!« und »Ohne Braunkohlestrom stirbt die ganze Region!«.
Aber das sind doch nur Plakate der Regionalverbände.
Stimmt. ver.di hat auf Bundesebene eine andere Position. Aber es macht deutlich, wie zugespitzt die Lage ist. Es macht aber auch ein Feld für die LINKE auf, wo wir mit einer verbindenden Klassenpolitik die das soziale mit dem ökologischen zusammen bringt viel gewinnen können. Die Gewerkschaften haben sich in Umweltfragen zu oft auf die Seite der Problemverursacher geschlagen und sich damit einen Bärendienst erwiesen.
Warum Bärendienst?
Die Sicherung der Arbeitsplätze ist eine wichtige Forderung. Es ist politisch aber absolut falsch, die Klimagerechtigkeit gegen die Existenzsorgen der Beschäftigten auszuspielen. Die Gewerkschaften müssten eigentlich zum Bündnispartner des wachsenden Widerstands gegen die Klimakrise werden. Dann könnten sie auch für die Forderungen der Belegschaften mehr Druck entwickeln. Die IG Metall plant beispielsweise eine Demonstration am 29. Juni in Berlin unter dem Motto: »#Fairwandel – Nur mit uns« will die Gewerkschaft ein Zeichen setzen für eine soziale, ökologische und demokratische Transformation.Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Du warst als parlamentarische Beobachter der LINKEN die ganze Zeit vor Ort. Was ist deine Rolle dabei?
Meine Rolle als Parlamentarischer Beobachter ist die der Begleitung, Augenzeugenschaft, Dokumentation, des Vermittelns, Ansprechpartner und der Hilfe in Notsituationen. Ich bin also bei den Protestaktionen zwischen Aktiven auf der einen und Polizei und RWE-Personal auf der anderen Seite.
Was bedeutet das konkret ?
Kommt es zu Rechtsbrüchen auf Seiten der Staatsgewalt, dann weise ich die Beamten darauf hin, was oft schon hilft. Allein meine sichtbare Anwesenheit, das Tragen einer Warnweste mit Aufschrift, führt schon dazu, dass sich die Polizisten beobachtet fühlen. Dadurch lassen sie sich nicht so schnell zu Gewalt oder Schikane hinreißen.
Durch deinen Beobachterstatus gelangst du durch Polizeiabsperrungen und zu Festgenommenen. Was kannst du dadurch bewirken?
In Verhandlungen mit der Einsatzleitung können Erleichterungen für die Teilnehmenden am Protest erreicht werden. Außerdem kann ich Informationen über den Polizeieinsatz gewinnen. Als Augenzeuge kann ich auch verzerrten Medienberichten mein Wort entgegensetzen, etwa über die vermeintliche Gewaltbereitschaft von »Ende Gelände«. Und nicht selten sind es einfach nur aufmunternde Worte nach Polizeigewalt oder eine Flasche kaltes Wasser für Menschen in einem Polizeikessel.
Warum sind Aktionen des zivilen Ungehorsams überhaupt wichtig?
Aktionen des zivilen Ungehorsams sind immer dann vonnöten, wenn andere Mittel nicht ausreichen. Die Bundesregierung handelt fahrlässig, wenn sie beim Klimaschutz mehr die Konzerninteressen verteidigt als für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen einzustehen.
Sind Besetzungen von Privateigentum in solchen Fällen legitim?
Ja. Die Blockaden von Kohlebaggern und Kohlegruben sind ein Medienspektakel und wichtig für die ökologische und soziale Bewusstseinsbildung. Auch wird vielen Menschen durch diesen Aktivismus gezeigt, dass Ohnmacht angesichts der gesellschaftlichen Krisen kein Muss ist. Jeder kann seine Stimme erheben und seinen Protest auf die Straße tragen.
War die Aktion erfolgreich ?
Allerdings. Es war die erfolgreichste Aktionswoche von Ende Gelände seit Bestehen des Bündnisses. Es ist aber völlig klar, dass diese Aktionswoche nur ein weiteres Puzzlestück für echten Klimaschutz ist. Besonders wichtig wird jetzt nach der Blockade der Kohle-Infrastruktur, dass wir auch die anderen Konzerne, die den Planeten verheizen, weiter unter Druck setzen.
Was ist dafür geplant?
Es wird zum Beispiel Aktionen von »Ende Gelände« gegen die internationale Automobilbranche und Profiteure der Klimakrise geben. Vom 20. bis 27. September findet außerdem der »Earth Strike Day« statt. Zu diesem »general strike to save the planet« haben »Fridays for Future«, Extinction Rebellion, Greta Thunberg und viele weitere aufgerufen. Wir müssen den außerparlamentarischen Protest weiter aufbauen.
Gösta, wir danken dir für das Gespräch.
Interview: Elina Fleurs
Foto: endegelaende
Schlagwörter: DIE LINKE, Inland, Klima, Klimakrise, Klimaschutz, Klimawandel, Protest