Die Inflationsrate erreicht immer neue Rekorde. Die Gewerkschaften müssen jetzt höhere Löhne fordern, damit die Kosten der Krisen nicht bei den Arbeiter:innen landen. Ein Kommentar von Thomas Walter
Die Kapitalseite behauptet, die Gewerkschaften würden mit höheren Forderungen eine »Lohn-Preis-Spirale« lostreten, welche die Preise erst recht nach oben treibe. Das Handelsblatt warnt vor einer »Lohnblase«. Doch die Arbeiter:innen haben die Fehler der Gesundheitspolitik, die Umweltzerstörung, die kapitalistischen Kriege nicht zu verantworten. Die Gewerkschaften müssen mindestens entsprechend den Preissteigerungen Lohnerhöhungen erkämpfen, um wenigstens die Kaufkraft zu verteidigen.
Anders als von den Gewerkschaften bisher erwartet, hat sich die Inflation ausgebreitet. Alle wichtigen Waren – von Energie bis Lebensmitteln – sind vom Preisauftrieb erfasst. Das bedeutet: Nach den mäßigen Lohnsteigerungen der vergangenen Jahre verzeichnen die Arbeiter:innen in Deutschland eine sinkende Kaufkraft ihrer Löhne. Die Inflation nagt auch an den Altersruhegeldern der Arbeiter:innen und den Ersparnissen. In einigen europäischen Ländern sind die Inflationsraten schon zweistellig, hier der April: Litauen 17 Prozent, Estland 19 Prozent, Niederlande 11 Prozent. In den USA betrug im März die Inflationsrate 9 Prozent. Auch Japan, seit den 90er Jahren wirtschaftlich stagnierend, verzeichnet mit über 1 Prozent einen Inflationsrekord.
Die Inflation ist eine bequeme und marktwirtschaftliche Art, Kosten von Krisen auf die Arbeiter:innen abzuwälzen. Konzerne nutzen die Knappheit für Extraprofite. Unternehmen horten Vorprodukte und verschärfen so die Knappheit.
Kosten, die dem Konkurrenzkampf dienen, also Kosten für Rüstung, für neue Lieferbeziehungen, für die Suche nach einem neuen »Geschäftsmodell«, gelten als unveränderbare Naturgrößen. Löhne und Soziales sind dagegen Verfügungsmasse.
Kräfteverhältnisse stützen Gewerkschaften
Dabei sind die Kräfteverhältnisse für die Gewerkschaften derzeit nicht schlecht. Unternehmen wollen wegen der kapitalistischen Krise ihre Produktion wieder nach Deutschland zurückverlagern. Die Drohung mit der Produktionsverlagerung ins Ausland zieht nicht mehr. Stellenangebote der Unternehmen steigen stärker als Stellengesuche von Arbeiter:innen. IT-Spezialist:innen konnten sogar in der Coronazeit 2019 bis 2021 Gehaltserhöhungen von über 5 Prozent je Jahr erzielen. Die Unternehmen fordern, dass zukünftig mindestens 400.000 Arbeiter:innen aus dem Ausland jährlich zuwandern, sonst würden Arbeitskräfte knapp.
Um Verbesserungen muss gekämpft werden. Am 28. Oktober endet in der Metallindustrie die Friedenspflicht. Im Herbst stehen dann neue Tarifverhandlungen für insgesamt 7 Millionen Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie sowie bei Bund und Kommunen an.
Reagieren die Unternehmen auf höhere Löhne mit weiteren Preiserhöhungen, sind Preisstopps angesagt, wie sie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland oder in den frühen 70er Jahren in den USA galten. Verweigern die Unternehmen dann die Produktion, sind wichtige Konzerne zu verstaatlichen. Schon jetzt verstaatlicht der Staat regelmäßig Pleiteunternehmen. Verstaatlichungen sind also kein Tabu, wenn sie dem Kapital nützen. Verstaatlichungen und Enteignungen sind gegen steigende Preisforderungen und Produktionsstopps der Konzerne ein Gebot der Stunde.
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Schlagwörter: Gewerkschaften, Inflation