Ein Mordprozess in Athen wirft ein Schlaglicht auf die Unterdrückung von LGBTQI+-Personen in Griechenland unter den Bedingungen von Pandemie und Krise. Von Afroditi Fragkou von der Initiative »In den Knast mit den Mördern von Zackie Oh«
Zak Kostopoulos, Künstler und Aktivist, auch bekannt unter seinem Drag-Namen »Zackie Oh«, wurde am 21. September 2018 in Athen brutal zu Tode geprügelt. Zwei Geschäftsinhaber traten ihm erbarmungslos gegen den Kopf. Später setzten acht Polizisten den Angriff unter dem Vorwand fort, ihn ruhig zu stellen und ihm Handschellen anzulegen. Ein Rettungssanitäter versäumte es, ihn wiederzubeleben.
Von diesen 11 Personen, die für den Tod von Zak Kostopoulos verantwortlich sind, sind sechs nun in einem Prozess des Mordes angeklagt. Dieser Prozess hat am 20. Oktober, drei Jahre und einen Monat nach dem Mord, begonnen.
Am ersten Prozesstag fand eine Kundgebung vor dem Gericht statt, zu der die Bewegung »Gerechtigkeit für Zak/Zackie Oh« aufgerufen hatte. Colour Youth, die Initiative »Jail the murderers of Zackie Oh«, die Jugendorganisation von Syriza, »Open city«, »Rainbow Families«, das antirassistische und antifaschistische Bündnis KEERFA, ein alternativer Anwaltsverein und autonome Gruppen nahmen daran teil.
Fotojournalist:innen nicht zugelassen
Das Gericht ließ drei Prozessbeobachter:innen zu: einen von »Zackie Oh Justice Watch«, einen von Amnesty International und einen von »LGBT+ Orlando«. Aufgrund der Covid-19-Maßnahmen wurden jedoch nicht mehr als vier Journalist:innen gleichzeitig zugelassen. Fotojournalist:innen durften nicht über den Prozess berichten.
In der ersten Sitzung des Gerichts sagten drei von vier Mitgliedern der Familie von Zak Kostopoulos (seine Eltern und einer seiner Brüder) aus. Sie beschrieben Zaks Persönlichkeit und seine Arbeit als Schriftsteller und Aktivist, seine Abneigung gegen Gewalt und seine Sensibilität gegenüber den Unterdrückten.
Die Fragen der Verteidigung waren ein Versuch, das Opfer anzugreifen, als ob Zak derjenige wäre, der vor Gericht steht. Die nächsten beiden Sitzungen finden am 9. und 16. November statt.
Prozessbeginn verzögert
Der Prozess hätte eigentlich am 21. Oktober 2020 beginnen sollen. Der damalige Verteidiger der vier Polizisten, Thanos Plevris, verlangte die Aussetzung auf unbestimmte Zeit. Er berief sich dabei auf einen Ministerialerlass, der die Anzahl der Personen in jedem Gerichtssaal auf 15 begrenzte.
Plevris ist Abgeordneter der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia mit Nähe zum Faschismus. Später wurde er zum Gesundheitsminister ernannt. Da er dieses Amt derzeit innehat, vertritt er die Polizisten nicht mehr.
Vertuschen und verschleiern
Nach dem Mord an Zak Kostopoulos wurden enorme Anstrengungen unternommen, den Fall zu vertuschen und zu verschleiern. Die unmittelbaren Schlagzeilen lauteten »Einbrecher bei Fluchtversuch getötet«. Der Mord wurde zunächst als Selbstverteidigung der Geschäftsinhaber dargestellt.
Als die Videos von seiner Ermordung in Umlauf gebracht wurden, hieß es in den Massenmedien, er habe ein Messer in der Hand gehalten und unter Drogeneinfluss gestanden. Dies wurde durch die toxikologische Untersuchung und die Untersuchung der Fingerabdrücke widerlegt. Dann versuchte man, die Bedeutung seiner Verletzungen für seinem Tod zu verharmlosen. Man nutzte dabei den vagen ersten gerichtsmedizinischen Bericht.
Aus dem endgültigen gerichtsmedizinischen Bericht ging eindeutig hervorging, dass seine Verletzungen zu seinem Tod führten. Einige rechtsgerichtete Medien setzten ihre Bemühungen fort, die Öffentlichkeit zu verwirren und ihren Hass zu schüren. Sie erinnerten daran, dass Zak Kostopoulos schwul und HIV-positiv war.
Angriffe auf Journalist:innen
Die beiden Geschäftsinhaber konnten sich gegenüber Fernsehsendern zu dem Vorfall äußern und ihn als versuchten Raubüberfall darstellen. Sie nutzten die Zeit, um die öffentliche Meinung gegen Zak zu beeinflussen, indem sie in den sozialen Medien gegen ihn schrieben. Erst nach Tagen wurden sie verhaftet, nachdem sie Zeit hatten, Beweise zu beseitigen. Selbst nachdem sie verhaftet wurden, ließ man sie nach ihren Verteidigungserklärungen wieder frei. Die Polizisten wurden nicht einmal mit Disziplinarmaßnahmen belegt.
A. Chortarias, einer der Geschäftsinhaber, ist Mitglied einer rechten Gruppe. Er fühlte sich in den 15 Monaten nach dem Mord sicher genug, um zweimal Journalist:innen anzugreifen, die über den Fall geschrieben hatten, und zwar genau an dem Ort, an dem er Zak Kostopoulos zu Tode geprügelt hatte (darunter die Verfasserin, Anmerkung des Übersetzers). Die beiden Angriffe von A. Chortarias auf Journalist:innen sind ein klarer Hinweis auf die Botschaft des Staates: Straffreiheit. Er ist immer noch frei.
Solidarität und Empörung
All diese Bemühungen konnten die Empörung über diesen Mord nicht aufhalten. OENGE, der panhellenische Verband der Ärzt:innen in öffentlichen Krankenhäusern, gab eine Erklärung ab, in der er erklärte, dass es inakzeptabel sei, einen Patienten in Handschellen aufzunehmen, und forderte, dass die Verantwortlichen für seinen Tod bestraft werden.
Die OENGE wies auch auf die Politik der Ausgrenzung hin, die für die Dreistigkeit der Täter und der Medien, das Opfer anzugreifen, verantwortlich ist. Die Mitarbeiter:innen von »18 ano«, einem Rehabilitationsdienst, gaben ebenfalls eine Erklärung ab. Sie hoben unter anderem die Rolle der Ausgrenzungspolitik sowie des von der Polizei geschützten organisierten Verbrechens für die Zunahme ähnlicher Vorfälle gegen Ausgegrenzte hervor.
Demonstrationen in ganz Europa
In den ersten Tagen nach der Ermordung von Zak Kostopoulos fanden zahlreiche Demonstrationen im Zentrum von Athen und in anderen griechischen Großstädten statt. Eine der Demonstrationen, die in Athen Tausende mobilisierte, wurde von Drag Queens initiiert.
Mobilisierungen fanden auch in mehreren europäischen Städten statt. Der Name »Zak / Zackie Oh« wurde weithin bekannt. So wurde deutlich, dass die Mehrheit in diesem Fall Gerechtigkeit sehen wollte. Der Pride-Marsch von Athen im Jahr 2019 mobilisierte mehr als 80.000 Menschen und war Zackie Oh gewidmet.
LGBTQI+ in Griechenland
Die LGBTQI+-Bewegung ist seit den ersten Pride-Märschen in Athen im Jahr 2005 auf dem Vormarsch. Vor allem in den Jahren der Arbeiterbewegung gegen die Memoranden und bis 2018 konnte die LGBTQI+-Bewegung deutlich wachsen. Es fanden auch in Thessaloniki, Patras und Heraklion massive Pride-Märsche statt.
Die letzten fünf Pride-Märsche in Athen waren auch durch die organisierte Teilnahme von Gewerkschaften gekennzeichnet. Der Beamtenbund, die Gewerkschaft der Ärzt:innen der öffentlichen Krankenhäuser von Athen und Piräus, die Beschäftigten des Agios-Savvas-Krankenhauses und die Reinigungskräfte des Finanzministeriums gehörten zu denen, die den Pride-Marsch und die Forderungen der LGBTQI+-Bewegung unterstützten.
Druck auf Syriza
Die Bewegung übte erfolgreich Druck auf die Syriza-Regierung aus. Sie setzte die Gesetzgebung für gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sowie die Anerkennung der Geschlechtsidentität durch. Die Akzeptanz von LGBTQI+ Menschen in der Gesellschaft stieg von Jahr zu Jahr. LGBTQI+ Menschen wurden innerhalb der Arbeiterbewegung immer sichtbarer. Auch die LGBTQI+ Bewegung wurde immer aktiver und inklusiver. Sie bezog unter anderem den antirassistischen Kampf und den Kampf gegen antimuslimischen Rassismus mit ein.
Nicht eingelöste Versprechen
Andererseits rückte Syriza in der Regierung von ihren Versprechen ab. Sie gab viele Forderungen der LGBTQI+-Bewegung auf – wie auch in vielen anderen Bereichen. Sie ist nicht dazu übergegangen, den Staat von der Kirche zu trennen. Man hat nicht gewagt, die Diskussion über die gleichgeschlechtliche Ehe zu eröffnen. Syriza hat eine Reihe von Änderungen am Gesetzentwurf zur Geschlechtsidentität akzeptiert, die den Begriff der »persönlichen Entscheidung« kompromittieren. Und sie hat die Bereitschaftspolizei nicht aufgelöst.
Vor allem aber änderte Syriza nichts an den materiellen Bedingungen, die den Weg für die Marginalisierung von LGBTQI+ Menschen ebneten. Die Sparmaßnahmen wurden fortgesetzt, mit verheerenden Folgen für die Sozialdienste und den Wohlfahrtsstaat, auf die marginalisierte Menschen besonders angewiesen sind. Die Politik von Syriza hatte auch negative Folgen für die Rechte der Arbeitnehmer – was Minderheiten wie LGBTQI+-Menschen härter trifft.
Der Mord an Zak Kostopoulos fiel also in eine Zeit starker Polarisierung. Deshalb war das System so bemüht, die Täter zu unterstützen. Doch gleichzeitig war die erste Reaktion der Arbeiterklasse eine große Bewegung, die Gerechtigkeit forderte. Diese Bewegung ist der einzige Grund, warum es heute einen Prozess gibt.
Starke Polarisierung
Der Prozess gegen die Mörder von Zak Kostopoulos fällt in eine Zeit, in der die Polarisierung noch größer ist. In den letzten zwei Jahren gab es keine einzige Woche ohne größere oder kleinere Demonstrationen. Einschließlich der Wochen des ersten, harten Lockdowns.
Vor allem in der Zeit der Pandemie gab es in Griechenland mehrere Generalstreiks und große Bewegungen. Darunter die Bewegung der Beschäftigten im Gesundheitswesen, die #metoo-Bewegung, die Antirassismus- und Flüchtlingsbewegung, eine Nachbarschaftsbewegung gegen die Brutalität der Polizei. Mehrere Sektoren, die sich zum ersten Mal oder nach langer Zeit wieder organisieren, streiken und demonstrieren. Beispielsweise die Beschäftigten im Kunstgewerbe, im Tourismus und Lieferdiensten, die Lehrer:innen, die Beschäftigten der staatlichen Elektrizitätsgesellschaft.
Einer der wichtigsten Momente der Bewegung in diesem Zeitraum war die Beendigung des 5,5-jährigen Prozesses gegen die faschistische Goldene Morgenröte. Sein Ergebnis war die Verurteilung der Goldenen Morgenröte als kriminelle Organisation und die Inhaftierung ihrer Führung. Aus diesem Anlass gab es die größte antifaschistische Demonstration, die Athen seit Jahrzehnten erlebt hat. Die Bewegung ist unaufhörlich gewachsen und hat sich allen Angriffen der Regierung widersetzt.
Nea Dimokratia stützt sich auf Polizeigewalt
Deshalb stützt sich die Regierung der Nea Dimokratia in hohem Maße auf Polizeigewalt. Seit ihren ersten Tagen an der Macht hat die Nea Dimokratia gezeigt, dass sie »mit der Kraft unserer Schlagstöcke regieren wird«. So äußerte sich ein hochrangiger Polizist und Mitglied der Nea Dimokratia direkt nach den Wahlen.
Die Nea Dimokratia begann mit der Räumung von besetzten Häusern. Sie verschärfte die polizeilichen Angriffe auf die Bewegung und die polizeilichen Kontrollen von Einwander:innen. Sechs Monate nach Beginn ihrer Amtszeit begann sie einen beispiellosen Angriff auf Geflüchtete.
Sie reagierte auf die Pandemie mit noch mehr Repression und Polizeibrutalität, indem sie den Beamt:innen übermäßige Befugnisse gegenüber der Zivilbevölkerung einräumte. Unter dem Vorwand von Hygienemaßnahmen ließ sie Menschen schikanieren.
Sie verabschiedete ein Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen und nutzte dieses Gesetz, um friedliche Demonstrationen von Lehrer:innen, Flüchtlingsfamilien und Studierenden anzugreifen. Die Eskalation der Polizeibrutalität hat zu mehreren Vorfällen geführt, bei denen Polizisten auf Verdächtige schossen, zuletzt mit tödlichem Ausgang – das Opfer war ein unbewaffneter 18-jähriger Rom.
Pandemie und LGBTQI+
Die Pandemie hat die Situation von LGBTQI+-Personen, HIV-positiven Menschen und gefährdeten Bevölkerungsgruppen im Allgemeinen erheblich verschlechtert. Das nationale Gesundheitssystem wurde von der Regierung, die versucht, große Teile davon zu privatisieren, noch härter angegriffen. Das Recht auf Geschlechtsidentität wurde dadurch beeinträchtigt, dass die Gerichte sich auf das »absolut Notwendige« beschränken.
Die Arbeitsbedingungen und die Rechte der Arbeitklasse haben sich durch die neuen arbeitnehmerfeindlichen und antisyndikalistischen Gesetze verschlechtert. Gleichzeitig haben Tausende von Menschen ihren Arbeitsplatz verloren haben oder sind in prekären Arbeitsverhältnissen gelandet. Es gibt eine zunehmende rechte Rhetorik gegen Randgruppen, Frauen und LGBTQI+. Es gab Berichte über Belästigungen von LGBTQI+-Menschen.
Ein entscheidender Prozess
All dies bedeutet, dass der Prozess wegen des Mordes an Zak Kostopoulos, der ohnehin schon ein wichtiger Kampf war, sich zu einem entscheidenden Prozess entwickelt. In Anbetracht der Tatsache, dass vier Polizisten involviert sind, ist dies ein weiterer Fall, bei dem das System nicht will, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Unterdessen entscheidet ein Justizrat noch darüber, ob die anderen vier Polizisten, die an der Belästigung von Zak beteiligt waren, ebenfalls angeklagt werden sollen. Doch die Erfahrung des Sieges gegen die Goldene Morgenröte ist frisch und zeigt den Weg.
Die Initiative »In den Knast mit den Mördern von Zackie Oh« ruft zu einer breiten Kampagne für die Forderung nach Bestrafung aller an dem Mord Beteiligten auf. Es gibt eine Reihe von offenen Veranstaltungen und Diskussionen im ganzen Land. Das Ziel ist, dass Gewerkschaften, Studierendenvereinigungen und lokale Initiativen zu diesem Prozess Stellung beziehen. Etwa mit Resolutionen, organisierter Teilnahme an den Mobilisierungen vor den Gerichten und finanzieller Unterstützung der Anwälte der Familie.
Die Studierendenvereinigung des Fachbereichs Angewandte Kunst der Universität West-Attika ist die erste, die in diesem Jahr eine solche Resolution verfasst hat. Im letzten Jahr anlässlich des Prozessbeginns taten dies auch die professionellen Tänzer:innen und mehrere andere Studierendenvereinigungen.
Die Initiative »In den Knast mit den Mördern von Zackie Oh« betont, dass dieser Kampf mit allen anderen Kämpfen der Arbeiterbewegung verbunden sein muss. Der Kampf für LGBTQI+-Rechte muss von ihr aufgenommen werden. Das Endergebnis dieses Kampfes wird davon abhängen, ob es eine organisierte, massive Antwort auf die Politik der Nea Dimokratie, auf Homo-/Transphobie und Ausgrenzung gibt. Es ist ein Kampf gegen die Regierung selbst und das System, dem sie dient.
Schlagwörter: Griechenland, Syriza