Nach einem tödlichen Arbeitsunfall in Piräus legten die Docker ihre Arbeit nieder. Ihr Streik in Griechenland erzwang bessere Arbeitsbedingungen. Von Manos Nikolaou
Ein weiterer Streik in Griechenland ist erfolgreich verlaufen. Nach dem erfolgreichen Kampf der Beschäftigten von efood haben die Beschäftigten von COSCO ihre Forderungen nach mehr Sicherheit am Arbeitsplatz durchgesetzt. COSCO (China Ocean Shipping Company) betreibt einen Teil des Hafens von Piräus. Piräus ist einer der größten Häfen am Mittelmeer. Der Streik dauerte sieben Tage. Ein weiterer 48-stündiger Streik war bereits angekündigt.
Der 45-jährige Arbeiter Dimitris Dagklis wurde am 25. Oktober 2021 unter einem COSCO-Portalkran im Hafen von Piräus getötet. Die ENEDEP (Gewerkschaft der Beschäftigten im Containertransport in Piräus) erklärte, dieser tödliche Unfall sei »eine Folge der Intensivierung der Arbeit und des Fehlens der notwendigen Mittel zum Schutz unserer Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit. Ursache für den Unfall sind die Gegenschichten [Anm.: Schicht innerhalb der nächsten 12 Stunden seit der letzten Schicht], die Überstunden und der Einsatz von ›neuen Arbeitnehmern‹ ohne angemessene Ausbildung. Die Erpressung durch die Arbeitgeber bei Vertragsverlängerungen, die Nichtbeachtung von Müdigkeit und Krankheit, aber auch unserer Angst, etwas abzulehnen, haben zu so einem Unfall geführt. Der Unfall ereignete sich, weil COSCO die Arbeitnehmer für ihre Profite opfert.«
COSCO hingegen beeilte sich, die Verantwortung von sich zu weisen. Das Unternehmen sagte, dass »der Verstorbene sich … aus unbekannten Gründen in der Nähe von Portalkran 10 befand«, wo er »aus bis heute nicht geklärten Gründen die Navigationsbrücke berührte«. Gleichzeitig verbreitete es in den Medien die falsche Information, dass Dagklis während des Unfalls nicht im Dienst gewesen sei.
Streik in Griechenland
Die Beschäftigten von COSCO streikten in der Woche nach dem Tod ihres Kollegen für sieben Tage. Für Freitag, den 5. und Samstag, den 6. November 2021 kündigten sie einen weiteren 48-stündigen Streik an. Unter diesem Druck ging COSCO bereits vor Beginn des zweiten Streiks auf die Forderungen der Beschäftigten ein. Das Unternehmen erklärte sich bereit, die Zahl der Beschäftigten auf jedem Posten von vier auf fünf zu erhöhen und die Gegenschichten abzuschaffen. Zuvor hatte COSCO die ENEDEP als offiziellen Verhandlungsführer der Arbeitnehmer anerkannt und die Einrichtung eines Ausschusses für Gesundheit und Sicherheit beschlossen, an dem die ENEDEP teilnehmen würde. Das nächste Ziel ist die Unterzeichnung eines Tarifvertrags. Dessen Entwurf hatte die ENEDEP auf ihrer großen Versammlung am 5. November 2021 an die Arbeitnehmer verteilt.
Während des Streiks gab es neben den täglichen Versammlungen auch massive Mobilisierungen und Autokorsos. Beschäftigte aus ganz Attika nahmen daran teil. Mobilisierungen fanden am Containerterminal, am Hauptsitz von COSCO, am Korai-Platz (im Zentrum von Piräus) und vor dem Gericht statt. Die Gewerkschaft der Arbeiter von OLP (der Teil des Hafens, der noch der öffentlichen Hand gehört) führte ebenfalls einen Solidaritätsstreik durch. Das Zentrum der Arbeiter:innen von Piräus organisierte ein Treffen vieler Gewerkschaften, um Solidarität am 31. Oktober und eine Mobilisierung vor dem Arbeitsministerium am nächsten Tag zu organisieren. Die Gewerkschaft der Beschäftigten im Tourismus- und Gastgewerbe organisierte eine Gemeinschaftsküche im Hafen, um den Streikenden Essen anzubieten.
Lokaler und antikapitalistischer Widerstand
Neben COSCO selbst ist die Partei »Nea Dimokratia« für den Tod des Arbeiters verantwortlich. Das neue Gesetz von Arbeitsminister Chadjidakis erlaubt den Bossen, mit den Arbeitszeiten zu machen, was sie wollen. Es setzt zum ersten Mal in Griechenland den 8-Stunden-Tag außer Kraft und bietet die Möglichkeit für legale 10-Stunden-Schichten. Die antikapitalistische Linke betont in ihrer Intervention zum Hafenarbeiterstreik, dass die Forderung nach Verstaatlichung von COSCO ohne Entschädigung für die Bosse in den Vordergrund gerückt werden sollte. Weiter fordert sie einen öffentlichen Hafen unter Kontrolle der Arbeiter:innen und den Stopp des Masterplans von COSCO.
Der Masterplan von COSCO sieht den Ausbau des Hafens und den Bau von 6 weiteren Kreuzfahrtdocks/-plattformen vor. Das Unternehmen begann illegal und heimlich mit den Arbeiten, ohne den erforderlichen Umweltverträglichkeitsbericht vorzulegen. Dabei sind schon die Anforderungen für ein solches Projekt bereits zu niedrig. Unter dem Druck der lokalen Bewegung war das Unternehmen gezwungen, die Arbeiten für eine gewisse Zeit einzustellen.
Regierung gegen Streik
Damianos, ein COSCO-Arbeiter und Mitglied der ENEDEP, sagte: »Als der Unfall passiert war, haben wir sofort die Arbeit niedergelegt. Alle Beschlüsse über Mobilisierungen waren einstimmig. Niemand hat zurückgezogen, obwohl unsere Arbeitgeber uns erpresst haben. Ein Gericht entschied am 29. Oktober 2021, dass unser Streik illegal sei, weil er nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, vier Tage vorher angekündigt worden war. Als ob wir ahnen könnten, dass es einen tödlichen Unfall geben würde! COSCO nutzte das neue Chadjidakis-Gesetz immer wieder vor Gericht. Es handelt sich um ein Gesetz, dessen Hauptzweck darin besteht, die Arbeitnehmer daran zu hindern, sich zu organisieren und zu streiken.
Unser Streik ist wirkungsvoll, weil er COSCO viel Geld kostet. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass wir zu einem Treffen mit der International Maritime Union, der Industrie- und Handelskammer, dem Transportverband, den Schiffseignern und dem Minister eingeladen wurden, um uns mitzuteilen, dass der Druck auf dem Markt groß ist.
Die Streikforderungen
Unsere Forderungen sind nicht übertrieben. Wir fordern zum Beispiel mehr Personal für jeden Posten. Wenn es einen weiteren Menschen bei Dimitris gegeben hätte, wäre er vielleicht nicht getötet worden. Abgesehen von den schrecklichen Arbeitszeiten und den Gegenschichten haben fast 50 Prozent der Beschäftigten 16-Tage-Verträge. Wir wollen, dass alle einen festen Arbeitsplatz bekommen. Wir fordern, dass die Arbeitnehmer in einem Gesundheits- und Sicherheitsausschuss vertreten sind. Und wir brauchen einen Tarifvertrag, der all dies widerspiegelt.
Das Wichtigste, was wir bereits erreicht haben, ist, dass sich die Arbeitnehmer um die Gewerkschaft geschart haben. Die große Mehrheit unterstützt die Mobilisierungen. Die Beteiligung an den Wahlen unserer Gewerkschaft ist so hoch wie nie zuvor. Es wurden viele neue Mitglieder aufgenommen. Es gibt viele Erpressungen und Einschüchterungen von Seiten der Arbeitgeber. Sie drohen, die Verträge nicht zu verlängern, wenn man sich der Gewerkschaft anschließt. Aber die Leute widersetzen sich dem.
Solidarität mit uns gibt es nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international. Am 28. Oktober 2021 gab es am Hauptsitz von COSCO in der Türkei und in Livorno in Italien Mobilisierungen unserer Kolleg:innen zur Unterstützung unserer Forderungen.«
Kampf gegen das Unternehmen
COSCO hat 2009 begonnen, einen Teil des Hafens zu leasen. Bis 2020 gelang es dem Unternehmen, die Mehrheit der Anteile zu übernehmen. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten von COSCO sind wesentlich schlechter als die der Beschäftigten von OLP. Ihre Arbeitszeiten sind schlechter und die Löhne sind niedriger. Sie erhalten keine Zuschläge, wenn sie an Feiertagen arbeiten. Kurzzeitverträge sind weit verbreitet. COSCO hat sich hartnäckig gegen die Gründung einer Gewerkschaft gewehrt. Das Unternehmen hat Faschisten als Streikbrecher eingesetzt. Es hat die Gewerkschaft vor Gericht angeklagt. COSCO hat sogar seine eigene Gewerkschaft gegründet, die nach dem Tod von Dimitris Dagklis die Arbeiter aufrief, »leise zu sein« und zu trauern.
Die Beschäftigten von COSCO treten nicht zum ersten Mal in den Streik. Schon im Jahr 2018 fand ein massiver viertägiger Streik in Griechenland statt, dessen Hauptforderung ein Tarifvertrag war. Auslöser war der Generalstreik vom 30. Mai 2018, der sich gegen Sparmaßnahmen, Privatisierungen und prekäre Arbeitsverhältnisse richtete. COSCO versuchte, den Streik zu stoppen, indem es Busse und Schiffe mit Streikbrechern belud und die Streikenden vor Gericht anklagte. Das Gericht erklärte den Streik zwar für illegal, aber er wurde nicht beendet. Er wurde auch von Beschäftigten aus anderen Sektoren unterstützt. ENEDEP selbst wurde nach einem großen Streik im Jahr 2014 gegründet.
Die Arbeitsbedingungen
COSCO-Mitarbeiter, die anonym bleiben möchten, beschreiben, was es bedeutet, im privatisierten Teil des Hafens zu arbeiten:
»Es ist zu 100 Prozent sicher, dass sich der Unfall wiederholen wird. Deshalb kämpfen wir für ein sichereres Umfeld. Bei uns arbeiten fünf Portalkräne gleichzeitig an jeder Anlegestelle, während es höchstens drei sein sollten. Ich weiß nicht einmal, ob es dafür eine Vorschrift gibt. Auch die Ausbildung und Erfahrung sind sehr wichtig. Es sind mehr als sechs Monate erforderlich, um die Arbeit zu lernen. Deshalb ist es gefährlich, mit kurzen Verträgen zu arbeiten und die Mitarbeiter so oft zu wechseln. Sie sind anfälliger für Unfälle.
Wir arbeiten unter inakzeptablen Wetterbedingungen. Es weht ein so starker Wind, dass sich sogar die Container bewegen. Im vergangenen Februar war der Schneesturm so stark, dass wir nichts sehen konnten. Trotzdem sagten sie uns ›Macht weiter‹. Wir sagten: ›Wir können mit den Spiegeln nichts sehen, es wird einen Unfall geben oder einen Schaden.‹ Sie antworteten uns, dass wir aus den Fahrzeugen aussteigen und die Spiegel alle fünf Minuten reinigen sollten.
Viele kündigen den Job, sogar während der Ausbildung, weil sie die Bedingungen, die niedrigen Löhne, die verlorenen freien Tage und die Gegenschichten sehen. Sie behaupten, dass wir gut bezahlt sind und Glück haben. Doch OLP-Beschäftigte verdienen 75 Prozent mehr Geld, wenn sie an Feiertagen arbeiten. Das ist richtig. So sollten wir auch arbeiten.
»Ich bin politisch geworden«
Ich habe einen Teil meines Fingers aufgrund einer falschen Anweisung verloren. Mein Vorgesetzter bestand darauf, dass ich die Arbeit so erledigte, wie er es wollte, und nicht so, wie ich es sollte, obwohl ich ihm gesagt hatte, dass ich damit nicht einverstanden war. Im Jahr 2015 sah ich, wie ein Kollege vor meinen Augen mit einem Herzinfarkt zusammenbrach. Er hatte Angst, ein ärztliches Attest über seinen Zustand vorzulegen, weil sein Vertrag sonst nicht verlängert worden wäre. Er starb, aber die Arbeit ging normal weiter.
Jeden Tag stehen Sicherheitsleute am Eingang. Ich will Würde, keinen Terrorismus. Ich möchte nicht, dass mein Telefon zu jeder beliebigen Tageszeit klingelt und ich gezwungen werde, zur Arbeit zu gehen, aus Angst, dass mein Vertrag nicht verlängert wird, wenn ich es nicht tue. Vorher war ich nicht politisch. Aber nach diesem Streik werde ich der Linken treu sein. Alle, die vorgeben, patriotisch zu sein, sind diejenigen, die uns ausbeuten.
Als ich mit dieser Arbeit begann, war der Spritpreis halb so hoch wie heute. Aber unsere Gehälter sind die gleichen geblieben. Wir haben Kollegen, die in Anavisos oder Korinth wohnen und hier arbeiten [Anmerkung: 40 bzw. 80 km]. (Die Arbeitnehmer lachten, als sie gefragt wurden, ob der Arbeitgeber einen Bus zur Verfügung stellt) Meine Kinder fangen jetzt an zu arbeiten und bekommen 600 Euro. Können sie überhaupt eine Familie gründen? Hinter COSCO stehen nicht nur Chinesen, sondern auch griechische Unternehmen.«
Bildquelle: Wikipedia Templar52
Schlagwörter: Arbeitsbedingungen, Gewerkschaften, Griechenland, Streiks, Werftarbeiter