Rosemarie Nünning meint, dass linke Politik bezüglich Prostitution nicht dem Ruf nach Repression folgen darf, sondern sich gegen Diskriminierung und Kriminalisierung der Betroffenen aussprechen sollte. Rosemarie widerspricht damit der These von Katharina Sass.
Ich möchte einen Konsens mit Katharina Sass festhalten: Die Existenz von Prostitution ist ohne tief verwurzelte Frauenunterdrückung nicht denkbar. Sie zeigt sich in wirtschaftlicher Schlechterstellung von Frauen, in Ideologien über Fähigkeiten oder Nichtfähigkeiten von Frauen im Vergleich zu Männern und eben auch darin, Frauen als Sexobjekte zu betrachten, die gegen Geld Bedürfnisse von Männern befriedigen.
Kapitalismus und Frauenunterdrückung
All das ist nicht einer patriarchalen, sondern einer kapitalistischen Gesellschaft geschuldet, deren Profiteure auf diese Weise breite Niedriglohnsektoren schaffen und Spaltung und Entsolidarisierung fördern.
Norwegen und Prostitution
Katharina schlägt eine »erzieherische« Politik der Freierbestrafung vor, die sie eben diesem Staat überantworten will, und verweist auf angebliche Erfolge in Norwegen. Norwegen hatte lange Zeit abgelehnt, Schwedens Vorbild zu folgen. Die Wende kam im Jahr 2009, als immer mehr nigerianische Frauen auf Oslos »Prachtstraße« Karl Johans geschleust wurden. Die Prostitutionsdebatte wurde jetzt mit deutlich rassistischen Tönen geführt. Der Großteil der Straßenprostitution verschwand nach Einführung der Freierbestrafung, insbesondere dort, wo die Polizei aktiv war. Allerdings stieg die Zahl der Straßenprostituierten in der Stadt von 500 im Jahr 2009 wieder auf 850 im Jahr 2011 an.
Gewalt gegen Prostituierte
Das Justizministerium sieht kleinere Erfolge, spricht aber auch von sehr unsicheren Schätzungen und dass Frauen vom Straßenstrich sich jetzt gefährdeter sehen. Von 123 befragten Prostituierten erfuhren 59 Prozent Gewalt der ein oder anderen Art, bei den nigerianischen Frauen waren es 83 Prozent. Dazu werden Straßenprostituierte häufiger auf der Straße als unerwünscht angegriffen. Nicht zuletzt lässt sich die Verfolgung von Freiern nicht ohne Verfolgung der Prostituierten durchführen. All das ist schon aus schwedischen Berichten bekannt.
Mit Bußgeldern gegen Prostitution?
Was mich aber besonders irritiert, ist das Schweigen zu SPD-Ministerin Manuela Schwesigs widerlichem Gesetz, wonach ab dem Jahr 2017 Prostituierte unter Androhung hoher Bußgelder zwangserfasst und zwangsaufgeklärt werden sollen. Alice Schwarzer beklagt sogar, dass keine medizinische Zwangsuntersuchung vorgesehen ist. Schwesigs Gesetz ist eine Garantie dafür, dass noch mehr Prostitution im Schatten stattfindet. Tausend Euro Bußgeld für eine Drogenprostitutierte, eine Frau, die von Hartz IV sich und ihre Kinder nicht ernähren kann oder die aus osteuropäischen Romaghettos kommt, heißt noch mehr Elend erzeugen.
Prostitution Ausdruck von Frauenunterdrückung und Entfremdung
Wenn es aber um Hilfen für den Ausstieg aus der Prostitution geht, zeigt sich dieser Staat außerordentlich geizig. Prostitution lässt sich ebenso wenig einfach »abschaffen« wie Drogensucht. Sie ist ein Ausdruck von Frauenunterdrückung, aber auch von Entfremdung, wie Marx es nannte, in einer Klassengesellschaft, die uns des gemeinschaftlichen Gestaltens unseres Lebens beraubt und die menschliche Bedürfnisse, auch sexuelle, entstellt.
Linke gegen Kriminalisierung und Diskriminierung
Linke Politik bezüglich Prostitution kann nicht Ruf nach Repression heißen, sondern muss gegen Diskriminierung und Kriminalisierung der Betroffenen auftreten und für Verhältnisse kämpfen, in denen sich keine Frau prostituieren muss.
Zur Autorin: Rosemarie Nünning ist Vorstandsmitglied der LINKEN im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Unterstützerin von marx21. Sie ist aktiv im Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und Mitautorin der kürzlich erschienen Broschüre »Prostitution – Sexarbeit, Kriminalisierung und Frauenunterdrückung«.
Auf marx21.de eröffneten wir die Debatte mit dem Beitrag von Katharina Sass. Sie meint: »Ein Sexkaufverbot stärkt die Stellung der Prostituierten«. Darauf antwortete Rosemarie Nünning. Ihre These: »Verbote verschieben Prostitution nur in den Untergrund, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Frauen«. Hier findest du eine erneute Antwort von Katharina Sass und den Replik von Rosemarie Nünning. Was denkst du? Sollten wir als Linke für ein Verbot von Sexkauf eintreten?
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Schlagwörter: Debatte, Gewalt, Kapitalismus, marx21, Prostitution, Sexkauf