Mit dem Konzept für ein linkes Einwanderungsgetz wurde der Versuch unternommen, Zuwanderungs- und Asylpolitik von links unter den gegebenen Verhältnissen zu formulieren. Sabine Berninger findet ein solches Paket wichtig und die kategorische Ablehnung wenig hilfreich
Keine Frage: DIE LINKE muss gegen restriktive Gesetze kämpfen. DIE LINKE muss jede Asylrechtsverschärfung ablehnen und außerparlamentarisch dagegen (auch gegen die geplanten neuen Verschärfungen der »Große Koalition«) ankämpfen. Und selbstverständlich muss DIE LINKE sich außerparlamentarisch und in den Parlamenten für die Wiederherstellung des Grundrechtes auf Asyl einsetzen und dafür, dass Grund- und Menschenrechte für alle Menschen gelten.
Zuwanderungs- und Asylpolitik von links
Mir ist unverständlich, weshalb Jules El-Khatib (oder auch andere Kritikerinnen und Kritiker des linken Einwanderungskonzeptes) diese Selbstverständlichkeiten als Argumente gegen das vorgelegte Konzept benutzt. Das sind sie nicht. In unserem Konzept (das als Diskussionsangebot geschrieben wurde) formulieren und unterstützen wir diese Selbstverständlichkeiten. Keineswegs negieren oder kritisieren wir damit die von Jules El-Khatib angeführten parlamentarischen Initiativen, programmatischen Positionen oder das Agieren der Bundestagsfraktion oder der Bundespartei oder links mitregierter Länder im Bundesrat hinsichtlich beispielsweise der immer wieder geforderten Ausweitung der Liste so genannter sicherer Herkunftsländer oder anderer Asylrechtsverschärfungen. Mit dem Konzept wurde der Versuch unternommen, Zuwanderungs- und Asylpolitik von links unter den gegebenen Verhältnissen zu formulieren. Das, was DIE LINKE unter einer menschenrechtsorientierten Flüchtlingspolitik, unter Einwanderungspolitik und Staatsbürgerschaftsrecht in vielen parlamentarischen Initiativen, in Wahlprogrammen, im Erfurter Programm formuliert und wofür sie eintritt, in ein Paket zu schnüren.
Ein Paket, mit dem wir in die inhaltliche Auseinandersetzung – mit außerparlamentarischen Organisationen, mit den politischen MitbewerberInnen, mit der Öffentlichkeit – gehen und um das wir werben können. Mich irritiert, dass seitens der Kritikerinnen und Kritiker die pauschale Ablehnung des Einwanderungskonzeptes dominiert. Dass häufig Unterstellungen den inhaltlichen Part der Kritik bilden, wie zum Beispiel die, die Autorinnen und Autoren plädierten für die Beibehaltung des Dublin-Systems oder das »Regelwerk« sei programmwidrig.
Unterstützerinnen und Unterstützer von PYD oder PKK werden nicht ausgeschlossen
Deshalb bin ich Jules El-Khatib dankbar für eine tatsächlich konkrete inhaltliche Anmerkung, nämlich die zur Frage, was die Einreise in der Türkei verfolgter Kurdinnen und Kurden betrifft, die die PYD oder die PKK unterstützen. Jedoch ist diese inhaltliche Kritik unberechtigt. El-Khatib konstatiert: »Nach bundesdeutschem Recht begehen sie durch die Unterstützung dieser Organisationen eine Straftat« und fragt: »Dürfen sie also nicht einreisen?«. Im Konzept ist unter »II. Legale Einreise« formuliert: »5. Die legale Einreise ist mit Ausnahme von Einreisen zur Asylantragstellung ausgeschlossen bei Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass a. die Einreise dem Zweck, i. der Spionage oder ii. der Begehung einer Straftat dienen soll oder b. es sich bei dem*der Einreisewilligen um eine Person handelt, die den Tatbestand des § 6-12 VStGB (Kriegsverbrechen) erfüllt hat«
Damit sind Unterstützerinnen und Unterstützer von PYD oder PKK nicht ausgeschlossen, denn nicht eine nach deutschem Recht als Straftat eingestufte Unterstützung einer Organisation führt zum Ausschluss der legalen Einreise, sondern, dass die Einreise dem Zweck der Begehung von Straftaten dienen soll (und ein Asylantrag beispielsweise durch den türkischen Staat verfolgter Kurdinnen legalisiert die Einreise erst recht).
Debatte auf Augenhöhe
Ich finde es schade, dass aus einer oberflächlichen Lektüre des Konzepts oder einem Missverständnis einer Passage heraus gleich ein »Grundproblem der Herangehensweise« behauptet und das Konzept als »gutgemeinter Versuch, Rechte auszuformulieren« diskreditiert wird. Stattdessen wünschte ich mir eine Debatte auf Augenhöhe und getragen von Sachargumenten. Jules El-Khatib ist zweifellos zuzustimmen, wenn er konstatiert: »Dieser Kampf kann kein rein parlamentarischer sein, sondern bedarf des Aufbaus gesellschaftlicher Gegenmacht durch soziale Bewegungen. Auch und gerade mit Geflüchteten.« Einen kleinen Teil dazu könnte die Debatte um ein Einwanderungskonzept von links beitragen. Eine kategorische Ablehnung, auch nur darüber nachzudenken oder zu diskutieren, wird meines Erachtens nicht helfen.
Zur Autorin:
Sabine Berninger ist Mitglied des Thüringer Landtages und Obfrau in der Enquetekommission Rassismus. Sie ist Sprecherin für Flüchtlings- und Integrationspolitik der Linksfraktion Thüringen.
Weiterlesen:
Einen Diskussionsvorschlag für ein solches linkes Einwanderungskonzept kann man hier nachlesen. Dort ist auch zu lesen, wer den Konzeptentwurf verantwortet.
- Susanne Hennig-Wellsow: »Wir brauchen ein linkes Einwanderungsgesetz«
- Jules El-Khatib: »DIE LINKE sollte gegen restriktive Gesetze kämpfen«
- Ulla Jelpke/Lena Kreck: »Kann es ein linkes Einwanderungsgesetz geben?«
- Susanne Hennig-Wellsow: »Nur offene Grenzen zu fordern reicht nicht«
- Jules El-Khatib: »Gleiche soziale und politische Rechte für alle!«
- Sabine Berninger: »Die pauschale Ablehnung des Einwanderungskonzeptes irritiert mich«
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Schlagwörter: Asyl, Asylgesetz, Debatte, Einwanderung, Einwanderungsgesetz, Flüchtlingspolitik, PKK, PYD