Susanne Hennig-Wellsow verteidigt ein Einwanderungsgesetz, dass auch weiterhin an Abschiebungen festhält. Das kann nicht das Ziel einer linken Migrationspolitik sein, meint Jules El-Khatib
In ihrem Text »Wir brauchen ein linkes Einwanderungsgesetz« hat Susanne Hennig-Wellsow deutlich gemacht, dass es darum gehen muss linke Politik als eine »eine Politik offener Grenzen« zu erhalten. Auch ihre Forderung »das Asylgrundrecht muss durch die Abschaffung der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten-Regelungen wiederhergestellt und die Verletzung von grundlegenden wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten als Fluchtgründe anerkannt werden«, wie auch weitere Teile ihrer Positionierungen lassen sich von ganzen Herzem unterstützen.
Ein linkes Konzept trotz Abschiebungen?
Das linke Einwanderungsgesetz erweitert den Spielraum, doch es genügt leider nicht. Denn trotz aller Forderungen nach offener Grenzen, die auch von Susanne Hennig-Wellsow betont werden, enthält das Konzept auch weiterhin Abschiebungen. Diese sind zwar deutlich eingeschränkt im Verhältnis zum aktuellen Status quo, doch bleibt dieses Mittel erhalten. Eine Welt der offenen Grenzen und ohne Unterschiede nach Nationalität kann allerdings nicht erzielt werden, wenn die »zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht« erhalten bleibt. Grundsätzlich bedarf es daher eines Festhaltens am im Programm verankerten Passus, dass die Linke sich gegen jede Form von Abschiebungen stellt. Da diese ein Sanktionsmittel für alle Menschen ohne deutschen Pass darstellen.
Die Redaktion des Prager Frühlings mag argumentieren, dass das Beispiel PKK und PYG nicht funktioniert, da die ganze Linke deren Verbot aufheben möchte und außerdem politisches Asyl als Asylgrund bestehen bleibt. Doch ist nicht nur fraglich, ob es eine Mehrheit zu einem solchen linken Einwanderungsgesetz gibt, sondern auch, ob es eine Mehrheit gibt für die Aufhebung der Kriminalisierung kurdischer, wie auch anderer linker migrantischer Organisationen.
Soziale Anknüpfungspunkte
Die im Konzept eines linken Einwanderungsgesetzes skizzierten sozialen Anknüpfungspunkte, erweitern die Möglichkeiten für Migrantinnen und Migranten in Deutschland Aufenthalt zu erhalten. So soll auf Grundlage einer Gemeinwohltätigkeit, sei es bei der Feuerwehr, in gemeinnützigen Vereinen oder in karitativ tätigen Organisationen sowie sonstigen Gründen sozialer Verwurzelungen, die im Konzept undefiniert bleiben, eine Einwanderung möglich sein. Problematisch werden diese sozialen Anknüpfungspunkte allerdings für jene Menschen, die solche Anknüpfungspunkte eben nicht knüpfen können, weil sie z.B. nicht mehrsprachig sind, zuvor nie in Deutschland waren, keinen Zugang zu Bildung haben oder erstmal eine Eingewöhnungszeit brauchen, die länger als ein Jahr ist. Gelingt dies nicht, droht, wie oben skizziert, die Abschiebung.
Gleiche Rechte für alle
Susanne Hennig-Welsow schreibt, dass es insgesamt einen rechtlichen Regulierungsbedarf gibt, der durch das Einwanderungsgesetz befriedet wird. Ein solcher Regulierungsbedarf würde allerdings auch gestillt, wenn die Linke sich an den Konzepten der historischen Sozialdemokratie orientieren würde. Diese beschloss vor über 100 Jahren, dass es eine »völlige Gleichstellung der Ausländer mit den Inländern auch in bezug auf das Recht zum Aufenthalt im Inlande. Fort mit dem Damoklesschwert der Ausweisung!«
Die Beseitigung aller Regeln, die die Unterschiede zwischen Ausländern und Deutschen aufrecht erhalten, muss das Ziel einer linken Migrationspolitik sein. Das Einwanderungsgesetz geht ein Schritt in Richtung Verbesserung der Rechte von Migranten, doch es bleibt beschränkt. Die Linke, in und außerhalb von Parlamenten, sollte dafür streiten, dass alle restriktiven Gesetze abgeschafft werden und größtmögliche Hilfe geleistet wird, damit alle Menschen Einreise- und Aufenthaltsmöglichkeiten erhalten. Dafür bedarf es keiner Verschiebung der offenen Grenzen Debatte auf die sozialistische Zukunft, sondern konkrete Maßnahmen, wie die Abschaffung der Einreisebeschränkungen und Zugänge zum Arbeitsmarkt. Darüber hinaus sollten Linke dafür kämpfen, dass Migrantinnen und Migranten schnellstmöglichen Zugang zu Sprachkursen und Bildungsmöglichkeiten erhalten. Konkrete Kämpfe gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung sind daher zielführender als ein Einwanderungsgesetz, welches Erleichterungen mit sich bringt, doch an der grundlegenden Unterscheidung zwischen Deutschen und Migranten nicht rüttelt.
Zum Autor:
Jules El-Khatib ist Mitglied im Landesvorstand der Linken.NRW und aktiv in Essen.
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Schlagwörter: Einwanderungsgesetz