marx21-Leserinnen- und Leserdebatte zur Frage: »Mit einer Mitte-links-Regierung aus der Krise?« Lukas Eitel (Kreissprecher DIE LINKE Erlangen) meint: Statt sich in Debatten über »Regierungsfähigkeit« zu verlieren, muss DIE LINKE erstmal oppositionsfähig sein
Alle vier Jahre pünktlich vor der Bundestagswahl, kocht in der LINKEN eine Debatte hoch, die eigentlich die ganze Zeit schwelt: Sollte sich DIE LINKE nach der Wahl an einer Regierung mit SPD und Grünen beteiligen?
Auch jetzt geht es wieder los. Zentrales Argument der Regierungsbefürworterinnen und Regierungsbefürworter ist dabei die möglichst zügige Umsetzung einer fortschrittlichen, mal mehr mal weniger weitgehenden Reformagenda. Und das klingt auch erstmal einleuchtend. Welche Sozialistin, welcher Sozialist hätte denn etwas gegen höhere Löhne, Respekt vor Pflegeberufen oder eine Kindergrundsicherung, kurz: progressive Veränderungen? Klar, das ist nicht der Sozialismus, aber doch zumindest eine deutliche Verbesserung für die Klasse, deren Interessen wir vertreten wollen. Leider hat diese Logik zwei Kardinalfehler:
Der Weg…
Die Befürworterinnen und Befürworter von Regierungsbeteiligungen gehen von einer bestimmten Prämisse aus, wo die Macht im Kapitalismus liegt. Sie argumentieren, genau wie die Parteien der Mitte, dass die (Bundes-)Regierung weitreichende Macht hat, die Gesellschaft nach ihren Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Wenn also die Regierung ausgetauscht wird, kann diese sich daran machen, die Gesellschaft nach ihren, durch den LINKEN-Regierungsbeitritt linkeren Wünschen und Vorstellungen umzugestalten.
Diese Vorstellung ist falsch. In kapitalistischen Gesellschaften werden die grundsätzlichen Linien der Politik vom Kapital, also den Banken und Konzernen sowie ihren Interessensvertretungen und Verbänden bestimmt. Das zeigt sich zum Beispiel bei der »Schwarzen Null«. Dieselbe Regierung, die davor im Einklang mit den Interessen des Kapitals die Sparpolitik vollzogen hat, hat in der Coronakrise, als das Kapital (u.a. sichtbar durch Äußerungen seiner Interessenverbände) schuldenfinanzierte staatliche Finanz- und Konjunkturhilfen wollte, die »Schwarze Null« abgeräumt. Auch der Eintritt der Partei Die Grünen (damals noch eine mehr oder weniger linke Partei) in die Bundesregierung 1998 zeigt, dass der gute Wille der Regierenden nicht reicht.
Der Weg zu fortschrittlichen Reformen, den die Regierungsbefürworterinnen und Regierungsbefürworter aufzeichnen, führt also ins Leere.
… und das Ziel
Der zweite Fehler liegt in seinen Auswirkungen auf das Ziel, dass wir als LINKE haben. Eigentlich sind wir uns da einig. Das Parteiprogramm schreibt, wir wollen »ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem: den demokratischen Sozialismus.« Zumindest verbal sind sich in der LINKEN quasi alle einig, dass das auch weiter gelten soll. Allerdings stellen die Befürworterinnen und Befürworter einer Regierungsbeteiligung den demokratischen Sozialismus meist als ein »Fernziel« dar, während jetzt erstmal Reformpolitik an der Regierung gemacht werden soll. Ob sich »Nahziele« und »Fernziele« so sauber trennen lassen, sei Mal dahingestellt. Doch selbst wenn das so wäre, hat die Logik einen Fehler.
Denn was macht eine Regierungsbeteiligung mit der LINKEN? Jedes Jahr werden grob geschätzt 10 Prozent der Mitgliedschaft durch Austritt, Tod und Neueintritte ausgetauscht. Wer in DIE LINKE eintritt, wird ihren aktuellen, vor allem aus den bürgerlichen Medien bekannten Kurs im Großen und Ganzen mittragen. Im Falle einer Regierungsbeteiligung im Bund wird dieser Kurs überwiegend bestimmt sein durch (bestenfalls) eine gemäßigte Reformpolitik gemeinsam mit SPD und Grünen. Nach vier Jahren Regierung würden sich also schon circa 40 Prozent unserer Mitglieder ausschließlich mit dem »Nahziel« identifizieren. So geht in der Regierungsbeteiligung das sozialistische Ziel verloren.
Voraussetzungen für Gegenmacht
Eine Regierungsbeteiligung bringt uns also weder fortschrittliche Reformen noch den Sozialismus. Was stattdessen sinnvoll und notwendig ist, kann hier nur skizziert werden:
DIE LINKE muss sich strategisch klar auf Mitgliederwachstum und (weiteren) Ausbau und Aufbau der Parteistrukturen konzentrieren. Statt sich in Debatten über »Regierungsfähigkeit« zu verlieren, muss sie erstmal oppositionsfähig sein. Das heißt, in allen Städten, Stadtvierteln und auch auf dem Land kampagnenfähig zu sein, in den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen offene linke Zusammenschlüsse zu etablieren, die sich positiv auf DIE LINKE beziehen, eigene Organe der Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen, mit denen wir die bürgerlichen Medien umgehen können.
Unter diesen Voraussetzungen können wir gesamtgesellschaftliche Gegenmacht aufbauen und damit sowohl kurzfristig fortschrittliche Reformen als auch unser Ziel erreichen: den demokratischen Sozialismus.
Zum Autor:
Lukas Eitel ist Kreissprecher der LINKEN in Erlangen/Erlangen-Höchstadt.
DIE LINKE will grundlegende gesellschaftliche Veränderungen durchsetzen. Doch wie kann sie dies erreichen? Die marx21-Leserinnen- und Leserdebatte zur Frage: »Mit einer Mitte-links-Regierung aus der Krise?«. Manche plädieren für eine neue Mitte-links-Regierung, andere halten das für kontraproduktiv. Welche Chancen und Gefahren bringt eine linke Regierungsbeteiligung mit sich? Was bedeutet eine Mitte-links-Regierung für das Programm der LINKEN? Welche Erfahrungen mit Mitte-links-Regierung hat die Linke in der Vergangenheit gemacht? Diese und andere Fragen, wollen wir in den nächsten Wochen auf marx21.de mit Euch diskutieren
- Katja Kipping: »Die LINKE muss die Chance für Veränderung ergreifen«
- Lucia Schnell: »Eine Regierungsbeteiligung mit SPD und Grünen schadet der LINKEN«
- Lukas Eitel: »Die Logik der Regierungsbeteiligung hat zwei Kardinalfehler«
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Schlagwörter: Debatte, R2G, Regierungsbeteiligung