Im April startete in Berlin die Kampagne für den »Mietenvolksentscheid«. Durch ihn soll ein »Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin« durchgesetzt werden. Moritz Wittler ist von Anfang an dabei. Interview: Klaus-Dieter Heiser
Moritz, wie lief der Start des Mietenvolksentscheids?
Bei sonnigem Wetter hatten wir einen grandiosen Auftakt. Schon am ersten Tag gab es eine sehr große Bereitschaft, sich einzubringen, aktiv zu werden und Unterschriften zu sammeln. Die Reaktionen der Passanten waren durchweg positiv. Nahezu alle sind von steigenden Mieten betroffen oder kennen jemanden, der betroffen ist. Der Druck der Mietsteigerungen ist in den Kiezen, in denen wir unterwegs waren, geradezu greifbar.
Bereits am ersten Tag der Kampagne haben sich mehr als 3000 Berlinerinnen und Berliner in die Unterschriftenlisten eingetragen. Wie habt ihr das organisiert?
Zu Beginn haben wir insbesondere in den Kiezen gesammelt, die am stärksten von Mietsteigerungen betroffen sind. Bereits bevor der konkrete Gesetzestext feststand, gab es die Idee, den Volksentscheid vor Ort zu verankern und mit anderen stadtpolitischen Auseinandersetzungen zu verknüpfen. Entsprechend haben wir in Neukölln verschiedene Personen aus anderen stadtpolitischen Initiativen angesprochen und gemeinsam mit ihnen zu einem ersten Kiezgruppentreffen eingeladen. Obwohl wenig Zeit zur Mobilisierung blieb, kamen rund fünfzig Interessierte. Dort haben wir gemeinsam Ideen gesammelt, wie wir den Kampagnenauftakt gestalten und dazu konkrete Verabredungen getroffen. Die Diskussionen fanden in Kleingruppen statt. Viele, die das erste Mal aktiv sind, haben sich eingebracht und Aufgaben übernommen.
Welche Erwartungen haben Mieterinnen und Mieter, wenn sie sich in die Unterschriftenlisten eintragen?
Mit ihrer Unterschrift drücken sie zunächst grundsätzlich die Haltung aus, etwas gegen die Untätigkeit der Politik gegen steigende Mieten und Verdrängung zu unternehmen. Sie fordern das Recht darauf ein, in ihren Kiezen wohnen zu bleiben, ohne dafür ihr letztes Hemd geben zu müssen. Die Wohnungen und Stadtteile sollen nicht den Investoren und Spekulanten überlassen werden. Tatsächlich würde das Gesetz auch dazu führen, dass Wohnungen dem Markt entzogen werden können. Doch ist denen, die unterschreiben, auch bewusst, dass dieses Gesetz nur ein Schritt sein kann.
Ihr habt nicht nur auf der Straße Unterschriften gesammelt, sondern auch in Cafés und Kneipen. Was habt ihr dort erlebt?
Auch die Kneipentour hatten wir bei dem Kiezgruppentreffen verabredet und vorbereitet. Wir sind in kleinen Gruppen von Kneipe zu Kneipe gezogen. Dort haben wir uns stets Zeit genommen, den Wirten oder Barkeepern unser Anliegen zu erläutern und sie selbst von dem Volksentscheid zu überzeugen.
In den meisten Fällen durften wir ein Klemmbrett mit Unterschriftenlisten ablegen und ein Plakat aufhängen. Dabei kam uns auch zugute, dass zumindest in den studentisch geprägten Bars schon bei anderen Volksentscheiden Listen ausgelegt waren. Dieses Mal haben wir auch die »gewöhnlichen Eckkneipen« aufgesucht. Auch hier waren wir erfolgreich. Oft mussten wir aber länger erklären, was der Volksentscheid konkret bewirkt. Am interessantesten war eine Kneipe, dessen Wirt zunächst den Flyer aufmerksam durchgelesen hat. Er fragte nach und auch einige Gäste mischten sich ein. Am Ende hat der Wirt mir ein Plakat aus der Hand genommen und eigenhändig an die Eingangstür gehängt.
DIE LINKE unterstützt das Bündnis für den Mietenvolksentscheid, das vorwiegend von Mieterinitiativen und -organisationen getragen wird. Wie wirken Mitglieder der Partei in der Kampagne mit?
Unsere Basisorganisationen haben Veranstaltungen zur Vorbereitung auf den Volksentscheid organisiert und an den Infoständen dafür geworben, sich aktiv daran zu beteiligen. Wir haben in unserer Bezirkszeitung Artikel zum Thema veröffentlicht. Jetzt sammeln wir fleißig Unterschriften. Wir planen auch noch, weitergehendes Material zu erstellen, etwa eine Broschüre, die auf die folgenden Fragen eingeht: Was haben die Mietsteigerungen in unserem Kiez mit der Banken- und Eurokrise zu tun? Wie lässt sich gesellschaftlich sicherstellen, dass ausreichend Wohnungen für alle zur Verfügung stehen?
In Neukölln haben wir die Kiezgruppe mit ins Leben gerufen. Unsere Mitglieder bringen sich bei den Treffen ein, machen Vorschläge und übernehmen Aufgaben. Gerade die Erfahrungen aus den vorangegangenen Volksentscheiden, etwa »100 Prozent Tempelhofer Feld«, können hierbei fruchtbar gemacht werden. Als LINKE stellen wir in der Kiezgruppe das gemeinsame Ziel nach vorne, eine kraftvolle und breite Kampagne zu entwickeln und am Ende den Volksentscheid zu gewinnen.
Hat Dir schon mal jemand vorgeworfen, dass DIE LINKE selbst an Privatisierungen von Wohnraum beteiligt war, als sie in Berlin noch mitregiert hat? Wie bist du damit umgegangen?
Ja, das kommt vor. Ich sage, dass der Verkauf ein großer Fehler war, und versuche es gar nicht erst zu rechtfertigen. In der gesamten Partei hat sich diese Einsicht inzwischen durchgesetzt. So etwas darf nie wieder vorkommen. Wir können als LINKE das Vertrauen in der Stadt nur zurückgewinnen, wenn wir beweisen, dass wir ein tatkräftiger Teil des Widerstands gegen den Ausverkauf der Stadt sind. Auch beim Mietenvolksentscheid.
Foto: mietenvolksentscheid-berlin
Schlagwörter: DIE LINKE, Inland, Mietenvolksentscheid, Mieterhöhung, Privatisierung, Wohnraum