Die Wut gegen die Lösungen der Regierenden in der Coronakrise wächst. In Frankreich trifft die Gewerkschaft CGT Streikvorbereitung für den gesamten April. Wir dokumentieren die Streikankündigung
Frankreichs größte Gewerkschaft im öffentlichen Dienst ermöglicht ihren Mitglieder ab 1. April zu streiken. So wie von Teilen der Gewerkschaftsbewegung in Italien, werden auch in Frankreich Streiks möglich. Im Zentrum der Forderungen steht, dass die Beschäftigten vor dem Coronavirus besser geschützt werden müssen. Gleichzeitig geht es der Gewerkschaft auch darum, gegen die neoliberalen und repressiven Antworten der Regierenden aktionsfähig zu werden.
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Streik und die Coronakrise
Mit der Streikankündigung will die Gewerkschaft gegen die »antisozialen Maßnahmen« protestieren, die im Notgesetz gegen die Pandemie enthalten seien. Die FAZ schreibt: »Darin ist unter anderem vorgesehen, dass die Arbeitnehmer in strategisch wichtigen Sektoren mehr arbeiten sollen (zeitlich begrenzt bis zu 60 Wochenstunden), zudem werden die Bedingungen für Nacht- und Sonntagsarbeit gelockert. Die CGT-Abteilung für den öffentlichen Dienst zählt 85.000 Mitglieder in kommunalen und regionalen Behörden, in der Wasserwirtschaft, im sozialen Wohnungsbau sowie unter Feuerwehrleuten und im Bestattungspersonal. Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass die Arbeitnehmer derzeit am Arbeitsplatz nicht ausreichend sanitär geschützt würden, es fehlten Masken, Desinfektionsmittel und Tests auf Covid-19.«
Während der Staat bei der Polizeiausrüstung zur Unterdrückung von Demonstrationen mit Tränengas und Geschossen niemals leere Lager habe, fehle es an einfachen Masken und Schutzbekleidung für die Beschäftigten, kritisiert die CGT. Der Staat lasse sich vor den Karren »der Kapitalisten« spannen, heißt es im Streikaufruf. Wir dokumentieren den Streikankündigung:
Streikankündigung vom 1. bis 30. April 2020
An die Ministerinnen und Minister,
Die Regierung hat unter dem Vorwand der COVID19-Pandemie mit dem so genannten »Gesundheitsnotstandsgesetz« eine Reihe antisozialer Maßnahmen durchgesetzt, deren Kosten auf der Solidarität und dem Leben der Beschäftigten ausgetragen werden, derjenigen, die mutig gegen die Epidemie kämpfen. Durch die antidemokratischen Ausnahmeregelungen, die das Gesetz auferlegt; durch die Angriffe auf die soziale Stellung der Beschäftigten und das Arbeitsrecht, welche es fördert; durch die Maßnahmen, die immer wieder dieselben Menschen treffen, beunruhigt uns das Gesundheitsnotstandsgesetz heute und seiner zukünftigen Entwicklung.
Sparpolitik
Die Regierung stellt heute fest, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes von wesentlicher Bedeutung für den Erhalt des öffentlichen Lebens sind, deren Lage sich jedoch durch die von der Gewerkschaft jahrelang angepangerte Sparpolitik stetig verschlechtert hat. Es sind die Beschäftigten in Schulen, Kinderkrippen, in der Kanalisation, in der Wasseraufbereitung, in der Behinderten- und Altenpflege, die für die Kontinuität der Dienste zuständigen Mitarbeiter der Kommunalverwaltung, denen immer größere Opfer abverlangt werden; die an vorderster Front stehen; die alle den gleichen Risiken ausgesetzt sind. Gleichzeitig haben Sie mit Ihrem Gesetz zur Umgestaltung des öffentlichen Dienstes die betrieblichen Arbeitnehmerausschüsse für Gesundheit und Arbeitssicherheit in Frage gestellt; eine Instanz, die heute für den Schutz, die Sicherheit und die Gesundheit der Mitarbeiter unabdingbar ist.
Gesundheitschutz satt militärische Kriegswaffen
Sie, einschließlich Ihrer Regierung, haben nur unter öffentlichem Druck, und auch nur mit Lippenbekenntnissen, die Karenzfrist für den Erhalt von Leistungen ausgesetzt, während die schlichte Aufhebung sofort hätte erfolgen sollen, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes die notwendigen Mittel für ihren unmittelbaren Schutz zu gewährleisten. Der CGT-Verband der öffentlichen Dienste prangert die Fehlentscheidungen der Regierung an, welche zur Folge haben, dass Schutzmasken, Desinfektionsmittel und medizinische Tests fehlen, während militärische Kriegswaffen und Gerät zur Auflösung öffentlicher Versammlungen (Gummigeschosse, Tränengas…) weiterhin produziert werden. Ein schreckliches Sinnbild für die Anliegen und Interessen des Staates und der Kapitalisten. Die uns angehörenden Beamtinnen, Beamten und Angestellten in der Privatwirtschaft (Wasser- und Abwasserunternehmen, Bestattungsunternehmen, privater Sektor des sozialen Wohnungsbaus) stellen ihre Forderungen nicht zurück und geben sich nicht mit der Aussetzung der laufenden Reformen zufrieden.
Die Forderungen der Beschäftigten
Der Gewerkschaftsbund CGT bleibt in der gegenwärtigen Lage entschlossen, und gemeinsam mit den Beamtinnen, Beamten und Angestellten auf Bundesebene bringen wir folgende Forderungen ein:
- Die Einstellung aller Dienste, die für die Kontinuität des gesellschaftlichen Lebens nicht unbedingt erforderlich sind, und die Sonderurlaubsregelung für Angestellte mit voller Aufrechterhaltung der Gehälter und Boni;
- Die sofortige Bereitstellung von Schutzmitteln für die Angestellten in den Gemeinden, um die wesentlichen und unverzichtbaren Dienste für die Bevölkerung zu gewährleisten;
- Die Sicherung und Entwicklung unseres Sozialschutz- und Rentensystems sowie die Rücknahme des von der Regierung gewünschten und vorgeschlagenen Punktesystems;
- Die Aufhebung des sogenannten »Gesetzes zur Umgestaltung des öffentlichen Dienstes«;
- Die Aufrechterhaltung und Entwicklung der gewerkschaftlichen und demokratischen Freiheiten, einschließlich des verfassungsmäßigen Streikrechts;
- Die sofortige Freigabe des eingefrorenen Gehaltsindex für den öffentlichen Dienst und die Erhöhung der öffentlichen und privaten Gehälter auf Grundlage des Mindestlohns von 1800€, der Renten und Mindestsozialleistungen;
- Das Ende des Stellenabbaus und der Schließung öffentlicher Dienste, die Wiederaufnehme der öffentlichen und sozialen Dienste auf lokaler Ebene, um den Bedürfnissen der Bevölkerung im Rahmen einer ausgewogenen, nachhaltigen und flächendeckenden Organisierung gerecht zu werden, die finanzielle Wiederbindung des Staates an die Finanzierung der öffentlichen Dienste;
- Die massive Rekrutierung von gesetzlichen Arbeitsplätzen und die Schaffung der notwendigen Stellen;
- Die Einstellung jeglichen Prozesses zur Erhöhung der Arbeitszeit und ihre Reduzierung auf 32 Stunden pro Woche;
- Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und ein erhöhter Kapitalbeitrag zur Finanzierung der öffentlichen Dienstleistungen;
- Volle und uneingeschränkte Achtung der Gewerkschaftsbewegung, ihrer Rolle als Vertreterin der Akteure und ihrer Handlungs- und Interventionsmöglichkeiten (Technischer Ausschuss und CHSCT).
Streikankündigungen
Um dem Personal im föderalen Bereich nach Ausschöpfung aller anderen Optionen die Möglichkeit zu geben, zu streiken, und damit die Interessen der Beschäftigten und der Beamten zu verteidigen, ihre Forderungen vorzubringen und Entscheidungen über Maßnahmen mitzutreffen, reicht der Gewerkschaftsbund CGT in der laufenden Periode Streikankündigungen von Mitternacht bis Mitternacht für die folgenden Tage ein:
1. April 2020, 2. April 2020, 3. April 2020, 4. April 2020, 5. April 2020, 6. April 2020, 7. April 2020, 8. April 2020, 9. April 2020, 10. April 2020, 11. April 2020, 12. April 2020, 13. April 2020, 14. April 2020, 15. April 2020, 16. April 2020, 17. April 2020, 18. April 2020, 19. April 2020, 20. April 2020, 21. April 2020, 22. April 2020, 23. April 2020, 24. April 2020, 25. April 2020, 26. April 2020, 27. April 2020, 28. April 2020, 29. April 2020 und 30. April 2020 für alle Mitarbeiter*innen der Kommunalverwaltung und für die Beschäftigten der Privatwirtschaft (Wasser- und Abwasserunternehmen, Bestattungsunternehmen, privater Sozialwohnungsbau).
Unsere Organisation steht weiterhin für Verhandlungen bezüglich der Forderungen der Arbeitnehmer zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Die Verantwortlichen der Streikankündigung am 24. März 2020:
Frau Muriel PENICAUD, Arbeitsministerin
Herr Gérald DARMANIN, Minister für Aktion und öffentliche Finanzen
Herr Olivier DUSSOPT, Staatssekretär für den öffentlichen Dienst
Bild: Jeanne Menjoulet / flickr.com / CC BY
Schlagwörter: Corona, Coronakrise, Coronavirus, Frankreich, Streik