DIE LINKE lehnt die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ab. Sahra Wagenknecht liefert jedoch falsche Argumente dafür, meint Johannes König
Die Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die AfD zum Prüffall für eine Beobachtung zu machen, wurde vom politischen und medialen Mainstream mit großer Zustimmung aufgenommen. Die AfD hingegen zeigt sich empört und kündigt an, juristisch gegen die drohende Beobachtung vorzugehen. Doch ihre Versuche, dem Verfassungsschutz möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der neofaschistische Flügel zunehmend die Partei dominiert.
Offensichtlich haben dies nun auch die Schlapphüte in Köln (reichlich spät) erkannt, die Parteichef Gauland in einem Gutachten »völkisch-nationalistische Gesellschaftsbilder« attestieren. Kann man unter diesen Umständen eine Beobachtung der rassistischen AfD ablehnen?
Ein Staat im Staat
Ja. Aus gutem Grund fordert DIE LINKE die Abschaffung des Geheimdienstes, dessen Name fälschlicherweise den Eindruck erweckt, dieser würde die Verfassung schützen. Tatsächlich führt die Behörde ein gefährliches Eigenleben – ein Staat im Staat, der demokratischer Kontrolle entzogen ist.
Während der Verfassungsschutz im Interesse der herrschenden Eliten gegen Linke vorgeht, die die Legitimität dieser Herrschaft infrage stellen, ist er auf dem rechten Auge nicht nur blind: Das System der V-Leute, also das gezielte Anwerben von Personen »aus der Szene«, die den Geheimdienst gegen Bezahlung mit Informationen versorgen, hat die Strukturen der Neonazis in Deutschland nicht geschwächt, sondern erst richtig aufgebaut. Der Verfassungsschutz bezahlt Nazis dafür, dass sie Nazis sind und schützt kriminelle V-Leute.
So ist die bisher immer noch nicht vollständig aufgeklärte Rolle des Verfassungsschutzes im NSU-Komplex mehr als skandalös: Das Umfeld des neonazistischen Terrortrios profitierte durch Gelder an V-Leute vom Verfassungsschutz erheblich. Dieselbe Behörde als geeignetes Instrument im Kampf gegen die AfD zu begreifen, kommt dem Versuch gleich, ein Feuer mit Kerosin löschen zu wollen.
Gefährliche Argumentation
Auch Sahra Wagenknecht lehnt die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ab. Ihre Argumente sind jedoch nicht nur falsch, sondern gefährlich: Ja, in der AfD gebe es zwar »auch Rechtsextreme«, dies rechtfertige aber »noch lange keine Beobachtung«. Statt die AfD »mit der Keule der Beobachtung zu kriminalisieren«, fordert die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag eine politische Auseinandersetzung mit der Partei. Die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz also lediglich ein unfaires Manöver gegen die politische Konkurrenz?
Diese Sichtweise stellt nicht nur eine Verharmlosung dar, sondern begibt sich in die gefährliche Nähe einer Solidarisierung mit der AfD, die die rassistische und in Teilen faschistische Partei auf keinen Fall verdient. Die AfD droht zu einer neofaschistischen Massenpartei zu werden. Sie ist nicht politische Konkurrenz, sondern unser gefährlichster Gegner.
Im Umkehrschluss bedeutet Wagenknechts Argumentation zudem, dass wenn in der AfD nicht nur »auch Rechtsextreme« wären, sondern diese die Partei dominieren, eine Beobachtung durch den Inlandsgeheimdienst die angemessene Antwort wäre. Kein einziges kritisches Wort zum Verfassungsschutz an sich!
Die Saat des Rassismus
Nicht gänzlich unrecht hat Sahra Wagenknecht hingegen mit einem anderen Punkt: Es gehe vor allem darum, die sozialen Ursachen für die »Verunsicherung«, die die AfD so stark gemacht habe, zu beseitigen. Dies ist zwar insofern richtig, als die Hetze von Gauland, Höcke & Co. aufgrund der sozialen Spaltung auf besonders fruchtbaren Boden fällt. Dass die Saat aufgeht, hat jedoch einen anderen Grund: der gezielt von bürgerlicher Politik und Medien geschürte Rassismus.
So gab es bereits vor dem neoliberalen Kahlschlag der Schröderschen Agenda 2010 ein rassistisches Potential, das durch Zugeständnisse an den rechten Rand, vermeintlich bekämpft, doch in Wahrheit gefüttert wurde. Dieses rassistische Potential in der gesellschaftlichen Mitte wurde immer schon von oben bedient und wird es auch heute: Hetze gegen Migrantinnen, Flüchtende oder Muslime in der BILD, eine verbal aufgerüstete CSU, Asylrechtsverschärfungen und der Ausbau der Festung Europa sind nur einige Beispiele.
Der beste Verfassungsschutz
Daher sind soziale Forderungen im Kampf gegen rechts wichtig, doch bei Weitem nicht ausreichend: Die Chance, die AfD wirklich zu schlagen, liegt nicht allein in einem höheren Mindestlohn und der Abschaffung von Hartz IV (im Geheimdienst sowieso nicht), sondern vor allem in gesellschaftlicher Gegenbewegung von unten.
Die breit aufgestellten antirassistischen Massenmobilisierungen der letzten Monate im Rahmen von #unteilbar, #ausgehetzt, Seebrücke und »Aufstehen gegen Rassismus« machen Hoffnung. Der beste »Verfassungsschutz« sind die Menschen, die gegen rechts auf die Straße gehen, sich Nazis in den Weg stellen und gegen Rassismus kämpfen.
Schlagwörter: AfD, Antifaschismus, Rassismus, Verfassungschutz