Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes untergräbt die Bundesregierung die Klimaschutzziele und opfert die Energiewende den Profitinteressen der Konzerne. Von Hubertus Zdebel
Die Marktgläubigkeit hat sich einmal mehr durchgesetzt. Am vergangenen Freitag hat der Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalition die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und damit die faktische Ausbremsung der Energiewende in Deutschland beschlossen. Kaum ein halbes Jahr nach den Pariser Klimabeschlüssen gefährdet die Bundesregierung damit mutwillig die ambitionierten Klimaschutzziele, weil ihr die Deregulierung des Strompreissystems und ein »Paradigmenwechsel« hin zu mehr Marktsteuerung wichtiger sind als der konsequente Ausbau der erneuerbaren Energien. Während sich DIE LINKE seit Jahren für eine dezentrale und demokratisierte Energiewende einsetzt, rollt die Bundesregierung mit der EEG-Novelle den großen Investoren den roten Teppich aus. Erneut zeigt sich: Marktorientierung verbunden mit dem Zweck der Profitmaximierung verträgt sich nicht mit Klimaschutz.
Die festen Einspeisevergütungen im bisherigen EEG werden künftig ersetzt durch ein marktwirtschaftliches Ausschreibungsmodell. Ökostrom soll nur noch dann staatlich gefördert werden, wenn sich die Anbieter bei Ausschreibungen als die preisgünstigsten durchsetzen. Was das im Klartext heißt, beschreibt Greenpeace: »Durch den Wechsel des Fördersystems hin zu Ausschreibungen droht die Bürgerenergie künftig keine Rolle mehr zu spielen. Kleine Akteure, wie Bürgerenergieprojekte und Genossenschaften, die bisher einen erheblichen Anteil der Energiewende geschultert und stark in Erneuerbare Energien investiert haben, können die hohen finanziellen Risiken von Ausschreibungen nicht stemmen. Die dadurch stark eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger gefährden die Akteursvielfalt, die bisher ein Garant für den zügigen Ausbau der Erneuerbaren Energie war und maßgeblich zur hohen Akzeptanz der Energiewende vor Ort beigetragen hat.«
Eine Gefahr für die Demokratisierung der Energieversorgung
Insbesondere auch durch die Beteiligung einer Vielzahl engagierter Bürgerinnen und Bürger konnte in den letzten Jahren ein hohes Ausbautempo bei den Erneuerbaren erreicht werden. Die Energiewende ist bis dato eine doppelte: nicht nur hinsichtlich der Art und Weise der Energieerzeugung weg von fossilen Energieträgern, sondern auch bezogen auf die Eigentumsstrukturen. Hunderttausende sind zu Miteigentümern am Gemeingut Elektrizität geworden. Mit der Umstellung auf Ausschreibungen drohen diese Strukturen nun wieder zerschlagen zu werden. Zwar sieht das Gesetz vereinfachte Ausschreibungsbedingungen für definierte Bürgerenergiegesellschaften vor. Aber das Risiko verlorener Projektentwicklungskosten im Falle verlorener Ausschreibungen dürfte diese daran hindern, an Ausschreibungen überhaupt erst teilzunehmen. Dagegen können große Unternehmen solche Risikokosten auf erfolgreiche Projekte umlegen. Aus dieser Asymmetrie erwächst eine Gefahr für die Demokratisierung der Energieversorgung. Sie wird Konzentrationsprozesse im Erzeugungssektor beschleunigen und Bürgerenergien ausbremsen.
Dabei zeigt eine durch Greenpeace in Auftrag gegebene Umfrage von TNS Emnid, dass sich »86 Prozent der Menschen in Deutschland einen beschleunigten oder zumindest konstanten Ausbau der Erneuerbaren Energien wünschen. 87 Prozent möchten weiterhin gleichbleibende oder bessere Möglichkeiten, sich an der Energiewende zu beteiligen.« Die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, an einer dezentralen Energiewende mitzuwirken, ist überaus hoch. Kein Wunder – ermöglicht sie schließlich die Mitsprache der Betroffenen, anstatt Konzernpolitik über die Köpfe der Menschen hinweg. Auch ist das Bewusstsein der Dringlichkeit des Klimaschutzes längst in der Bevölkerung verankert. Dieses Bewusstsein schlägt sich jedoch nicht in den Beschlüssen der Bundesregierung nieder.
Bundesregierung beschränkt den Ausbau der Erneuerbaren
Es ist schon paradox. Da ratifiziert die Bundesregierung in diesem Jahr das Pariser Klimaschutzabkommen und bekennt sich damit zum ambitionierten 1,5-Grad-Ziel. Und im gleichen Jahr basteln Sigmar Gabriel und sein Wirtschaftsministerium an einer Ausbaubeschränkung für die erneuerbaren Energien in Deutschland. Der Ausbaukorridor der Erneuerbaren wird mit der nun beschlossenen EEG-Novelle bis zum Jahr 2025 auf 45 Prozent begrenzt. Um das 1,5-Grad-Ziel jedoch nicht vollständig ad absurdum zu führen, muss es eine Zielanhebung des Ausbaus der Erneuerbaren geben, nicht eine Ausbaudrosselung. Während die Bundesregierung bis 2050 einen Anteil von 80 Prozent anvisiert, ist bis dahin eine vollständige Versorgung aus erneuerbaren Energien notwendig, so wie es DIE LINKE fordert.
Um das 1,5-Grad-Ziel überhaupt realistisch einhalten zu können, muss der Stromsektor rechnerisch sogar deutlich vor 2050 dekarbonisiert, also vollständig CO2-frei sein. Für die Sektoren Mobilität und Wärme bedeuten die Ziele eine nahezu vollständige Dekarbonisierung. Auch die Landwirtschaft muss ihre Treibhausgasemissionen drastisch vermindern. Eine CO2-freie Wirtschaft bedeutet im Umkehrschluss – abgesehen von regenerativ hergestellten Brennstoffen – eine mittels Ökostrom fast vollständig elektrifizierte Wirtschaft. Absehbar wächst der Bedarf an erzeugter Elektrizität, denn sowohl im Verkehr als auch im Gebäudesektor werden relevante Teile des Energiebedarfs künftig mit Strom abgedeckt werden. Diesen Mehrbedarf scheint die Bundesregierung in ihren Planungen vollständig außer Acht zu lassen.
Markt statt Staat – der Grüne Kapitalismus als Allheilmittel
Als Argument für die Begründung der EEG-Reform fungiert die Kosteneffizienz. Angeblich sollen die Strompreise für die Verbraucherinnen und Verbraucher sinken. Aber hohe Bürokratie- und Transaktionskosten werden dafür sorgen, dass auch die Stromkundinnen und -kunden keinen Vorteil von der Gesetzesänderung haben werden. Kurzfristig durch Ausschreibungen gesenkte Erzeugerpreise werden nicht lange anhalten. Denn längerfristig führen Ausschreibungen zu Marktkonzentration, die wiederum zu höheren Preisen führt – das zeigen Erfahrungen aus dem Ausland. Ausschreibungssysteme sind in anderen Staaten gescheitert, bringen schlechtere Ergebnisse und grenzen Bürgerenergien aus. Die Kosteneffekte gegenüber gut austarierten Einspeisetarifen sind marginal oder fallen sogar negativ aus. In Wahrheit ist die Gesetzesänderung also ein Programm für die überregional agierenden Großinvestoren.
Anstatt die gezielte politische Steuerung der Energiewende beizubehalten, lässt sich die Bundesregierung auf ein marktwirtschaftliches Experiment mit unsicherem Ausgang ein. Dabei müsste jedem, der auch nur halbwegs mit den Mechanismen der kapitalistischen Marktwirtschaft vertraut ist, sofort klar sein, dass Marktinstrumente den Klimaschutz noch nie vorangebracht haben. Zu erinnern wäre etwa an den leidigen Emissionshandel, der vollkommen gescheitert ist. Was auf dem Markt geschieht, lässt sich grundsätzlich nicht vorhersehen, da ja überhaupt keine (zentrale) Planung stattfindet. Dennoch hält sich hartnäckig die Vorstellung eines Grünen Kapitalismus als Allheilmittel. Das Muster ist dabei immer das gleiche: Das Problem wird zur Lösung erklärt, der Bock zum Gärtner gemacht. Die kapitalistische Produktionsweise, die, wie Marx es formulierte, »die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter« soll zugleich die Lösungen für ihre Verheerungen besorgen. Auf diese Weise fantasieren sich die herrschenden Parteien und die Werbeträger der »Green Economy« die Versöhnung von Klima und Ausbeutung herbei.
Wirksamer Klimaschutz ist nur jenseits des Kapitalismus möglich
Die ökologische Frage ergibt jedoch nur in Kombination mit der sozialen Frage Sinn. Wer die Verantwortung für die Energiewende an einige wenige private Großinvestoren abgeben will, die sich die Ausschreibungen leisten können, der betreibt Etikettenschwindel. De facto wird auf diese Weise die Energiewende massiv gefährdet. Sie ist erfolgreich nur vorstellbar als eine dezentrale, demokratisierte und soziale Energiewende. Daher setzt sich DIE LINKE weiter für die Förderung von Energiegenossenschaften und kommunalen Erzeugern ein. Während die begrenzten Ausbaukorridore der Bundesregierung einer künstlichen Lebenserhaltungsmaßnahme für die fossilen Energien gleichkommt, setzt sich DIE LINKE zudem für einen geordneten Kohleausstieg bis 2035 ein.
Wer wirklich den Schutz des Klimas will, wird nicht umhin können, das grundlegende Prinzip unserer bestehenden Wirtschaftsordnung in Frage zu stellen: die Profitmaximierung, die auf der wechselseitigen Konkurrenz der privaten Marktakteure und dem Privateigentum an Produktionsmitteln beruht. Eine Wirtschaftsweise, die aus sich heraus den stetigen Zwang nach mehr Wachstum erzeugt, ist mit einem nachhaltigen Ressourcenverbrauch nicht in Einklang zu bringen. Eine emanzipatorische Perspektive auf den sozial-ökologischen Wandel gibt sich daher mit etwas Bürgerbeteiligung nicht zufrieden. Mit der Reform des EEG untergräbt die Bundesregierung sogar dieses Wenige noch und gibt es der Anarchie des Marktes preis.
Foto: campact
Schlagwörter: Energiekonzerne, Energieversorgung, Energiewende, Grüner Kapitalismus, Hubertus Zdebel, Klimaschutz, Zdebel