Nur durch das Eingreifen der Hebammen konnte die Abschiebung schließlich verhindert werden.
Am 10. Oktober 2018, nachts gegen 2 Uhr, wurde ein werdender Vater im Krankenhaus Saalfeld von seiner Frau getrennt, die bereits in den Wehen lag. Acht uniformierte Polizeibeamte und mindestens ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde Saalfeld – Rudolstadt sind ins Krankenhaus gekommen, um ihn nach Italien, das für sein Asylverfahren zuständig sein soll, abzuschieben. Das Krankenhaus Saalfeld bestätigte der »Thüringer Allgemeinen« den Ablauf des Vorfalls. Der Mann habe direkt neben seiner in den Wehen liegenden Frau gesessen, als die Polizei ihn abgeführt habe.
Ohne Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Familie
Der Flüchtlingsrat Thüringen schreibt: »Ohne Rücksicht auf den grundrechtlichen Schutz der Familie, das besondere Ereignis für das junge Paar und das gesundheitliche Wohl der Frau und des noch ungeborenen Kindes, sei der Mann unter demütigenden Umständen abgeführt und zum Flughafen nach Frankfurt gebracht worden. Dem couragierten Einsatz der diensthabenden Hebammen, Gabriele Hampe und Gabriele Scholz, ist zu verdanken, dass die Abschiebung in letzter Minute noch gestoppt werden konnte. Der werdende Vater befand sich da wohl bereits am Frankfurter Flughafen. Durch ihren Anruf und Protest bei zuständigen Akteurinnen und Akteuren wurde die Abschiebung offensichtlich behördlicherseits beendet und der Mann konnte zu seiner Frau und dem Neugeborenen zurückfahren.«
Keine Abschiebung aus einem Krankenhaus
Gertraud Jermutus von der Caritas Sozialberatung in Saalfeld erklärte zu dem Vorfall: »Dass so etwas in Thüringen und in unserem Landkreis möglich ist, schockiert mich. Den Behörden war bekannt, dass das junge traditionell verheiratete Paar ein gemeinsames Baby erwartet und es lag sogar eine vorgeburtliche Vaterschaftsanerkennung vor. Unser Dank gilt allen, die dazu beigetragen haben, dass die Abschiebung in letzter Minute gestoppt wurde.« Der Menschenrechtsbeauftragte der Thüringer Landesärztekammer, Helmut Krause, sagt: »Der gesundheitliche und medizinische Raum des Krankenhauses ist eine Grenze für den Vollzug von Abschiebungen. Es bleibt unverständlich, warum diese Grenze ein zweites Mal in diesem Jahr in Thüringen nicht respektiert wurde. Wir erwarten, dass der Schutzraum Krankenhaus und die menschenrechtlichen Aspekte in solchen Situationen gewahrt werden.«
Ellen Könneker vom Flüchtlingsrat Thüringen e.V. fordert: »Die unsäglichen Debatten über höhere Abschiebezahlen und vermeintliche »Vollzugsdefizite« schaffen den Raum für ein derartiges behördliches Vorgehen. Damit muss jetzt Schluss sein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und die Ausländerbehörden müssen den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie und menschenrechtliche Standards wahren. Wir fordern sowohl das BAMF als auch die zuständigen Thüringer Ministerien auf, unverzüglich sicherzustellen, dass sich derartiges keinesfalls wiederholt.«
Abschiebung unter Regierungsbeteiligung der LINKEN: Kein Einzelfall
Solche Vorfälle sind in dem linksregierten Bundesland keine Einzelfälle (Lies hier einen Artikel zur Frage: »Bilanz linker Asylpolitik in Thüringen und Berlin«. Die Politik der LINKEN an der Regierung gerät zunehmend in Widerspruch zu den Interessen von Geflüchteten und damit auch zu den im LINKEN-Wahlprogramm formulierten Ansprüchen. Die LINKE will »Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtlinge«, sie verlangt einen »sofortigen Stopp der Abschiebungen« und ein »Bleiberecht für alle« sowie eine dezentrale Unterbringung von Geflüchteten in Wohnungen statt Massenunterkünften. Politische Verantwortung zu übernehmen, hieße, außerparlamentarisch und parlamentarisch alles zu tun, um diese Forderungen umzusetzen.
Gerade die Flüchtlingspolitik der Bundesländer mit linker Regierungsbeteiligung zeigt besonders schmerzhaft, wie sehr die LINKE dort von den politischen Rahmenbedingungen getrieben ist. Gewollt oder ungewollt stellen sich Politikerinnen und Politiker der LINKEN immer wieder gegen soziale Bewegungen und außerparlamentarische Initiativen, mit denen DIE LINKE eigentlich gemeinsam für eine Verbesserung der Lebensumstände von Geflüchteten und hier Lebenden sowie eine Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse kämpfen müsste. Kein Wunder, dass Bündnispartnerinnen der LINKEN vorwerfen, auch sie würden, einmal in der Regierung, ihre Wahlversprechen verraten.
Foto: Links Unten Göttingen
Schlagwörter: Abschiebung, Asylpolitik, DIE LINKE, Inland, Thüringen