Korrupt, unsozial und undemokratisch: Zehntausende fordern den Rücktritt der amtierenden Präsidentin in Südkorea. Die Organisation Workers Solidarity (노동자연대) aus Südkorea über die Proteste gegen die »koreanische Margaret Thatcher«, Streiks bei der Eisenbahn und die weiteren Perspektiven der Bewegung.
Die große Mehrheit in Südkorea verlangt den Rücktritt von Präsidentin Park Geun-hye. In einer Umfrage waren 60 Prozent der Meinung, dass Park das Feld räumen muss. Ihre Zustimmungsrate ist kürzlich auf 10 Prozent abgesackt und beträgt bei den unter 20-Jährigen gerade noch zwei Prozent.
Der jüngste Protest entbrannte, als öffentlich wurde, dass Präsidentin Park seit langem eine geheime, ungewählte, abergläubische »Beraterin« (Choi Soon-sil) beschäftigte, die in allen Regierungsbelangen – von Studienzulassungen bis hin zu zentralen Regierungsverabredungen – ihre Finger im Spiel hatte. Grundlage dafür war offensichtlich ein weitläufiges korruptes Netzwerk, das Wirtschaftseliten und führende Regierungsvertreter mit einschloss.
Mit Füßen getreten
Park entschuldigte sich zwar öffentlich im Fernsehen, beharrte jedoch darauf, dass die ganze Sache kein ernsthaftes Problem darstelle. Viele Menschen begannen darüber nachzudenken, dass ihre hart erkämpften demokratischen Rechte (wenn auch nur in einem kapitalistischen System) mit Füßen getreten wurden. Dieser Skandal war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen gebracht hat.
Bei den Präsidentschaftswahlen 2012 stellte sich die herrschende Elite fast geschlossen hinter Park. Sie ist die Tochter des früheren Militärdikators Park Chung-hee. Die Bosse sahen in ihr eine koreanische Margaret Thatcher – in einer Zeit, in der der Kapitalismus in Korea instabiler wurde.
Park hat nicht nur demokratische Rechte angegriffen, sondern auch im Zuge einer marktorientierten Politik Anschläge auf Löhne, Jobsicherheit, öffentliche Ausgaben und Sicherheits-Regulierungen verübt. Ihre Regierung ist außerdem bestrebt die militärische Zusammenarbeit mit Japan und den USA noch weiter auszubauen.
Südkorea: Streiks als Schlüssel
Der Dachverband der Gewerkschaften (KCTU) bildete die Speerspitze im Kampf gegen die Regierung. Innerhalb des ersten Jahres nach der Wahl von Park streikten die Beschäftigen bei der Eisenbahn 23 Tage lang. Dieser Streik überwand die Atmosphäre der Angst, gegen die Regierung aufzutreten.
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2014 passierte infolge der Deregulierungen ein Unglück auf einer Fähre, das 300 jungen Menschen das Leben kostete. Die Familien der Opfer, hauptsächlich aus den Arbeitervierteln stammend, führten den Kampf gegen die Vertuschungen der Regierung an.
Gegen die Angriffe von Park auf Löhne und Arbeitsrechte im letzten Jahr rief die KCTU zu landesweiten Massenprotesten auf – alleine in Seoul konnte sie 100.000 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter mobilisieren. Obwohl diese Kämpfe nicht unmittelbare Erfolge vorzuweisen hatten, bremsten sie das Tempo, in dem Parks marktorientierte Reformen voranschritten. Ihre Beliebtheitswerte sind seither konstant gesunken. Die verstärkte Zusammenarbeit mit dem US-Militär heizte die weitverbreitete Unzufriedenheit noch weiter an. Bei den Parlamentswahlen im April erlitt ihre Partei schließlich eine gewaltige Niederlage. 2017 stehen die Präsidentschaftswahlen an – und die herrschende Klasse ist nervös.
Herausforderungen für die Linke in Südkorea
Die Bewegung benötigt politische Führung. Einige der derzeitigen Führer innerhalb der Bewegung sind Opportunisten. Sie argumentierten gegen den Rücktritt der Präsidentin – andernfalls würde das Land ins Chaos stürzen. Sie verlangen im Grunde einen Schulterschluss mit den bürgerlichen Oppositionsparteien, die die Bewegung im Zaum halten wollen. Größtenteils teilen sie Parks politische Agenda, die sich gegen die werktätige Klasse richtet. Wir von der Arbeitersolidarität müssen uns mit aller Kraft dafür einsetzen, dass die organisierte Arbeiterschaft eine zentrale Rolle in dieser Bewegung spielt. Wir versuchen außerdem, die andauernden Eisenbahnerstreiks zu unterstützen, und Druck auf die KCTU Führung auszuüben, damit diese zusätzlich zum geplanten landesweiten Protest am 12. November, auch zu Streiks ausruft.
Zum Text: Der Text erschien zu erst auf Englisch bei Socialist Worker. Übersetzung aus dem Englischen David Albrich.
Schlagwörter: Eisenbahn, Gewerkschaften, marx21, Protest, Streik, Südkorea