Die Bundesregierung versucht, die unbeliebte Erhöhung des Wehretats mit der aggressiveren Außenpolitik Russland zu begründen. Doch das ist heuchlerisch. Ein Kommentar von Stefan Bornost
Die Bundesregierung hat sich noch nie für die Verbrechen anderer Staaten interessiert, außer wenn diese für die Durchsetzung eigener imperialer Interesse nützlich sind. US-Präsident Donald Trump hat den Nato-Partnern deutlich zu verstehen gegeben, dass sie mehr zahlen sollen für ihre Armeen. Das Militärbündnis verlangt, zwei Prozent des Haushalts in Rüstung zu stecken. In Deutschland liegt der Anteil momentan bei 1,13 Prozent.
Mehrheit gegen eine Erhöhung des Wehretats
Laut einer Yougov-Umfrage von 2017 sind 42 Prozent der Deutschen für eine Erhöhung des Wehretats, 55 Prozent dagegen. Das ist sehr verständlich angesichts der fehlenden Investitionen in Bildung, Pflege und Wohnraum. Dieser Widerstand soll gebrochen werden. Vorgelegt hatte Ende letzten Jahres schon der SPD-Mann Hans-Peter Bartels, seines Zeichens Wehrbeauftragter: »Wir haben gegenwärtig die kleinste Bundeswehr aller Zeiten. Aber diese radikal geschrumpfte Armee soll heute mehr können als früher, nämlich gleichzeitig Auslandseinsätze und seit der Krim-Annexion durch Russland 2014 auch wieder kollektive Verteidigung«.
Hardlinerin: Ursula von der Leyen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen legte jetzt nach: »Russland hat die Krim annektiert, stranguliert weiter die Ostukraine. Aleppo ist von russischen Fliegern unter einem Bombenteppich begraben worden. Deshalb ist es wichtig, dass wir aus einer Position der Geschlossenheit und Stärke bereit bleiben zum Dialog mit Moskau.« Die Betonung liegt hier auf Position der Stärke – van der Leyen ist eifrige Verfechterin der Aufrüstung der Bundeswehr (Lese hier einen Artikel zur Frage: »Weder Nato noch Russland – Vier Fakten zum neuen Säbelrasseln im Baltikum«).
Putin’s autoritärer Kurs
Ganz klar: Putin hat in Russland einen autoritären Kurs eingeschlagen, unterdrückt die Opposition und damit auch die politische Linke. Sein enges Bündnis mit den reaktionärsten Teilen der orthodoxen Kirche hat zu einem gesellschaftlichen Rollback geführt, der zum Beispiel die LBGT-Community zum Objekt staatlicher Verfolgung gemacht hat. Die russische Intervention in Syrien ist zusammen mit dem Eingreifen Irans der wesentliche Grund dafür, dass das Assad-Regime seinen mörderischen Feldzug gegen die eigene Bevölkerung mit Hunderttausenden Toten erfolgreich zu Ende bringen wird.
Die Heuchelei des Westens
Aber: Russland unterscheidet sich darin kein Stück von dem Regime in Saudi-Arabien, welches sehr repressiv nach innen handelt und außenpolitisch die Hauptverantwortung für die zweitgrößte humanitäre Katastrophe nach dem Syrienkonflikt, nämlich den Jemenkrieg trägt. In Jemen sind bisher 10.000 Menschen durch Kampfhandlungen gestorben, sieben Millionen sind von einer Hungersnot bedroht. Ursächlich dafür ist eine Seeblockade des Jemen durch die saudi-arabische Marine, die sich auch auf dringend benötigte Hilfsgüter erstreckt. Wie verhält sich die Bundesregierung in dieser Situation? Sie verkauft Saudi-Arabien vier blockadefähige Patroullienboote. Damit macht sie genau das, was sie Putin vorwirft: den brutalen Feldzug eines diktatorischen Regimes in einem anderen Land zu unterstützen. Die USA tun dies seit Jahren direkt – schon die Obama-Regierung hat ihre Killerdrohnen auf die Menschen im Jemen losgelassen, Trump führt diese Politik unvermindert fort.
Ein schmutziges Spiel
In Wirklichkeit ist es nicht die Sorge um die von Putins Bomben bedrohten Menschen in Syrien, welche die Bundesregierung umtreibt – schließlich hat sie auch kein Problem damit, die aus Syrien Fliehenden zu Tausenden im Mittelmeer ertrinken zu lassen oder, wenn sie es nach Deutschland schaffen, sie wieder ins Kriegsgebiet abzuschieben. Putins Verbrechen sind real. Aber ihre Instrumentalisierung durch die Bundesregierung ist lediglich ein schmutziges Spiel, um die Militarisierung voranzutreiben.
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