Die Forderung nach einem Bekenntnis zur NATO ist nicht nur lächerlich, sondern auch der Versuch, die LINKE zur Kriegspolitik zu zwingen, meint Hans Krause
Beim zweiten Mal haben sie es wieder getan. Als sich die Kanzlerkandidat:innen am 12. September nochmal zur Fernsehdiskussion trafen, hat erst SPD-Scholz nochmal beteuert, dass er nur mit der LINKEN regiert, wenn sie sich »deutlich zur NATO« bekenne. Oder wie es die grüne Baerbock ausdrückt: »Die Regierung muss auf Grundlage einer aktiven Außenpolitik gebildet werden.« Was nichts anderes heißt als die deutsche Armee in den Krieg zu schicken. Sieht man die Leidenschaft, mit der die Forderung wiederholt wird, könnte man denken, Scholz und Baerbock hätten die letzten Monate ein paar wichtige Nachrichten verpasst.
Das Desaster der NATO-Kriege
Erst Ende August wurde die NATO nach 20 Jahren Krieg zum Abzug aus Afghanistan gezwungen. Hinterlassen haben sie ein Land, in dem 56 Prozent der Menschen hungern. Und nicht nur in Afghanistan hat der von der NATO gedeckte sogenannte Krieg gegen den Terror ein Desaster angerichtet.
Die NATO hat die Welt in Flammen gesetzt
Er war ein einseitiger und unbegrenzter Präventivkrieg und wurde zum bisher größten Massenmord des Jahrhunderts. Die angeblichen Feinde des Terrorismus in den Regierungssitzen der NATO brachten selbst nichts anderes als unendlichen Terror in die Welt. Statt Frieden und Stabilität haben die westlichen Staaten unter Führung der USA von 2001 bis heute in ihrem Streben nach Macht, Profit und globaler Vorherrschaft die Welt in Flammen gesetzt (Lies hier den marx21-Artikel: »Techniken des Terrors: Die Wahrheit über staatliche Folter nach 9/11«).
Es gibt keinen dümmeren Zeitpunkt, die LINKE an ihr ausstehendes Bekenntnis zu erinnern. Warum bestehen SPD und Grüne dann darauf, als wäre nicht gerade erst bewiesen worden, dass NATO-Kriege keinen Frieden bringen?
Die Wirtschaft verlangt Feuerkraft
Für beide Parteien ist die NATO eine Grundsatzfrage, weil sie den Kapitalismus nicht in Frage stellen. SPD und Grüne sind zutiefst überzeugt, dass es den Menschen nur gut gehen kann, wenn es als erstes der Wirtschaft gut geht. Deren Profite müssten verteidigt, ihre Interessen auch weltweit durchgesetzt werden. Wenn es hart auf hart kommt, verlangt die deutsche Wirtschaft dafür eine Armee mit viel Feuerkraft und die hat Deutschland nur mit stärkeren Verbündeten, allen voran den USA.
Grüne und SPD wollen mehr Aufrüstung
Die Grünen stehen für eine »moderne Bundeswehr« statt für Abrüstung und Frieden. Im Wahlprogramm heißt es: »Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Dazu gehört auch, dass die Bundeswehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher und planbar ausgestattet und bestmöglich organisiert sein muss. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutzausrüstung in Einsätze gehen, ist nicht hinnehmbar.«
Baerbock und Scholz legen sich zwar nicht auf das Zwei-Prozent-Ziel der NATO fest, sie finden es aber im Grundsatz richtig, mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben. Scholz ist stolz darauf, dass mit ihm als Finanzminister der Verteidigungshaushalt auf über 50 Milliarden Euro gestiegen sei. Baerbock teilt die US-Position, dass Europa mehr aufrüsten müssen. Sie will ein Nato Cyber-Abwehrzentrum aufbauen: »Das wird kosten. Das ist mein Vorschlag an die Amerikaner: Wir als Europäer finanzieren das als Lastenteilung innerhalb der Nato.«
Die Grünen haben auf ihrem Parteitag dieses Jahr sogar ihr »Nein« zu bewaffneten Drohnen aufgeweicht. Die SPD ist bei der Frage gespalten und SPD-Führung laviert hier hin und her. Zwar hat die SPD-Fraktion gegen die Bewaffnung von Drohnen unter der Großen Koalition ausgesprochen. Allerdings: Mit den Stimmen der SPD hat die Große Koalition die Entwicklung und Beschaffung einer Eurodrohne auf den Weg gebracht, die ab 2030 für die Luftwaffe zum Einsatz kommen soll.
In Mali droht zweites Afghanistan
Politiker:innen von SPD und Grünen folgen aus der Niederlage in Afghanistan nicht etwa, dass der Krieg ein Fehler war. Sondern dass die US-Armee nach 20 Jahren Krieg zu früh (!) abgezogen sei und die deutschen Soldaten schlagkräftiger werden müssten und dafür mehr Waffen brauchen. Für sie ist es keine Frage, ob der deutsche Imperialismus im Rahmen der NATO weltweit Krieg führen und Länder besetzen sollte. Sonder nur, wie das am erfolgreichsten umgesetzt wird. Die LINKE sollte keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, der neue Einsätze der deutschen Armee oder das Verlängern bestehender Einsätze ermöglicht. Insbesondere einer Verlängerung des Einsatzes in Mali dürfen LINKE-Abgeordnete nicht zustimmen. Denn hier droht ein zweites Afghanistan.
Die Treue zur NATO brachte den Krieg
Im Wahlkampf versprechen Grüne und SPD viel. Doch die vollmundigen Versprechen nach einer friedlicheren Außenpolitik, wurden bereits 1998 bis 2005 auf ganzer Linie enttäuscht. SPD und Grüne haben damals die Bundeswehr in ihren ersten Kriegseinsatz im Ausland geschickt – mit katastrophalen Konsequenzen. Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik ging in Meilenschritten voran.
Anstatt Geld für Kitas und Schulen gab es Milliarden für Panzer und Bomben
Unter der letzten rot-grünen Bundesregierung wurde die Bundeswehr von der Verteidigungsarmee zur Interventionsstreitmacht umgebaut. Anstatt Geld für Kitas und Schulen gab es Milliarden für Panzer und Bomben. Unter Führung des damaligen SPD-Verteidigungsminister Peter Struck (»Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt«) legte die rot-grüne Regierung den Grundstein für die Beteiligung am Afghanistan-Desaster. Diese Politik der gebrochen Versprechen droht wieder, weil es von der SPD wie von den Grünen kein klares Bekenntnis für eine friedliche Außenpolitik gibt und im Grundsatz die Ansicht teilen, dass Deutschland eine bewaffnete Armee braucht (Lies hier den marx21-Artikel: »Bilanz Rot-Grün: Der Verrat von Schröder war vorprogrammiert«).
Haltelinien statt Verbalradikalismus
Die Forderung von Grünen und SPD nach einem Bekenntnis zur NATO jedoch ist nicht nur lächerlich, sondern auch der Versuch, die LINKE zur Kriegspolitik zu zwingen. DIE LINKE sollte dabei nicht mitmachen. Die Forderung nach der Auflösung der NATO ist richtig. Auch wenn sie radikaler klingt als sie ist. Denn eine Auflösung wäre nur möglich, wenn alle NATO-Regierungen sie gemeinsam beschließen, also auch USA, Großbritannien, Frankreich und viele andere.
Das klare Nein der LINKEN zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist wichtiger
Viel wichtiger ist, dass die Partei bei ihrem klaren Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr bleibt. Anstatt sich SPD und GRÜNEN anzubiedern, wie es Dietmar Bartsch und andere führende Politiker:innen der LINKEN jetzt seit Wochen machen, sollte die LINKE den Spieß umdrehen und von Grünen und SPD ein klares Bekenntnis zu einer friedlichen Außenpolitik fordern. Das würde zum Beispiel bedeuten, die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen sofort abzuziehen. Um den Wähler:innen, die auf eine Mitte-Links-Koalition hoffen zu zeigen, dass die LINKE es ernst meint mit dem Politikwechsel, hat die Partei zur Frage der Regierungsbeteiligung im Erfurter Programm deutlich formuliert, was mit der Partei auf keinen Fall zu machen ist: »An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des Öffentlichen Dienstes verschlechtert, werden wir uns nicht beteiligen.«
DIE LINKE sollte diese Haltelinien im Wahlkampf stark machen, wenn Grüne und SPD die Partei auf einen Kriegskurs trimmen wollen. So wird auch Wähler:innen klar: DIE LINKE gehört eben nicht zu jenen Parteien, die vor der Wahl alles Mögliche versprechen, nach der Wahl faule Kompromisse eingehen und ihr eigenes Programm damit verraten.
Bild: marx21
Schlagwörter: DIE LINKE, Inland