Ingrid Noll zeichnet in »Halali« die Lebensgeschichten von zwei Bonner Frauen nach, die in den 1950er Jahren die Liebe finden und Karriere machen möchten. Thomas Weiß über einen Roman, der Mut zu Aktivismus macht
Krimiautorin Ingrid Noll schildert in ihrem jüngsten Werk das Leben von zwei jungen Frauen, Holda und Karin, in der neuen »provisorischen« Bundeshauptstadt Bonn unter Bundeskanzler Adenauer. Sie arbeiten als Schreibkräfte in einem der neuen Bundesministerien. Viel mehr ist beruflich nicht drin, denn von Frauen wird erwartet, dass sie bald heiraten und Kinder kriegen. Insbesondere Karin »jagt« (»Halali«) recht resolut männlichen Objekten hinterher, die sie nach möglicher zukünftiger Karriere und Qualität im Bett bewertet.
Aktivismus in Zeiten des kalten Krieges
Immerhin stoßen die beiden Frauen über männliche Studenten auf Politik. Karin demonstriert mit einem Freund in Frankfurt, dem neuen Mekka der Linken. Arabische Studenten haben zusammen mit deutschen Kommilitonen zu einer Demonstration gegen den Suezkrieg aufgerufen. Es ist aber auch Karin, die wohl durch männliche Gewalt während der Kriegszeit traumatisiert wurde. So manchen Mann räumt sie aus dem Weg, als die beiden auch noch in den Kalten Krieg verwickelt werden.
Rassistische und patriarchale Verhältnisse
Allerdings lastet die Nazizeit noch auf der Gesellschaft. Holdas Vater war bei der Waffen-SS gewesen. Die flotte Karin muss Schlimmes als Flüchtlingskind erlebt haben. Die Bonner Ministerien beschäftigen weiter ehemalige NSDAP-Mitglieder. Rassismus herrscht: Ledige Mütter mit Kindern von schwarzen Besatzungssoldaten werden von den Behörden gedrängt, diese Kinder an schwarze Familien in den USA zur Adoption zu geben. Für schwarze Familien in den USA war es schwierig Kinder zu adoptieren.
Holda ist die Ich-Erzählerin im Roman. Sie erzählt ihrer Enkeltochter von ihrer Jugend. Diese wiederum kommentiert als junge Frau von heute. So zeigt Noll, inwieweit sich die deutsche Gesellschaft seit damals verändert hat, und macht Mut zu Aktivismus.
Das Buch:
Ingrid Noll: Halali
Diogenes Verlag
Zürich 2017
22 Euro
320 Seiten
Schlagwörter: Bücher, DDR, Kalter Krieg, Kultur, Roman