Die AfD gewann bei den letzten Landtagswahlen überdurchschnittlich viele Stimmen unter Gewerkschaftsmitgliedern. Wie sollen die Gewerkschaften reagieren? Wir fragten den schwedischen Gewerkschafter Johan Ulvenlöv nach seinen Erfahrungen im Umgang mit den rassistsichen »Schwedendemokraten«
marx21: In Deutschland haben wir momentan mit der AfD zu kämpfen. In Schweden ist mit den »Schwedendemokraten« bereits seit 2010 eine rechte Partei im Parlament verteten. Was ist das für eine Truppe?
Johan: Die Schwedendemokraten sind eine rassistische Partei mit Nazi-Ursprung. Ihre Politik richtet sich gegen Migranten, Muslime und die gesamte lohnabhängige Bevölkerung. Sie sind eine Anti-Arbeiterpartei. So würde ich sie in drei Sätzen beschreiben. Was sie jedoch versuchen, ist ihre Nazi-Vergangenheit zu verstecken. Sie wollen nicht, dass die Leute darüber sprechen.
Auf die hohen Umfragewerte der rassistischen Partei hat deine Gewerkschaft 2011 mit einer antirassistischen Kampagne reagiert. Was habt ihr gemacht?
Man könnte sagen, dass wir die Schwedendemokraten einer öffentlichen Prüfung unterzogen haben. Wir hatten zwei zentrale Botschaften: die Nazi-Ursprünge der Partei und ihre arbeiterinnen- und arbeiterfeindliche Politik. Wir haben eine Dokumentation und Kurzfilme produziert und unsere Botschaft im Internet, in Talk-Shows und Zeitungen immer wiederholt. Je öfter du die Rechten angreifst, desto wütender werden sie und desto mehr Fehler machen sie. Über zwei Millionen Menschen haben unsere Videos gesehen, Hunderttausende haben sie geteilt. Zur Erinnerung: in Schweden leben nur 10 Millionen.
Also eine Medienkampagne, um die Schwedendemokraten öffentlich unter Druck zu setzen
Außerdem haben wir ein großes antirassistisches Schulungsprogramm gestartet. Es ist eine dreitägige Schulung über Rassismus und darüber, wie wir als Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter damit umgehen können, um ihn effektiv zu bekämpfen. Wir verstehen Rassismus auch als Teil schlechter Arbeitsbedingungen. Wenn am Arbeitsplatz Rassismus auftritt, müssen die Gewerkschaften etwas dagegen tun. Die Schulung haben mittlerweile über 20.000 Mitglieder absolviert. Sie ist aber nicht direkt mit der Kampagne verbunden, hier geht es um Rassismus im Allgemeinen. Die Kampagne hat hingegen einen unmittelbaren Fokus auf die Schwedendemokraten.
Häufig zögern Gewerkschaften damit sich klar gegen Rassismus zu positionieren, weil sie Angst haben Mitglieder zu verlieren. Du kannst ja aus eigener Erfahrung sprechen: Habt ihr Mitglieder verloren? Wie waren die Reaktionen?
Das Problem ist doch folgendes: Was für Gewerkschaften würden wir haben, wenn die Rechten soviel Unterstützung bekommen, dass sie den Laden übernehmen? Wie würde eine solche Gewerkschaft aussehen? Das ist meine Frage an diejenigen, die keine Mitglieder verlieren wollen und deshalb zu Rassismus schweigen. Darüber hinaus konnten wir das in Schweden nicht beobachten. Es gab einige, die geschrieben haben, dass sie die Gewerkschaft verlassen, aber sie taten es nicht. Wir haben durch die Kampagne keine Mitglieder verloren.
Wie ist die Situation heute? War die Kampagne ein Erfolg?
Ich bin sehr froh, dass wir die Kampagne gestartet haben und dass ich ein Teil davon sein konnte. Und ja, sie war ein Erfolg. Doch das heißt nicht, dass sich das Problem des Rassismus erledigt hätte oder die Schwedendemokraten verschwunden wären. Ganz im Gegenteil: Ihre Umfragewerte sind momentan wieder erschreckend hoch. Eine Kampagne ist etwas, das man starten kann und ja, wir haben viele Leute erreicht. Aber der Kampf gegen rechts endet damit nicht. Eine erfolgreiche Kampagne bedeutet noch lange nicht, dass wir gewonnen haben. Am Ende müssen wir die Menschen für eine bessere Idee gewinnen. Deshalb müssen wir für eine Politik kämpfen, mit der wir eine gerechtere Gesellschaft erreichen, in der sich alle entfalten können, in der alle gute Bildung und gute Jobs bekommen anstatt sich über Flüchtlinge oder den Islam zu sorgen.
Auch in Deutschland konnten die Rassisten der AfD in die Arbeiterklasse ausgreifen. In Baden-Württemberg erzielte die AfD bei der letzten Landtagswahl unter Gewerkschaftsmitgliedern 15 Prozent der Stimmen, in Sachsen-Anhalt waren es sogar 25 Prozent. Die Kampagne »Aufstehen gegen Rassismus« und ihre Stammtischkämpferschulungen stoßen deshalb gerade in den Gewerkschaften auf viel Interesse. Was müssen gewerkschaftlich Aktive im Kampf gegen rechts beachten?
Ich will hier gar nicht die einzig wahre Strategie für mich beanspruchen. Vielleicht klingt das sehr einfach, doch ich glaube zuallererst ist es wichtig, dass wir als Gewerkschaft nicht leise sind und keine Angst vor den Rechten haben. Wenn wir leise sind, werden sie gewinnen. Jede Aktion, jedes Gespräch, jeder Tweet, jede Handlung hilft die Agenda der Rechten zurückzudrängen. Im Kampf gegen Rassismus und rechte Parteien ist jede kleine Tat wichtig. Und alle können etwas tun. Am Ende meines Lebens will ich auf diese Peridoe europäischer und globaler Geschichte zurückblicken und sagen können: Ja, du hast etwas getan.
Johan Ulvenlöv ist Social-Media-Stratege des schwedischen Gewerkschaftsverbands »Landsorganisationen i Sverige« (LO).
Das Interview führte Jary Koch.
Schlagwörter: AfD, agr, Antirassismus, Aufstehen gegen Rassismus, Gewerkschaften, Schweden, Schwedendemokraten