Als klar war, dass die Stichwahl um das französische Präsidentenamt zwischen der Faschistin Marine Le Pen und Emmanuel Macron entschieden würde, gab der linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon die Parole aus: »Keine Stimme für Le Pen – Widerstand jetzt!«. Seine Weigerung, zur Wahl Macrons aufzurufen, brachte ihm viel Kritik ein. Doch sie war die richtige Taktik angesichts der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Krise in Frankreich. Jetzt kann Mélenchon eine Bewegung des Widerstands und damit eine wirkungsvolle Alternative zu Le Pen aufbauen.
Melenchon bewahrt sein Profil….
Etwa 4,2 Millionen Menschen – so viele wie noch nie, gerade junge Leute und Menschen aus der Arbeiterklasse – gaben zwar ihren Stimmzettel ab, stimmten allerdings für keinen der beiden Kandidaten (»Vote blanc«) oder beschädigten ihren Stimmzettel so stark, dass er nicht in die Wertung einging (»Vote nul«). Weitere sind gar nicht erst zur Wahl gegangen. Presseartikel aus den Arbeitervierteln und deindustrialisierten Kleinstädten Frankreichs berichten von Menschen aller Weltanschauungen, Hautfarben und Herkunft, denen Mélenchons Kampagne »La France Insoumise« (Das widerständige Frankreich) im ersten Wahlgang die Hoffnung vermittelt hat, dass es eine Alternative zum Sozialabbau des Präsidenten Sarkozy (2007-12) und zum permanenten Ausnahmezustand des Präsidenten Hollande (2012-17) gibt.
…als Grundlage für künftigen Protest
Da Macron für ein »Weiter so, aber schlimmer« steht, brachten viele der von den traditionellen Parteien Enttäuschten es selbst im Angesicht von Le Pen im zweiten Wahlgang nicht über sich, ihn zu wählen. Ihnen vorzuwerfen, sie hätten Le Pens Sieg in Kauf genommen, trifft den Punkt nicht. Der Löwenanteil der zusätzlichen Stimmen für Le Pen kam aus einer anderen Ecke: Knapp ein Drittel der bürgerlichen Wählerschaft des in der ersten Runde drittplatzierten Konservativen Francois Fillon haben im zweiten Wahlgang Le Pen gewählt. Die Auflösung der bürgerlichen Mitte nach rechts ist erschreckend weit fortgeschritten.
Eine Wahlempfehlung für Macron von Mélenchon hätte diesen politisch gegenüber dem zukünftigen Präsidenten entwaffnet und zudem seine Basis in der Gesellschaft von ihm entfremdet. Sein Aufruf zum Widerstand ist die Grundlage, diese Menschen für den Kampf gegen Macrons Sozialabbau und die Solidarität aller Unterdrückten zu gewinnen. Diese Bewegung aufzubauen, ist jetzt entscheidend. Der Ex-Banker und Arbeitsminister Macron hat angekündigt, die Macht der Gewerkschaften zu schwächen, die 35-Stunden-Woche aufzuweichen, eine Art französisches Hartz-IV-System einzuführen und massive Privatisierungen durchzusetzen.
Dass »La France Insoumise« einen unabhängigen Gegenpol bildet, ist umso notwendiger, als sich die traditionelle Linke mit Macron arrangiert zu haben scheint. Die Gewerkschaft CFDT, die dem »Parti Socialiste« (PS, vergleichbar mit der deutschen SPD), nahesteht, hat nicht mit aufgerufen, am 1. Mai gegen Le Pen zu demonstrieren. Sie hielt wohl den Wahlaufruf des PS für Macron für ausreichend. Der Kandidat des PS, Benoît Hamon, landete im ersten Wahlgang unter »ferner liefen«. Die Anbiederung an die Alternativlosigkeit erreicht kaum noch jemanden.
Solidarität durch Proteste gegen Merkel
Bereits zwischen den Wahlgängen gab es große Demonstrationen. Am Tag nach Macrons Wahl gingen Tausende gegen den angekündigten Sozialabbau auf die Straße. Wer es in Deutschland damit ernst meint, die faschistische Gefahr zu bekämpfen, die von Le Pen und dem Front National ausgeht, sollte jetzt bei aller berechtigten Kritik an einzelnen Positionen nicht auf Mélenchon herumhacken, sondern Solidarität mit den Protesten gegen Macron aufbauen. Noch wirkungsvoller wäre allerdings eine Linke, die sich endlich Merkel und Schäuble und ihrem Spardiktat über Europa entgegenstellt.
Foto: Jacques-BILLAUDEL
Schlagwörter: Antifaschismus, France Insoumise, Frankreich, Front National, Le Pen, Macron, Mélenchon, Strategie