Stefan Dietl sieht die AfD auf dem Weg zu einer rechten Massenpartei. Sein lesenswertes Buch zeigt aber auch Wege auf, wie Linke und Gewerkschaften das noch verhindern können. Von Jan Maas
Den anhaltenden Flügelstreit in der AfD untersucht der Gewerkschaftslinke Stefan Dietl in seinem 2017 erschienenen Buch »Die AfD und die soziale Frage«. Das Buch ist ausdrücklich aus einer gewerkschaftlichen und linken Perspektive geschrieben und versteht sich als ein »Beitrag zum Kampf gegen die Rechtspartei«. Die große Stärke von Dietls Buch liegt darin, dass er das Publikum mit der Nase auf die Hauptkampflinie in der AfD stößt. Anders als anhand dieses Streits um die Flügel ist die Partei gar nicht zu verstehen.
Der Kampf zwischen den beiden Hauptflügeln prägt die AfD
Dietl zeigt an ein paar Beispielen, dass die Diskussion über den Charakter der Partei oft fälschlich extrem polarisiert geführt wird: Die einen finden sie in erster Linie neoliberal, die anderen in erster Linie rassistisch und die jeweils andere Seite wird dann oft unterschlagen. Dietl zeigt dagegen anschaulich, wie gerade der Kampf zwischen den beiden Hauptflügeln die AfD prägt. Der Autor nennt sie marktradikal und »völkisch-antikapitalistisch«. Letzteren Flügel könnte man auch faschistisch nennen.
Diese Charakterisierung der Partei ist zwar nicht neu, aber bei Dietl sehr gut ausgearbeitet. Er zieht die Traditionslinie der Marktradikalen bis zurück zu Friedrich-August von Hayek und die Traditionslinie der »Völkisch-Antikapitalistischen« bis zurück zum Strasser-Flügel der NSDAP. Besonders letzterer Abschnitt ist sehr erhellend. Wie Dietl schreibt, wollte der Strasser-Flügel »die deutschen Arbeiter*innen dem Einfluss der ›internationalistischen Arbeiterparteien‹ entziehen«.
»Wir wollen auf breiter Front deregulieren«
Im gleichen Sinn agieren heute AfD-Politiker wie Alexander Gauland und Björn Höcke. Dietl hebt den brandenburgischen Landtagswahlkampf 2014 hervor, als die Eurokrise überwunden schien und die sogenannte Flüchtlingskrise noch bevor stand. Gauland stellte die AfD als »Partei der kleinen Leute« dar und sie erhielt dafür ein zweistelliges Ergebnis. Dennoch zeigt die AfD in ihrem Grundsatzprogramm von 2016 weiterhin auch marktradikale Züge: »Wir wollen auf breiter Front deregulieren«, heißt es da.
Auch der Abschnitt über die Gewerkschaften ist stark. Dietl zeigt auf der einen Seite, dass sie eine Mitverantwortung für den Aufstieg der AfD haben. Er nennt zum Beispiel die Mitarbeit an der Agenda 2010, aber auch die Spaltung der Belegschaften durch Leiharbeit. Auf diesem Nährboden wächst die AfD. Auf der anderen Seite betont er, dass die Gewerkschaften sowohl den Sozialabbau bekämpfen als auch auf dem Weg der Solidarität Spaltung und Rassismus überwinden können, wenn sie politisch umsteuern.
Der »völkisch-antikapitalistische« Flügel derzeit das dynamische Element
Dietls Fazit darüber, wo genau zwischen Marktradikalismus und »völkischem Antikapitalismus« die AfD nun steht, ist leider schwach begründet. Er kommt angesichts der Anteile, die die Inhalte der verschiedenen Flügel am Programm der AfD haben, zu dem Schluss, dass sie sich »auf dem besten Weg zur neoliberalen Massenpartei« befinde. Es fehlt erstens eine Einschätzung der Kräfteverhältnisse zwischen den Flügeln und zweitens eine Darstellung der politischen Dynamik in der Partei.
Wenn man die Rolle, die die ostdeutschen Landesverbände spielen, und die Art und Weise, wie sie die Partei seit der Abspaltung des Lucke-Flügels vor sich hertreiben, in Rechnung stellt, dann muss man zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Partei zwar programmatisch mehrheitlich marktradikal aufgestellt ist, aber dass der »völkisch-antikapitalistische« Flügel derzeit das dynamische Element in der Partei ist. Trotzdem bleibt Dietls Buch informativ, lehrreich und absolut lesenswert.
Das Buch:
Stefan Dietl
Die AfD und die soziale Frage. Zwischen Marktradikalismus und »völkischem Antikapitalismus«
Unrast Verlag
Münster 2017
168 Seiten
14,00 €
Foto: JamesReaFotos
Schlagwörter: AfD, Alternative für Deutschland, Flügel, Linke, Rezension