Sollen SUV aus den Innenstädten verbannt werden? Martin Haller meint: Nein, anstatt einzelne Fahrzeughalter an den Pranger zu stellen, müssen wir der Autoindustrie den Kampf ansagen
DIE LINKE im Hessischen Landtag will »Stadtpanzer« in Innenstädten verbieten. Zu umweltschädlich, platzeinnehmend und gefährlich seien die SUVs. Die Argumente sind richtig, die Forderung aber dennoch falsch.
Sich auf eine einzelne Fahrzeuggruppe einzuschießen, ist viel zu kurz gesprungen
Statt einem SUV-Verbot brauchen wir eine grundlegende Verkehrswende – und zwar schnell. Nicht nur, um die Klimakatastrophe zumindest einzudämmen, solange es noch irgendwie möglich ist, sondern auch, weil es vollkommener Wahnsinn ist, dass sich tagtäglich Blechlawinen auf den Straßen stauen oder auf Parkplatzsuche um die Häuser kreisen.
Feinstaub, Flächenfraß und Verkehrstote
Der Individualverkehr mit dem Auto ist das denkbar schlechteste Mobilitätskonzept und schlicht nicht zukunftsfähig, ganz gleich in welchem Fahrzeugtyp – ob SUV, Kleinwagen oder Elektroauto. Ein VW Polo bringt heute in seiner »leichtesten« Variante 1,1 Tonnen auf die Waage. Der neue E-Golf wiegt 1,6 Tonnen. In solchen Karossen eine einzelne Person herumzukutschieren, ist nicht nur ökologisch, sondern auch verkehrstechnisch Unsinn – von der Gesundheitsbelastung durch Feinstaub, dem Flächenfraß und den Verkehrstoten ganz zu schweigen.
Sich auf eine einzelne Fahrzeuggruppe einzuschießen, ist daher viel zu kurz gesprungen. Die autofreie Stadt muss das Ziel sein – und das nicht erst in zwanzig oder dreißig Jahren.
Klischee des protzigen SUV-Fahrers
Eine ökologische und soziale Verkehrswende muss neben der Energiewende höchste Priorität für linke Klimapolitik haben. Doch dabei hilft es nicht weiter, einzelne Fahrzeughalter an den Pranger zu stellen.
Das Klischee des protzigen SUV-Fahrers mag ein gutes Feindbild abgeben, doch längst sind die Pseudogeländewagen zur gängigen Familienkutsche geworden, die auch im mittleren Preissegment angeboten wird. Wer sie aus den Innenstädten verbannen will, während großen Limousinen oder Sportwagen, die genauso »schmutzig« unterwegs sind, weiter freie Bahn gewährt werden soll, muss sich den Vorwurf des Populismus gefallen lassen.
Die Macht der Automobilindustrie
Für linke Klimapolitik muss es darum gehen, ökologische und soziale Interessen zu verbinden und das ist gar nicht so schwierig. Mobilität ist ein soziales Gut. Ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr, der uns schnell und günstig überall hinbringt, liegt im allgemeinen Interesse und ist zudem um einiges ökologischer und effizienter als jedes E-Auto. Warum also stecken wir weiterhin Milliarden in den Straßenbau, anstatt in einen kostenlosen ÖPNV? Warum ist das Streckennetz der Deutschen Bahn im Zeitraum von 1994 bis 2015 um über 6.000 Kilometer geschrumpft und die Belegschaft nahezu halbiert worden?
DIE LINKE sollte die wahren Verursacher der Klimakrise attackieren, anstatt verschiedene Verbrauchergruppen gegeneinander auszuspielen
Es ist die Macht der Automobilindustrie, die wir brechen müssen, wenn wir den Klimakollaps verhindern wollen. Anstatt den Käufer eines dicken BMW oder Mercedes zum Problemverursacher zu erklären, sollten wir die Hersteller ins Visier nehmen, die die Drecksschleudern produzieren und mit Millionenspenden, einem Heer von Lobbyisten sowie den Totschlagargumenten der Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplatzsicherung die Politik bestimmen.
Gegen die bürgerlich-grüne Moralkeule
Linke Klimapolitik sollte sich von der bürgerlich-grünen Moralkeule abheben – sofern sich die Grünen überhaupt noch trauen, ihr Besserverdiener-Klientel mit Verbotsdebatten zu verschrecken.
DIE LINKE sollte die wahren Verursacher der Klimakrise attackieren – allen voran die Energie- und Industriekonzerne –, anstatt verschiedene Verbrauchergruppen wie Fleischesser, Flugreisende oder SUV-Fahrer gegeneinander auszuspielen. Die Macht des Konsumenten ist im Kapitalismus genauso ein Märchen wie die Unabhängigkeit der Politik.
Eine alternative Verkehrsorganisation, in der das Zufußgehen, das Radfahren und der öffentliche Verkehr im Zentrum stehen, wird nur gegen die Macht der Autokonzerne durchsetzbar sein. Die Forderung nach Enteignung und Vergesellschaftung, die im Bereich Mieten und Bodenspekulation endlich populär wurde, muss auch für den Bereich Mobilität gestellt werden.
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Die Debatte auf marx21.de ist bereits in vollem Gange:
Den Anfang machte Elina Fleurs. Sie meint: Der Vorschlag eines SUV-Verbots geht am Problem vorbei. Lies hier ihren Beitrag: SUV-Sanktionen – wen juckt`s?
Toni Lepsch meint hingegen: Mit der Forderung nach einem SUV-Verbot in Innenstädten treffen wir die Autokonzerne da, wo es ihnen am meisten weh tut. Seinen Beitrag findest Du hier: S-Bahn fahren statt SUV-Wahn!
Schlagwörter: Auto, Autos, CO2, Klima, SUV, Verkehr