Kryptowährungen wie der Bitcoin sind momentan in aller Munde. Sie dienen nicht als Tauschmittel, sondern sind Spekulationsanlagen, die weltweite Tausende Nerds und Startup-Clickworker zu Kleinkapitalisten machen. Von Tilman von Berlepsch
Die Geschichte der Finanzmärkte ist eine Geschichte von platzenden Spekulationsblasen. Von der Tulpenblase um 1600 über die Dotcom-Blase in den 2000ern bis hin zur Immobilienmarktkrise 2008. Mit den Bitcoins und anderen Kryptowährungen scheint sich nun eine weitere Blase abzuzeichnen. Am 16. Dezember 2017 erreichte der Bitcoin mit einem Wert von 16.727 Euro seinen bisherigen Höhepunkt. Damit hatte sich seit Anfang des Jahres 2017 der Wert eines einzigen Bitcoins um über 2200 Prozent gesteigert. Wer vor Jahren auch nur ein paar Euro investiert hatte, konnte quasi über Nacht reich werden. Die Nachrichten von Menschen, die »aus Versehen« Millionär wurden, überschlugen sich. Doch die Preisentwicklung verläuft nach dem üblichen Schema und der Bitcoinpreis sinkt unterdessen bereits. Groß- wie Kleinkapitalisten, Neureiche und andere Internet-Glücksritter ziehen weiter zur nächsten Blase.
Bitcoin, Kryptowährungen und Blockchain
Doch was steckt eigentlich hinter diesen Kryptowährungen? Im Kern ging es darum, die Transaktionskosten bei Internet-Zahlungen zu reduzieren und die Notwendigkeit von Finanzvermittlern, also Banken, vollständig zu eliminieren. Das ist auch der Grund, warum Hardcore-Liberale und Netz-Anarchos gleichermaßen von der Technologie begeistert sind, und sie von ihren Anhängern als »demokratische Währung« verstanden wird. Die Idee einer Welt ohne Finanzinstitutionen und Regulierungsbehörden ist für viele verlockend, sie mithilfe von Blockchains zu erreichen, allerdings wohl mehr als fragwürdig.
Kryptowährungen sollen die Banken umgehen, indem sie direkte (Peer-to-Peer) Online-Zahlungen ermöglichen. Die Blockchain ist dabei ein transparentes virtuelles »Geschäftsbuch«, das alle Transaktionen für jede einzelne Währungseinheit enthält. Sie unterscheidet sich von bestehenden (physischen oder digitalen) Buchführungen dadurch, dass sie dezentralisiert ist. Es gibt keine zentrale Behörde, welche die Gültigkeit der Transaktionen überprüft. Die Bitcoins werden von sogenannten Schürfern (miners) geschaffen, die ihre Computer-Rechenleistung zur Überprüfung von komplexen kryptographischen Transaktionen beitragen. Diese Transaktionen werden dann als Block (Buchung) in die Kette eingeschrieben, die sich somit immer weiter verlängert und deren Fortführung immer größere Rechenleistung erfordert.
Embryo einer nachkapitalistischen Welt?
Die am weitesten verbreitete Kryptowährung ist der Bitcoin, der von einem anonymen Programmierer namens Satoshi Nakamoto 2009 konzipiert wurde. Wegen seiner dezentralen Natur ist die Verbreitung und Nutzung von Bitcoins weitgehend der direkten Aufsicht und Regulierung einer staatlichen Geldpolitik entzogen, die sich normalerweise auch auf lokales Privatgeld und E-Geld erstreckt. Sind Kryptowährungen also der »Embryo einer nachkapitalistischen Welt«, wie der britische Marxist Michael Roberts fragt?
Vieles spricht dagegen. Zunächst sei angemerkt, dass das Internet sich zwar rasch verbreitet, global gesehen sich aber immer noch eine Minderheit im Netz bewegt. Außerdem ist der tatsächliche Gebrauchswert von Geld, nämlich ein Tauschäquivalent für den Handel von Gütern zu sein, bei Kryptowährungen kaum vorhanden. Lediglich einige Internetshops und wenige hippe Pop-up-Cafés in Berlin-Friedrichshain akzeptieren Bitcoins als Zahlungsmittel.
Doch gerade die Funktion der »Werterhaltung«, die Geld braucht, um als Zahlungsmittel akzeptiert zu werden, ist ohne relative Stabilität nicht zu haben. Geld muss eine Rechnungseinheit mit einem gewissen Maß an Stabilität sein, damit Kosten von Waren und Dienstleistungen im Zeitablauf und zwischen den Händlern vergleichbar sind. Sobald etwa Hyperinflation oder Deflation eintritt, verliert selbst eine nationale Währung schnell ihre Funktion als Geld, weil sie »Vertrauen« verliert. Es gibt viele Beispiele in der Geschichte der nationalen Währungen, die durch andere Währungen (etwa Zigaretten) oder durch Gold ersetzt wurden, weil das »Vertrauen« in ihre Stabilität verloren ging.
Mehr Stromverbrauch als ganz Irland
Das größte Problem für die Verallgemeinerung von Kryptowährungen ist allerdings die enorme Rechenleistung, die sie schon heute benötigen, und der damit verbundene Energieverbrauch. Die erforderliche Rechenleistung, die zu Beginn noch von privaten Computern bereitgestellt wurde, kann heute nur noch von gigantischen Serverfarmen von großen Konzernen oder Staaten erbracht werden. Damit wird der gesamte Krypto-Markt von wenigen Unternehmen und Institutionen kontrolliert und die suggerierte Unabhängigkeit und Dezentralität ist passé.
Auch über den Stromverbrauch von Bitcoins kursieren verrückte Geschichten: Die Rechenzentren für das »Mining« verbrauchen weltweit bereits mehr Strom als ganz Irland oder Marokko. Temperaturen im Umfeld von Bitcoin-Bergbau-Zentren sollen in die Höhe geschossen sein. Bis 2020 soll der Bitcoin wohl den Strom der gesamten Erde verbrauchen. Bisher profitieren Staaten mit billigem Kohle-Strom wie China, doch demnächst werden auch diese überfordert sein.
Logische Konsequenz der Explosion des Finanzsektors
Dass die Blockchain-Technologie die Banken abschaffen wird, ist also ebenso unwahrscheinlich, wie dass sie zur allgemeinen Tauschwährung werden wird. Vielmehr werden Kryptowährungen wie Bitcoins als beliebte Spekulationsanlage für umherwaberndes Kapital auf der Suche nach Rendite dienen und zum weiteren Aufblähen des Finanzsektors beitragen.
Der Wirtschaftsjournalist Ernst Wolff schreibt dazu: »Dass Bitcoin und andere Kryptowährungen gerade jetzt einen solch gigantischen Aufschwung erleben, liegt vor allem daran, dass sie die letzte und höchste Form der Finanzspekulation darstellen: Hatten Derivate (»abgeleitete« Finanzprodukte) zumindest noch einen indirekten Bezug zu realen Werten, so handelt es sich bei Kryptowährungen um absolut synthetische Erzeugnisse, die nichts, aber auch gar nichts mehr mit der Realwirtschaft zu tun haben. Kryptowährungen sind also nichts anderes als die ultimative logische Konsequenz der Explosion des Finanzsektors.«
Nicht zu unterschätzen ist allerdings der psychologische Effekt, den der Hype um Kryptowährungen ausgelöst hat und der tausende junge Großstadtmenschen der Nerd- und Startupszene in manischer Ekstase zu Kleinkapitalisten macht. Laut einer Umfrage für Spiegel Online besitzt ein Zehntel aller Unter-30-Jährigen in Deutschland Bitcoins. Vollkommen geblendet von der Chance auf das schnelle Geld werden Sparkonten geplündert und per PayPal ins Internet geblasen. Es profitieren wie bei jeder Blase nur wenige, am Ende verlieren die meisten Beteiligten, und zuweilen löst ihr Platzen wie in der Vergangenheit eine globale Krise aus.
Foto: QuinceMedia Marko
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