Seit Donald Trump im Weißen Haus sitzt, wurde viel geschrieben über die Gefahr eines neuen Faschismus in den USA. Wenig bekannt ist hingegen, wer die tatsächlichen Faschisten in Amerika sind, was sie wollen und was sie tun. Bill Crane klärt auf
Von Indien bis Ungarn und von Frankreich bis in die USA: Der Faschismus befindet sich im Aufschwung. Spätestens seit der Wahl von Donald Trump steht die extreme Rechte auch in Amerika wieder im Rampenlicht. Trumps Kampagne und seine Wahl wurden im ganzen Land von rechtsradikalen Mobilisierungen begleitet – vom Ku-Klux-Klan (KKK), der in North Carolina aufmarschierte bis zur Neonazi-Website »The Daily Stormer«, die zu einem antisemitischen Aufmarsch in Montana aufrief. Die vor allem im Internet aktive »alt-right«-Bewegung (deutsch etwa »alternative Rechte«) produziert längst nicht mehr nur Memes, sondern macht Schlagzeilen bei CNN.
Die Berichterstattung über die faschistische Rechte in den USA ist in Europa, aber auch in Amerika selbst, bislang ziemlich dünn und geht selten über eine bloße Beschreibung des Phänomens hinaus. Statt einer soliden Analyse handelt es sich meist lediglich um liberale Hysterie. Was aber sind die Wurzeln des Faschismus in Amerika, wie entwickelt er sich und wie ist sein Verhältnis zu dem Chauvinisten im Weißen Haus?
Der rechte Gründungsmythos der USA
Die »alt-right« ist genau wie das Milieu, dem sie entsprungen ist, ein modernes Phänomen. Doch extrem reaktionäre Politik ist auch in Amerika alles andere als neu. Das ist eine direkte Folge der Paradoxie der Gründungsgeschichte der USA: Während die Gründerväter sich im Gewand eines radikalen und sogar antikolonialen Republikanismus präsentierten, beruhte ihre »egalitäre« Demokratie auf gleich zwei welthistorischen Verbrechen: der Versklavung der Schwarzen und dem Genozid an der amerikanischen Urbevölkerung. Die politische Atmosphäre in den USA ist seither systematisch durchdrungen von rechtspopulistischen Einstellungen: Eine Politik, die zwar vorgibt einem Gleichheitsprinzip zu folgen und sich gegen die Eliten zu wenden, die aber gleichzeitig die Unterdrückten angreift — Indigene und Schwarze genau wie die Millionen Zugewanderte von überall auf der Welt.
Der Aufstieg des Faschismus in den USA
Die Ursprünge der gegenwärtigen faschistischen Bewegung in Amerika liegen im frühen 20. Jahrhundert. Im Jahr 1916 wurde der KKK gegründet. In seiner Hochphase hatte er drei Millionen Mitglieder. Die Mission des KKK bestand darin, weißen Männer die uneingeschränkte Kontrolle über die Arbeitskraft der schwarzen Bevölkerung zurückzugeben sowie die »Tugendhaftigkeit« der weißen Frauen zu bewahren. Dazu setzte der Klan auf paramilitärische Organisierung, ihre berühmten nächtlichen Ritte und Kreuzverbrennungen sowie auf Angriffe auf Schwarze und auch Weiße, die er als Abweichler von der Idee der weißen Reinheit betrachtete.
Die Klassenbasis des Klans bildete das sich im sozialen Abstieg befindliche Kleinbürgertum. Eingezwängt zwischen der Zentralisierung des Kapitals sowie der Militanz der Arbeiterklasse und der Unterdrückten, neigt diese Klasse zu einer reaktionären Ideologie. Der KKK sah eine Verschwörung von Schwarzen, Kommunisten, jüdischen Finanzkapitalisten und der Katholischen Kirche am Werk. Gegen diese angeblich verkommenen Einflüsse forderten die Klan-Führer die Wiederherstellung der Herrschaft der amerikanischen Gründerväter — eine weiße Republik der Mittelklassen.
Die Ursprünge des Klans fallen in die gleiche Zeit wie das Aufkommen faschistischer Bewegungen in Europa. In den 1920er und 30er Jahre gab es in den USA viele Parallelen zum faschistischen Moment auf dem alten Kontinent – es wimmelte vor reaktionären Bewegungen und Organisationen.
Der Flickenteppich der alten Faschisten
Doch das faschistische Moment blieb in den USA unerfüllt. Die Verfolgung der Linken in den 1950er Jahren schuf allerdings eine Atmosphäre, in der die faschistische Rechte sich als anständige Antikommunisten gerieren und erstarken konnte. Die »John Birch Society« entstand in dieser Zeit, genau wie die Neonazi-Bewegung, die eine sehr eigenwillige Version der weißen Vorherrschaft des Christentums mit der Vergötterung Hitlers verband. Auch der KKK wurde in den 1950er Jahren wieder aufgebaut und stieß in der Bewegung für Rassentrennung auf fruchtbaren Boden.
Die aktivistische extreme Rechte in Amerika ist heute ein unübersichtlicher Flickenteppich verschiedener Gruppen und Bewegungen. In vielen ländlichen Regionen dominieren Milizen und Waffenbruderschaften, die sich zusammenschließen, um gegen die US-Regierung zu opponieren. Auch der Klan ist nach wie vor aktiv — wenn auch gespalten in viele einzelne lokale Gruppen. Auch Neonazi-Gruppierungen wie der »Aryan Brotherhood« (Arische Bruderschaft) ist es gelungen, landesweite kriminelle Vereinigungen aufzubauen. Dennoch bilden solche Strömungen eine Minderheit innerhalb der radikalen Rechten.
Die Ursprünge der »alt-right«
Die »alt-right« ist eine neue Entwicklung, die sich mehr oder weniger unabhängig von den traditionellen Kräften der extremen US-Rechten vollzogen hat. Sie verkörpert das Zusammentreffen von drei verschiedenen Kräften: einer neuen Generation von Verfechtern der Vorherrschaft der Weißen, den sogenannten Paläokonservativen und der ultrasexistischen Männerrechtsbewegung.
Bereits in den 1980er und 90er Jahren versuchten Teile der faschistischen Rechten, aus ihrer politischen Isolation auszubrechen. Dabei wurden sie maßgeblich inspiriert von der europäischen »Neuen Rechten«, die schon früher damit begonnen hatte, ihre faschistische Ideologie zu modernisieren, indem sie liberale und linke Themen aufgriff und ihre Überzeugung von der Überlegenheit der europäischen Kultur und der »weißen Rasse« hinter den Konzept des Ethnopluralismus versteckte. Die »alt-right«-Bewegung hat viel von dieser Ideologie übernommen. Richard Spencer, der den Begriff »alt-right« geprägt hat, hat den Faschismus neu erfunden als Identitätspolitik für weiße Amerikaner.
Die Ursprünge des Paläokonservatismus liegen in der Opposition der Republikaner gegen Präsident Franklin Roosevelt und seinen »New Deal« in den 1930er Jahren. Ideologisch zusammengehalten wurde die Bewegung durch ihren Widerstand gegen den angeblich aufgeblähten Staatssektor und eine allmächtige Regierung sowie durch eine Betonung der traditionellen Werte des angelsächsischen Protestantismus. Diese Ideen teilen sie mit der traditionellen radikalen Rechten, genau wie ihren Antikommunismus und ihre Gegnerschaft zu den sozialen Bewegung der 1960er Jahre. Im Unterschied zu den Neokonservativen stehen die Paläokonservativen der interventionistischen US-Außenpolitik ablehnend gegenüber. Von ihnen übernahm die »alt-right« ihre Forderung nach Dezentralisierung sowie ihre Opposition zum amerikanischen Imperialismus und im Besonderen zur Allianz mit Israel.
Die Männerrechtsbewegung ist ein noch jüngeres Phänomen, das als Reaktion auf die Erfolge des Feminismus aufkommen ist. Sie ist sehr divers und umfasst sowohl die sogenannte Pickup-Artist-Szene, Vertreter der Väterbewegung sowie einige Kulturkrieger der Videospiel- und Science-Fiction-Community. Was sie vereint, ist ihre Verachtung von Frauen und ihr Antifeminismus. Die »alt-right« hat von dieser Gruppierung ihre Orientierung auf Online-Aktivismus, Memes und Jugendkultur übernommen. Viele Aktivisten der »alt-right« sahen in der Männerrechtsszene eine erfolgreiche Bewegung, über die sie ein größeres Publikum erreichen könnten.
Eine neue faschistische Bewegung in den USA
Die »alt-right« heute ist eine lose verbundene faschistische Bewegung, die in erster Linie im Internet existiert. Ihre organisatorischen Zentren sind Webseiten wie »Occidental Dissident«, »The Right Stuff« oder »Attack the System«. Zudem ist sie zunehmend in den sozialen Medien und Online-Netzwerken präsent. Ihre Ressourcen außerhalb des Internet sind jedoch ziemlich dürftig, was einen entscheidenden Unterschied zu den paramilitärischen Milizen, klassischen Neonazis und dem KKK darstellt.
Die »alt-right« ist enorm vielfältig: Sie umfasst sowohl Neonazis, die mit offen zur Schau gestellter Hitler-Verehrung schockieren wollen, rechte Anarchisten, Vertreter eines primitiven »männlichen Tribalismus«, bis hin zu Aktivisten, die die Akzeptanz des Mainstreams suchen, indem sie »Vielfalt« betonen und sich in Hipster-Ästhetik üben. Allerdings steckt hinter dieser Spaltung in verschiedene Strömungen eher eine Arbeitsteilung innerhalb der Bewegung als ernsthafte ideologische Kontroversen. Nationalistische Politik für Weiße ist ihr gemeinsamer Nenner.
Trump verleiht den Faschisten Auftrieb
Von Anfang an setzte Donald Trump in seiner Präsidentschaftskampagne auf Themen, die die Herzen der faschistischen Rechten in den USA – der »neuen« wie der traditionellen – höher schlagen ließen. Das gilt für die Islamfeindlichkeit, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 den Antisemitismus in der faschistischen Rhetorik weitgehend ersetzt hat, genauso wie für die Hetze gegen Zugewanderte aus Lateinamerika, welche die US-Faschisten als Teil des gegenwärtigen »Genozids an den Weißen« sehen. Und auch Trumps »America First«-Ideologie und seine anfängliche Ablehnung der Einmischung in Kriege im Ausland passten zu den Ideen der Faschisten.
Trumps Aufstieg wurde von Verfechtern der »weißen Vorherrschaft« und der eher traditionellen extremen Rechten überschwänglich gefeiert. Sie scheiterten aber daran, gezielt in seine Kampagne zu intervenieren und sie für den Aufbau ihrer Organisationen zu nutzen. Die »alt-right« war die erste rechtsradikale Gruppe die sich als Organisation hinter Trumps Kampagne stellte. Bereits in der frühen Phase seiner Kandidatur unterstützten sie ihn durch Bedrohung und Bloßstellung seiner Gegner im Internet. Zu ihrem Markenzeichen gehören Memes mit »Pepe dem Frosch«, einer zum Internetphänomen avancierten Comicfigur. Während des Wahlkampfs verbreiteten sie zahlreiche Pepe-Bilder mit Hitlerbart und Nazi-Uniform und auch mit der Frisur Trumps. Mindestens eines dieser Bilder retweetete Trump selbst.
Durch Trump erreichte die »alt-right« die Aufmerksamkeit der Mainstream-Medien. Der Höhepunkt ihrer Berühmtheit folgte allerdings erst nach Trumps Wahl, als auf einer Konferenz des »National Policy Institute« – dem wichtigste Thinktank der »alt-right« – ihr Anführer, Richard Spencer, in die enthusiastische Menge rief: »Heil Trump, Heil uns allen, Sieg Heil!« Zahlreiche Zuhörer hoben daraufhin den Arm zum Hitlergruß.
Der Unterschied zwischen Trump und den Faschisten
Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Rechtspopulismus von Trump und dem Faschismus der »alt-right«. Letztere verfolgt einen revolutionären Weg anstatt eines reformistischen. Die Anhänger der »alt-right« glauben nicht daran, dass die USA und ihre Institutionen so fundamental reformiert werden können, wie sie es für nötig halten. Ihr Ziel ist ein oder mehrere ethnisch homogene »weiße« Staaten, die aus der Zerstörung der USA erwachsen sollen. Seit Beginn seiner Präsidentschaft hat sich Trump auf die interventionistische Außenpolitik des US-Establishments zubewegt und Israel unterstützt. Das hat den Widerstand sowohl der paläokonservativen als auch der Nazi-Strömungen innerhalb der »alt-right« hervorgerufen.
Die Symbiose der Rechten in den USA
Die Kader der »alt-right«-Bewegung sehen sich als die radikale Speerspitze von Trumps politischer Basis. Als Fürsprecher extrem rassistischer Positionen, die unvereinbar mit dem US-Mainstream sind, lassen sie Trumps Rassismus weniger radikal erscheinen. Ihre Opposition zum Establishment der Republikaner hat den Diskurs innerhalb der Partei verschoben. Junge Konservative geraten zunehmend unter den Einfluss von faschistischen Ideen. Obwohl Trump und seine Unterstützer aus dem faschistischen Milieu in vielen Fragen getrennte Wege gehen, sind sie eine Art symbiotische Beziehung eingegangen und ihr Einfluss könnte noch zunehmen, wenn Trump auf weiter wachsenden Widerstand stößt.
Trump ist es gelungen, mit seinen Forderungen eine Mauer an der mexikanischen Grenze zu bauen, Einwanderung aus muslimischen Ländern zu verhindern und Massenabschiebungen durchzuführen, ein großes Publikum zu erreichen. Während bei weitem nicht alle Wählerinnen und Wähler Trumps diese Maßnahmen unterstützen – die Zahl der Menschen, die seine Kundgebungen besuchten, ist nur ein Bruchteil seiner Wählerbasis – ist es dennoch ein wesentlich größerer Teil der Bevölkerung, als ihn die faschistische Rechte – ob traditionell oder »alt-right« – je hätte ansprechen können.
Der typische Trump-Unterstützer reiht sich ein in das klassische Wählerprofil der radikalen Rechten: männlich, weiß, mittleres bis höheres Einkommen, kleine Geschäftsleute, aber auch Manager und Hochqualifizierte. Die entscheidende Frage ist, inwiefern es den Faschisten gelingt, das Denken von gewöhnlichen Trump-Unterstützern zu beeinflussen. Jede Entwicklung in diese Richtung muss von der US-Linken verfolgt, analysiert und bekämpft werden.
Bill Crane ist Mitglied der International Socialist Organization (ISO) und lebt in South Carolina, USA.
Übersetzung aus dem Englischen von Martin Haller.
Schlagwörter: Antifaschismus, Donald Trump, Faschismus, Faschisten, Nazis, Rechte, Trump, USA